Sex gegen Geld: Frauenrecht oder frauenverachtend?

    Diskussion um Sexkauf-Verbot:Prostitution: Frauenrecht oder Ausbeutung?

    von Nico Kellner
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    Nachdem Dorothee Bär ein Sexkauf-Verbot für Deutschland gefordert hat, ist eine kontroverse Diskussion entbrannt. Dabei geht es auch um eine Grundrechtsabwägung.

    Archiv: Eine Prostituierte wartet am 12.07.2017 auf ihrem Zimmer in einem Bordell in Frankfurt am Main auf Kundschaft.
    Prostitution ist in Deutschland legal, doch daran gibt es Kritik.
    Quelle: dpa

    Im Jahr 2002 wurde das Prostitutionsgesetz durch die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) verabschiedet. Seitdem ist Sex gegen Geld nicht mehr sittenwidrig, sondern ein gewöhnliches Rechtsgeschäft, das eine Leistung und eine Gegenleistung begründet. Die Betroffenen können Lohn einklagen und in Sozialkassen einzahlen.

    Diskussion um prekäre Arbeitsverhältnisse

    Eigentlich sollte das die Lage der Prostituierten in Deutschland verbessern - Kritiker sagen, das Gegenteil sei der Fall. Laut der Politikerin Dorothee Bär (CSU) habe sich Deutschland gar zum "Bordell Europas" entwickelt. Prostitution finde nunmehr unter prekären Verhältnissen und gegen den Willen der Frauen statt.
    Dem möchte Bär gerne mit einem Sexkauf-Verbot nach schwedischen Vorbild entgegentreten. Ihr Wunsch sei es, sagen zu können: "Man kann Frauen nicht kaufen in unserem Land".

    Das sogenannte Nordische Modell gilt in Schweden seit 1999. Es sieht ein generelles Verbot von Sex gegen Geld vor. Freier werden bestraft, während Prostituierte entkriminalisiert werden. Seit einigen Jahren ist das Modell auch in anderen EU-Staaten verbreitet, etwa in Norwegen und Frankreich. Nach Angaben des Vereins "Mission Freedom" haben sich die Zahlen von Straßenprostitution in Schweden seit Einführung des Nordischen Modells halbiert.

    Strafrechtliche Dimension

    Die Prostitution selbst ist in Deutschland erlaubt und damit auch nicht strafrechtlich relevant. Strafbar ist hingegen die Ausbeutung von Prostituierten. Jemandem, der gewerbsmäßig ein Bordell betreibt und Prostituierte in persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit bringt, droht gemäß § 180a StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
    Auch die Zuhälterei wird im Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt. Dies soll Prostituierte davor schützen in ein ausbeutendes Abhängigkeitsverhältnis von sogenannten Zuhältern zu kommen. Ebenso steht die Prostitution in der Nähe einer Schule unter Strafe, wenn dadurch unter 18-jährige "sittlich gefährdet werden".
    Junge Frau beugt sich auf der Beifahrerseite in ein Auto und erhält Geld von einem kaum sichtbaren Mann im Auto sitzend.
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    Deutsche Polizeigewerkschaft lehnt Nordisches Modell ab

    Obwohl Zwangsprostitution in Deutschland heute schon strafbar ist, geht die Deutsche Polizeigewerkschaft in Schätzungen von etwa 90 Prozent Zwangsprostituierten aus - überwiegend aus Osteuropa. Grund sei die Kombination aus einer liberalen Gesetzeslage einerseits und dem geringen Verfolgungsdruck andererseits.

    Wenn man die Frauen aus der Zwangsprostitution holen will, muss man kontrollieren können.

    Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft

    Ein generelles Sexkauf-Verbot nach Nordischem Modell hält Reiner Wendt für "nicht zielführend". Es nehme nicht nur dem Anteil derer, die Prostitution aus freiem Willen betreiben "die Geschäftsgrundlage weg", sondern mache auch die Situation der Frauen in Zwangsprostitution "nicht besser". Wendt fordert hingegen neben stärkeren Kontrollen auch mehr Bezugspersonen für Prostituierte, die dabei helfen können, sich der Zwangsprostitution zu entziehen.

    Verfassungsrechtliche Fragen

    Kritisch gesehen wird der CSU-Vorstoß auch vom "Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen". Dessen Gründungsmitglied Stephanie Klee sagte im ZDF-Morgenmagazin vom 21. September:

    Wir Sexarbeiterinnen werden in den Untergrund, in dunkle Ecken, in gefährliche Ecken gedrängt, wo wir keinen Zusammenhalt mit den Kolleginnen haben und sehr viel mehr Gefahren ausgesetzt werden.

    Stephanie Klee, Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen

    Gegner eines Sexkauf-Verbots prophezeien häufig einen Übergang in die Illegalität. Es ist in der Tat fraglich, ob Prostitution überhaupt durch ein Verbot eingedämmt werden kann.
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    Verwiesen wird auch auf das Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten, das ihnen nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz zusteht. Demnach hat jeder das Recht auf "freie Entfaltung seiner Persönlichkeit". Dorothee Bär hält im ZDF dagegen. In der Prostitutions-Szene herrschten oftmals menschenunwürdige Zustände, Frauen leiden unter den Folgen ihrer Tätigkeit.

    Reden wir doch mal über die Menschenwürde. Für wenige ist es eine Selbstbestimmung. Aber für die meisten, denen täglich Gewalt und Ausbeutung angetan wird, zählt plötzlich die Menschenwürde nicht.

    Dorothee Bär, stellvertretende Vorsitzende CDU/CSU-Bundestagsfraktion

    Zu einem ähnlichen Schluss kamen die Autoren einer Studie, die im Juni diesen Jahres im Nomos-Verlag erschienen ist. Das aktuell gültige Prostitutionsgesetz sei verfassungswidrig, da es die Menschenwürde nicht ausreichend in den Blick nehme. Es hätte vielmehr Menschenhandel und organisierte Kriminalität gefördert.
    Nico Kellner ist in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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