Gefahr für die Demokratie?:Französischer Senat droht mit Tiktok-Verbot
von Lukas Nickel
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Die chinesische Plattform Tiktok könne die Demokratie und die Psyche Jugendlicher schädigen, so der französische Senat. Ändere sich daran nichts, müsse Tiktok verboten werden.
Müssen Frankreichs Teenager um die Tiktok-App bangen?
Quelle: AFP
Bis Ende des Jahres geben die Senatoren Tiktok Zeit, um auf einen Fragen- und Forderungskatalog zu reagieren. Unter anderem soll die chinesische Online-Plattform über ihre Verbindungen zur chinesischen Regierung Auskunft geben. Außerdem soll sie effizienter gegen Fake News vorgehen und das Alter ihrer Nutzer besser kontrollieren.
Komme Tiktok dem nicht nach, soll die französische Regierung die Plattform in Frankreich verbieten und gleichzeitig eine Ausweitung des Verbots auf europäischer Ebene anstreben.
Tiktok Gefahr für die Demokratie?
Gerade einmal 40 Minuten. Länger dauere es im Schnitt nicht, bis den Userinnen und Usern auf Tiktok-Falschinformationen angezeigt werden, zitiert der fast 200-seitige Bericht eine Studie des Online-Faktencheck-Portals NewsGuard. Das sei auch problematisch in Bezug auf die engen Verbindungen zur chinesischen Regierung. Diese könnte mithilfe von Tiktok durch in ihrem Sinne verzerrte Inhalte letztlich die Demokratie schwächen, befürchten die Senatoren.
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Tiktok bestreitet eine Verbindung mit der chinesischen Staatsführung. Der Dachkonzern ByteDance hat seinen Sitz zwar mittlerweile auf den Kaimaninseln. Doch er unterliege durch chinesische Anteilseigner noch immer der Kontrolle Chinas, heißt es in dem Bericht des Senats. In Frankreich habe die Plattform gut 22 Millionen Nutzer.
Es sei in China schon vorgekommen, dass zum Beispiel kritische Inhalte von der unterdrückten Minderheit der Uiguren in China auf der Plattform verborgen wurden, erklärt Julien Nocetti, Forscher am Französischen Institut für internationale Beziehungen dem ZDF.
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Besonders hohes Suchtpotenzial bei Jugendlichen
Im Rahmen der jüngsten Ausschreitungen um einen erschossenen 17-Jährigen hatte der französische Präsident Macron die umstrittene Forderung gestellt, die Nutzung sozialer Medien teilweise einzuschränken. So sollen Jugendliche daran gehindert werden, sich zu den Krawallen zu verabreden. Auch der Bericht des Senats fordert, die den Zugang zu Tiktok zu sperren, wenn die App dazu benutzt wird, um zu "Störungen der öffentlichen Ordnung" aufzurufen oder Bilder davon zu verbreiten.
Ein weiteres Problem: Der Umgang mit personenbezogenen Daten. Es bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Nutzerdaten nach China zu senden. Genauso unklar sei auch, wie der Algorithmus der Online-Plattform aussehe und wer ihn programmiere. Dieser sei besonders für junge Menschen gefährlich: Jugendliche würden im Durchschnitt fast zwei Stunden pro Tag auf der Plattform verbringen. Damit sei das Suchtpotenzial auf der Plattform besonders hoch.
Verbot könnte Spannungen mit China provozieren
Ab August tritt das europäische Gesetz für digitale Dienste in Kraft, das Digitalplattformen dazu verpflichtet, ihre Algorithmen offenzulegen. Ob Tiktok mit seinen undurchsichtigen Strukturen und seinem Sitz auf den Kaimaninseln zur Einhaltung des neuen Gesetzes gezwungen werden kann, ist fraglich.
Das sei anders zum Beispiel bei Digitalplattformen aus den USA, sagt Forscher Nocetti: "US-amerikanische Konkurrenten wie Facebook und Snapchat sind auch nicht perfekt, doch dank ihres Hauptsitzes in den USA können sie zumindest juristisch verfolgt werden".
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Experte: Tiktok-Verbot unwahrscheinlich
Tiktok müsse sich an die Regeln halten, betonte auch der französische Digitalminister Jean-Noël Barrot bei einer Befragung im Senat: "Tiktok wird sich wie alle großen Plattformen den Verpflichtungen zur Transparenz, zur Prüfung der Algorithmen und zur Berücksichtigung der Risiken, die diese Plattformen für die Gesundheit ihrer Nutzer sowie für die öffentliche Sicherheit darstellen, unterwerfen müssen."
Dass Tiktok auf europäischer Ebene verboten wird, hält Digitalexperte Nocetti jedoch für unwahrscheinlich. Zu stark seien wirtschaftlichen Verbindungen der europäischen Länder nach China, allen voran Deutschland mit seiner Industrie.
Auch Frankreich könnte seine Beziehungen zu China mit einem Verbot verschlechtern. "Zudem würde es dann als das Land dastehen, das digitale Innovation ablehnt", so Nocetti. Das sei auch den Senatoren bewusst, und so stecke hinter dem Bericht ein politisches Kalkül. Frankreich sei das erste Land in Europa, das in seiner Kritik so weit gegangen ist. Wenn die Diskussion in der Form auf andere Länder überschwappe, wäre das schon ein Erfolg.