Mainzer Amiri: "Bin Mensch, der sich brutal wohlfühlen muss"

Leidenschaft, Kampfgeist, Führungsanspruch - diese Eigenschaften hat Nadiem Amiri im "aktuellen sportstudio" aus den vielen Attributen ausgewählt, die ihn beim 1. FSV Mainz 05 zum entscheidenden Akteur des Umschwungs gemacht haben.

Sein Tatendrang, seine Qualität und sein Optimismus trugen maßgeblich zum Klassenerhalt bei - jetzt stehen die Nullfünfer auf einem Champions-League-Rang.

"Der Verein und ich: Wir haben alle gerade die Zeit unseres Lebens", sagte Amiri, der im Januar 2024 von Bayer Leverkusen wechselte.

Seitdem gilt der 28-Jährige als Schlüsselfigur für die Verwandlung vom Abstiegskandidaten zum Europapokalanwärter.

Der Wechsel nach Mainz sei wie ein Heimkommen gewesen, weil die Familie noch in Ludwigshafen beheimatet ist. "Es hat mir sehr gefehlt über die Jahre. Es war ein bisschen surreal, im letzten Jahr nach Hause zu kommen", sagte Amiri.

Geprägt hat ihn unter anderem sein fünf Jahre älterer Bruder Nauwid, der sein schützendes Händchen nicht nur in Jugendzeiten über dem heutigen Nationalspieler hielt und im "aktuellen sportstudio" sagte: "Er hat diesen Biss, diesen Willen, seinen Traum zum Beruf zu machen."

Der Profifußballer sieht in seinem Bruder eine Art Mischung aus "Papa, bester Freund, großer Bruder - manchmal Frau. Er achtet halt bei mir auf alles, dass das Drumherum passt."

Diese Herzenswärme habe er auch beim Comeback in der Nationalmannschaft genossen, als der umtriebige Mittelfeldspieler im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League gegen Italien (2:1) nach fast fünf Jahren Abstinenz erstmals wieder das DFB-Trikot trug. "Es ist alles warm, man fühlt sich wohl", sagte Amiri, der Bundestrainer Julian Nagelsmann fachlich als einen der besten Fußballlehrer der Welt pries.

Fünf Länderspiele hatte er zuvor unter Joachim Löw bestritten - das letzte im November 2020 mitten in der Corona-Pandemie. Wenn er ehrlich reden dürfe, sei es in dieser Phase unter Joachim Löw "ein bisschen kalt" gewesen. "Man hat sich nicht so wohlgefühlt."

Er wolle zwar nicht schon auf die WM 2026 in Kanada, Mexiko und die USA schauen, aber: "Jeder Fußballer hat den Traum, so ein Turnier zu spielen." Zuvor steht zum Ende dieser Saison das Nations-League-Halbfinale gegen Portugal in München am Mittwoch, den 4. Juni (20.45 Uhr/live ZDF) an.

Dass es gegen sein früheres Idol Cristiano Ronaldo gehe, mache die Partie besonders. Er könne an "CR7" nur alles bewundern. "Athletik, Tempo, Technik." Trotzdem gehe es ihm nicht darum, vorher das Trikot von Ronaldo zu sichern.

Amiri will sich erst einmal auf die sechs noch ausstehenden Bundesligaspiele mit Mainz 05 fokussieren. Viele bezeichnen den "sehr guten Fußballer" (Kapitän Jonathan Burkardt) und "hervorragenden Menschen" (Abwehrchef Moritz Jenz) inzwischen sogar als Seele des selbst ernannten Karnevalsvereins.

Ein Typ wie Amiri sei "verrückt gut für eine Kabine", lobte Trainer Bo Henriksen. Der Spieler beschreibt den dänischen Einpeitscher so: "Er ist positiv verrückt. Ich habe selten einen Menschen erlebt, der jeden Tag in die Kabine kommt und einfach happy ist." Er könne dem Coach nur ein Kompliment machen, eine solche Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen.

Gleichwohl gab es im Heimspiel gegen Holstein Kiel (1:1) einen kleinen Stimmungsdämpfer. Auch Amiri, der Typ Allesmacher, der Spielwitz mit Kampfgeist, Technik mit Einsatz paart, fand in seinem 251. Bundesligaspiel gegen ein mutiges Schlusslicht in einer munteren Partie selten eine Lücke.

"Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen", sagte Amiri. "Wir haben zu wenig auf den Platz gebracht. Alle im Stadion waren enttäuscht, in der Kabine war Stille. Aber solche Dämpfer gehören dazu, aber so was darf uns im Kopf nicht kaputtmachen."

Jeder Mainz-Fan wisse doch, was man für eine Saison spiele.