Im
klimaneutralen Energiesystem der Zukunft sind Ökostrom und damit hergestellter Wasserstoff die tragenden Säulen. Doch wo soll der Wasserstoff herkommen? Wer sind die Abnehmer? Und wie kommt das Gas dorthin?
Bereits 2020 hat die damalige Bundesregierung einen Handlungsrahmen formuliert, die "Nationale Wasserstoffstrategie" (NWS). Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hat die
Ampel-Koalition jetzt eine Fortschreibung erarbeitet. Sie soll an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Ein Überblick:
Warum gilt Wasserstoff als Hoffnungsträger?
Weil bei der Verbrennung mit Sauerstoff schlicht Wasser, also H2O, entsteht und kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Wird Wasserstoff klimafreundlich hergestellt, soll er dabei helfen, den Ausstoß von CO2 deutlich zu verringern, im Idealfall sogar bis auf null.
Entwicklungsstaatsekretär Jochen Flasbarth sieht in der Umstellung auf Wasserstoff zudem große Chancen für die "starke, ingenieurgetriebene deutsche Wirtschaft". Es seien zwar Investitionen nötig, sagte er im ZDF-Morgenmagazin, aber es gebe keine Alternative. Erneuerbarer Wasserstoff werde "enorme Kostenvorteile" haben.
Wo soll Wasserstoff zum Einsatz kommen?
Mit Ökostrom hergestellter Wasserstoff soll zum einen als chemischer Rohstoff eingesetzt werden. Als Grundstoff für die chemische Industrie wird Wasserstoff schon lange verwendet, etwa zur Herstellung von Ammoniak, einer Ausgangsbasis für Düngemittel. In der Stahlindustrie etwa soll Öko-Wasserstoff künftig eine zentrale Funktion übernehmen: Wo bei der Herstellung von Roheisen bislang Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff entzieht, soll künftig Wasserstoff ran.
Zum anderen soll er als Energieträger und damit auch als Energiespeicher dienen. In einigen Jahren soll er etwa als Brennstoff in modernen Gaskraftwerken zur Stromerzeugung verwendet werden. Sie sollen zum Einsatz kommen, wenn nicht genügend erneuerbarer Strom etwa aus Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung steht. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff schon länger zur Stromerzeugung eingesetzt. Gelagert werden soll Wasserstoff etwa in früheren Erdgasspeichern.
Wie soll der Wasserstoff hergestellt werden?
Der Wasserstoff soll vorzugsweise mit Hilfe von erneuerbarem Strom in sogenannten Elektrolyseverfahren hergestellt werden. Dabei zerlegt Strom Wassermoleküle in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff.
- Wird dabei Strom aus regenerativen Energiequellen verwendet, wird der Wasserstoff "grün" genannt.
- Von "grauem" Wasserstoff spricht man, wenn bei der Herstellung aus Erdgas CO2 entweicht.
- Wird das frei werdende Kohlendioxid gespeichert, bezeichnet man ihn als "blau".
- Wird dabei fester Kohlenstoff gewonnen, wird der Wasserstoff "türkis" genannt.
"Die Weltwirtschaft wird insgesamt umgebaut" und das habe "alle Potentiale eine deutlich fairere Welt zu sein", so Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär Bundesentwicklungsministerium.26.07.2023 | 5:14 min
Wo kommt der Wasserstoff bislang her?
In Deutschland werden jährlich rund 55 Terawattstunden Wasserstoff verbraucht, vor allem von der chemischen Industrie. Gewonnen wird er bislang überwiegend aus Methan, dem Hauptbestandteil von fossilem Erdgas.
Wie viel Wasserstoff wird künftig benötigt?
Viel mehr als bisher. Die bisherige
Wasserstoffstrategie nahm für 2030 einen Gesamtbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden an. Im jüngsten Entwurf der NWS wird diese Spanne nach oben gesetzt: auf 95 bis 130 Terawattstunden. Zum Vergleich der Energiemenge: 2022 erzeugten laut Energiewirtschaftsverband BDEW erneuerbare Energieträger in Deutschland brutto rund 257 Terawattstunden Strom.
Um klimaneutral zu werden, will die Bundesregierung fossile Brennstoffe durch grünen Wasserstoff ersetzen. Doch die Transformation stellt Deutschland vor Herausforderungen. 26.07.2023 | 1:43 min
Wie viel ist eine Terawattstunde Wasserstoff?
Eine Terawattstunde Wasserstoff wiegt etwa 30.000 Tonnen. Zur Einordnung: Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp will in Duisburg 2026 eine neue Anlage zur Roheisenproduktion in Betrieb nehmen, die erst mit Erdgas und dann mit immer mehr Wasserstoff betrieben wird. Ab 2029 soll die Produktion dann komplett mit Wasserstoff laufen und so den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Stahlerzeugung deutlich verringern. Veranschlagt wird ein Jahresverbrauch von rund 143.000 Tonnen Wasserstoff. Zum Vergleich: Ein Standard-Elektrolysemodul der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera kann pro Jahr nach Unternehmensangaben maximal 3.100 Tonnen Wasserstoff produzieren.
Woher soll der Wasserstoff künftig kommen?
In Deutschland sollen viele Elektrolyseanlagen gebaut werden, die vor allem grünen Wasserstoff produzieren. Ging die bisherige NWS noch von fünf Gigawatt heimischer Elektrolysekapazität im Jahr 2030 aus, sollen es laut Entwurf jetzt mindestens zehn Gigawatt sein. Um diese Menge zu erzeugen, bräuchte es Berechnungen zufolge etwa 1.000 Elektrolyseanlagen.
Der von diesen Anlagen produzierte Wasserstoff reicht jedoch voraussichtlich nicht aus, um den Bedarf zu decken. So geht der Entwurf davon aus, dass 2030 rund 50 bis 70 Prozent des verbrauchten Wasserstoffs importiert werden müssen. Der Wasserstoff soll dabei vor allem in Ammoniak gebunden per Schiff nach Deutschland kommen, nach 2030 dann auch über Pipelines.
An der Grenze zu Dänemark stehen mehrere Windparks, die nicht nur Strom erzeugen, sondern auch grünen Wasserstoff produzieren. Wie funktioniert das und was sind mögliche Probleme?27.02.2023 | 2:00 min
Quelle: Helge Toben, dpa