Interview
Bericht zur Menschenrechtslage:Amnesty: "Unvorstellbare Gräuel" im Sudan
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Laut einem Bericht von Amnesty International begehen die Kriegsparteien im Sudan schwere Verletzungen von Menschenrechten. Die Bevölkerung erlebe "unvorstellbare Gräuel".
Eine erschöpfte Flüchtlings-Familie in der Darfur-Region im Sudan.
Quelle: reuters
Amnesty International wirft den Kriegsparteien im Sudan schwere Verbrechen gegen die Bevölkerung vor. Wahllose Angriffe forderten "massenhaft zivile Opfer", erklärte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag in Berlin. In einem Bericht dokumentiert Amnesty auch gezielte Attacken auf Krankenhäuser und Kirchen. Manche der Menschenrechtsverletzungen seien als Kriegsverbrechen zu betrachten, hieß es.
Überall im Sudan erlebe die Bevölkerung "unvorstellbare Gräuel", erklärte die stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow.
Der Krieg im Sudan hat mehr als zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben:
Amnesty: Zivilisten im Kreuzfeuer
In dem Report "Death Came To Our Home" ("Der Tod kam in unser Haus") ist unter anderem der Angriff auf einen koptisch-orthodoxen Kirchenkomplex in der Hauptstadt Khartum dokumentiert. Mitglieder der paramilitärischen "Rapid Support Forces" hätten bei der Attacke am 13. Mai fünf Geistliche erschossen und Geld sowie ein goldenes Kreuz gestohlen, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf Augenzeugen. Auch gerieten Zivilisten ins Kreuzfeuer, weil dicht besiedelte Wohngebiete angriffen würden, häufig mit Explosivwaffen.
Amnesty warf den Konfliktparteien zudem sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen vor. In einigen Fällen seien Frauen und Mädchen tagelang festgehalten worden. In den meisten Fällen hätten die Überlebenden die "Rapid Support Forces" sowie verbündete arabische Milizen verantwortlich gemacht.
Die Gewalt im Sudan reißt nicht ab:
Im Sudan eskalierte Mitte April ein Machtkampf zwischen der Armee und der RSF-Miliz. Seitdem gibt es Kämpfe in vielen Teilen des Landes, vor allem in der Hauptstadt Khartum und der westlichen Darfur-Region. Hunderttausende Menschen wurden vertrieben. Aus der Darfur-Region gibt es immer wieder Berichte über ethnisch motivierte Gewalt. Amnesty International hat für den Bericht nach eigenen Angaben 181 Personen interviewt, darunter 59 Überlebende und Zeugen von Gewalttaten.
Der Krieg im Sudan brach am 15. April 2023 in der Hauptstadt Khartoum sowie anderen Landesteilen aus. Seitdem kämpfen rivalisierende Fraktionen des herrschenden Militärs gegeneinander: die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter De-facto-Staatschef Abdel Fattah Burhan und die Rapid Support Forces (RSF) unter seinem bisherigen Mohammad Hamdan Daglo.
Wie so oft geht es vor allem um Macht, aber auch um die Vorherrschaft und damit Gewinne im Handel mit Rohstoffen. Der Sudan ist seit jeher reich an Gold und Erdöl. Das Land ist außerdem Hauptexporteur von Gummiarabikum, einem Lebensmittelzusatzstoff, der etwa bei Softdrinks oder Schokoriegeln, aber auch zur Medikamentenherstellung genutzt wird.
In einer der Hauptregionen des Konflikts, der Region Darfur im Westen des Sudan, geht es auch um Kämpfe zwischen Stämme, die sich wegen Weideland und Zugang zu Wasser bekriegen.
In einer der Hauptregionen des Konflikts, der Region Darfur im Westen des Sudan, geht es auch um Kämpfe zwischen Stämme, die sich wegen Weideland und Zugang zu Wasser bekriegen.
Der Sudan gehörte schon vor dem Krieg zu einem der ärmsten Länder der Welt. Die Zivilbevölkerung ist jetzt massiv betroffen: Es gibt so gut wie keine Gesundheitsversorgung mehr. Viele Kliniken wurden zerstört oder geplündert. Wegen marodierender Banden trauen sich viele Menschen nicht mehr, ihre Häuser zu verlassen und haben so keinen Zugang zu Lebensmitteln und Wasser. UNICEF schätzt, dass 13.8 Millionen Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
Das UNHCR schätzt – mit Zahlen von Ende Mai – dass über 350.000 Menschen aus dem Sudan geflohen sind. 90 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Sie fliehen vor allem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien und Zentralafrikanische Republik. Innerhalb des Sudans sind etwa 850.000 Binnenflüchtlinge unterwegs.
Quelle: epd
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