Fall Seipel: NDR will Zahlungen an Journalisten untersuchen
Russisches Geld für Journalisten:NDR kündigt Untersuchung von Fall Seipel an
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Nach Enthüllungen von ZDF und "Spiegel" über Geldflüsse eines russischen Oligarchen an Putin-Erklärer Seipel reagiert der NDR. Filme des Journalisten sollen untersucht werden.
Seite an Seite: Hubert Seipel und Wladimir Putin (Archivfoto vom 1.9.2013)
Quelle: Imago
Der NDR will die Vorgänge um Hubert Seipel untersuchen. NDR-Intendant Joachim Knuth kündigte am Dienstagabend an, dass der frühere "Spiegel"-Chefredakteur Steffen Klusmann die Vorgänge um die Beauftragung und Umsetzung der Filme von Hubert Seipel für den NDR "gründlich überprüfen" werde.
Der preisgekrönte deutsche TV-Journalist und Putin-Erklärer Hubert Seipel soll laut Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" Hunderttausende Euro aus Russland erhalten haben, ohne dies dem Sender NDR als seinem Arbeitgeber mitgeteilt zu haben.
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Hunderttausende Euro aus Russland für Buchprojekte
Im Fokus stehen 600.000 Euro, die Seipel im Rahmen eines sogenannten Sponsorenvertrags gezahlt wurden. Seipel hatte Russlands Präsident Wladimir Putin mehrfach interviewt, etwa für die ARD-Dokumentation "Ich, Putin" von 2012. Drei Jahre später veröffentlichte er die Biografie "Putin. Innenansichten der Macht". 2021 folgte das Buch "Putins Macht. Warum Europa Russland braucht". Beide Bücher wurden vom Hamburger Verlag "Hoffmann und Campe" veröffentlicht. Experten hatten in der Vergangenheit wiederholt auf Seipels unkritische Haltung gegenüber der russischen Regierung hingewiesen.
Das geht aus vertraulichen Dokumenten zyprischer Unternehmensdienstleister hervor, die dem ZDF vorliegen. Darunter ist auch ein Vertrag zwischen Seipel und der Briefkastenfirma "De Vere Worldwide Corporation". Diese gehört zum Firmengeflecht des russischen Oligarchen und langjährigen Tui-Großaktionärs Alexej Mordaschow. Mordaschow steht wegen seiner Putin-Nähe seit 2022 unter EU-Sanktionen.
Auszüge aus dem Sponsorenvertrag zwischen Hubert Seipel und der Briefkastenfirma "De Vere Worldwide Corporation".
Quelle: ZDF
Verlag und NDR: Nichts von den Zahlungen gewusst
Mit der Recherche konfrontiert, hatten der Verlag und auch der NDR mitgeteilt, nichts von den Zahlungen gewusst zu haben, und eine Prüfung der Vorgänge angekündigt. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte der Verlag am Dienstag, den Verkauf der Seipel-Bücher über Wladimir Putin angesichts der Recherche zu stoppen.
In einer Pressemitteilung von Dienstag teilte der NDR nun mit, mit der für Seipels Filme zuständigen Produktionsfirma Kontakt aufgenommen zu haben. Seipel habe dabei dem NDR gegenüber eingeräumt, er habe über zwei "Sponsoring-Verträge" 2013 und 2018 Geld von Alexej Mordaschow erhalten und erklärt, es sei für zwei Buchprojekte gewesen.
Zuletzt sei Seipel 2019 für den NDR tätig gewesen. Vor rund fünfzehn Jahren war Seipel auch für das ZDF tätig gewesen.
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Projekt "Cyprus Confidential" mit internationalen Medienpartnern
Der NDR betont, dass Produktionsverträge und Compliance-Regeln des Senders verlangen würden, dass mögliche Interessenskonflikte offengelegt werden und die journalistische Arbeit frei vom Einfluss Dritter durchgeführt werde.
Die Zahlungen an Seipel hat ZDF frontal im Rahmen des Projekts "Cyprus Confidential" aufgedeckt, eine vom ZDF und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) angestoßene weltweite Recherche zu fragwürdigen Geschäften, die über und durch das EU-Mitgliedsland Zypern laufen. Weltweit waren mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten von 69 Medienhäusern in 55 Ländern an der Recherche beteiligt - darunter "Spiegel", "Washington Post", "Guardian" und "Standard".
Russland-Experte Seipel hat 600.000 Euro von einem Putin-nahen Oligarchen erhalten. Das zeigen ZDF-Recherchen. Seine Unparteilichkeit sieht der Journalist nicht beeinträchtigt.
von Hans Koberstein, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Timo Schober
Exklusiv
Transparency fordert erhöhte Wachsamkeit
"Die weltweite Recherche zeigt, wie Oligarchen aus Russland als verlängerter Arm des Kremls versuchen, über Briefkastenfirmen auf Zypern Entscheidungsträger und Meinungsmacher im Westen zu beeinflussen", heißt es in einer Mitteilung von Transparency International zu dem Fall.
"Der Fall des Journalisten Hubert Seipel ist ein weiteres eklatantes Beispiel für das, was wir Strategische Korruption nennen. Wir warnen seit langem, dass autoritäre Regime zur geostrategischen Einflussnahme Korruption als Werkzeug ihrer Außenpolitik einsetzen und das Geld durch das weltweite Schattenfinanzsystem schleusen", so Transparency.
Alle gesellschaftlichen Bereiche müssten deutlich wachsamer sein, wenn es die Interessen gehe, die "hinter Avancen aus autoritären Regimen stehen könnten."
von Sophia Baumann, Maria Christoph, Felix Klauser, Hans Koberstein, Hannes Munzinger, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Marta Orosz, Timo Schober und Sophia Stahl