Landtagswahl in Bayern: Mit Tiktok junge Wähler fischen?
Landtagswahl in Bayern:Mit Tiktok junge Wähler fischen?
von Renée Severin
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Tiktok ist bei Jüngeren beliebt wegen der unterhaltsamen Kurzvideos. Mittlerweile nutzen Parteien die Plattform für ihre Botschaften - so auch Markus Söder und seine CSU.
Immer mehr Politikerinnen und Politiker versuchen auf der Plattform Tiktok vor allem junge Wähler zu gewinnen.02.06.2023 | 2:18 min
Wer auf Tiktok unterwegs ist, dem werden dort vermutlich tanzende Menschen, kurze Comedyszenen oder diverse skurrile Inhalte begegnen - aber möglicherweise auch CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Zum Beispiel wie er einen Baby Yoda in der Hand hält und zum Star-Wars-Tag gratuliert. Seine Frage: "Wer ist euer Lieblingscharakter?"
Zunehmend politische Inhalte auf Tiktok
Knallharte Politik sieht anders aus. Und doch ist der Star-Wars-Fan Söder ein Symbolbild für die sich politisierende Plattform. Expert*innen beobachten, dass immer mehr Politiker*innen und Parteien die chinesische App nutzen und dort Inhalte teilen.
So erzählt Ricarda Lang (Grüne), Taylor Swift zu hören. Und Wolfgang Heubisch (FDP) schießt im bayrischen Wahlkampf gegen seine Kontrahenten. Politik- und Strategieberater Dr. Bendix Hügelmann erklärt die Attraktivität von Tiktok für die Politik:
Tiktok-Richtlinien verbieten politische Werbung
Offiziell unterliegen politische Accounts auf Tiktok klaren Richtlinien. So gibt es unter anderem ein Verbot für politische Werbung, demnach ist die Werbefunktion der Plattform für Politiker*innen und Parteien in der Regel nicht verfügbar.
Mit fast einer Milliarde Nutzern geht die App Tiktok durch die Decke. Und birgt enormes Potenzial, Geld zu verdienen.04.07.2022 | 43:55 min
Ihre Inhalte teilen, das aber dürfen sie - so wie derzeit im bayerischen Landtagswahlkampf. Im Oktober wird der Landtag in München neu gewählt. Und die Tiktok-Kanäle der Parteien sind gefüllt mit politischen Forderungen und Seitenhieben, in der Regel plattformtypisch unterhaltsam verpackt.
Erfolg in Social Media nicht von Follower-Zahl abhängig
Politische Inhalte auf Social Media sind keine Neuheit. Auf Facebook und Instagram sind sie - nicht nur zu Wahlkampfzeiten - längst üblich. Tiktok lockt allerdings mit zwei Besonderheiten: Die junge Zielgruppe, darunter auch Erstwähler. Dazu kommt die Entkopplung von Kanalgröße und Reichweite.
Für Politiker*innen erscheine die Plattform daher vor allem aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive sehr reizvoll. Immer mehr versuchten, ein Stück vom Kuchen zu bekommen. "Momentan ist es aber eher noch eine Experimentalplattform als eine, die komplett ausgereift ist für politische Kommunikation", so Hügelmann.
Tiktok nutzen um bei Jungwähler*innen bekannt zu werden
Die Politisierung von Tiktok beobachtet auch Juan Carlos Medina, in den USA noch mehr als in Deutschland. Der Datenwissenschaftler hat an der Hochschule für Politik an der TU München promoviert. Er hat untersucht, wie politische Inhalte auf Tiktok bei den User*innen ankommen.
Wichtig seien präzise Meinungen und markante Argumente, das käme gut an. Es reiche nicht, bloß über Politik zu reden. Seine Empfehlung: Präsenz zeigen und den potentiellen jungen Wähler*innen damit im Kopf bleiben - allerdings nicht um jeden Preis. Denn wer negativ auffällt, tue sich auf Tiktok damit keinen gefallen.
"Das ist eine sehr feine Linie", sagt Medina. Ein prominentes Beispiel lieferte die CSU im Januar 2023. Die Partei löschte ein Video in Folge diverser Sexismus-Vorwürfe. Markus Söder war darin mit mehreren jungen Frauen zu sehen, darunter ein Song mit unmissverständlichen sexuellen Anspielungen.
Ob sich auf Tiktok konkret Wählerstimmen fangen lassen, dafür gibt es zwar erste Hinweise. Die Studienlage ist dazu aber noch dünn.
Juan Carlos Medina könne sich schon vorstellen, dass - über einen längeren Zeitraum - die Tiktok-Clips Einfluss auf Wählerstimmen nehmen. In jedem Fall könnten Parteien und politische Personen über die App ihr Image schärfen und ihre Bekanntheit unter der jüngeren Generation steigern, meint der Datenwissenschaftler.
Tiktok in Kritik wegen Datenschutzmängeln und Zensurvorwürfen
Tiktok gewinnt demzufolge an politischer Relevanz. Und das, obwohl gerade die Politik die Plattform immer wieder kritisiert: Die Mängel bei Daten- und Jugendschutz sind bekannt, auch Vorwürfe von Zensur von Meinungen gegen die chinesische Regierung gibt es.
Die EU-Kommissionen beispielsweise hat die App auf den Diensthandys ihrer Mitarbeiter verboten. "Da gibt es einen Konflikt von politischer Überzeugung und praktischem Nutzen." Ein Konflikt oder gar ein Dilemma.