Nawalny-Prozess: Schwierige Lage der russischen Opposition
Weiterer Prozess gegen Nawalny:Wie ist die Lage der russischen Opposition?
von Sebastian Ehm
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Alexej Nawalny steht wieder vor Gericht. Ihm drohen mindestens 30 weitere Jahre Haft. Im Vorfeld gibt es Festnahmen - die Lage der Opposition in Russland wird immer prekärer.
"Alexej, halte durch!" Ein Video zeigt einen Mann, der ein Schild mit dieser Botschaft hochhält. Er befindet sich in Wladiwostok. Doch auch hier, rund 6.400 Kilometer Luftlinie vom politischen Zentrum Moskaus entfernt, ist die Polizei schnell da.
Als ihn die Beamten abführen, sagt der Mann noch: "Ich hatte gehofft, dass hier noch mehr sind, die so denken wie ich". Seinen Namen erfährt man nicht. Doch es ist klar, er gehört zu den Unterstützern von Russlands bekanntestem Kritiker Wladimir Putins: Alexej Nawalny.
Der bekannteste russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist zu weiteren neun Jahren Straflager verurteilt worden. Das Verfahren wird international als politische Inszenierung des Kreml verurteilt. Nawalny ruft seine Anhänger zum aktiven Protest auf. 22.03.2022 | 2:28 min
Angst vor Festnahmen auch bei Nawalny-Unterstützern
Wie viele Nawalny-Unterstützer es in Russland noch gibt, lässt sich nicht genau sagen. Zu groß die Furcht vor dem Gefängnis. Als sein Team am Samstag zu Protesten anlässlich Nawalnys 47. Geburtstag aufruft, hält sich die Zahl derer, die in Russland dem Ruf folgen, in Grenzen.
Die, die es wagen, werden schnell weggesperrt. Laut dem Portal "OVD Info" sollen es mehr als 100 sein, die die Behörden in 23 Städten festsetzten. Alexej Nawalny selbst meldet sich auf Twitter:
Auch in Deutschland gingen Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität zu zeigen. In Berlin waren es am Samstag über 100 Demonstrierende. Dem Team von Alexej Nawalny ist es gerade jetzt vor Beginn des nächsten Prozesses wichtig, auf seine schwierigen Haftbedingungen aufmerksam zu machen. Nawalny soll gesundheitlich schwer angeschlagen sein. Seine Sprecherin sagte bei der Veranstaltung am Brandenburger Tor dem ZDF:
Oppositionelle: Angeklagt wegen Extremismus
So wie in Berlin gingen weltweit tausende Menschen auf die Straße, um für die Freilassung des russischen Oppositionellen zu demonstrieren. Darunter Tokio, Tel Aviv und Mailand. Es ist vor allem ein Zeichen, dass man den Oppositionellen und sein Schicksal nicht vergessen hat.
Doch viel Hoffnung gibt es vor diesem Prozess nicht. Er findet auch nicht wie sonst in Moskau statt, sondern 200 Kilometer außerhalb der Hauptstadt, direkt in der Strafkolonie, in der Nawalny einsitzt. Ihm drohen mindestens 30 Jahre Haft. Der Vorwurf: Extremismus.
Nawalny war im Januar 2021 bei der Rückkehr aus Deutschland in seine Heimat festgenommen und wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und Betrug verurteilt worden.
Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charité verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Der Kreml bestreitet, darin verwickelt zu sein.
Nawalny-Unterstützer werden verfolgt
Wie gefährlich kleinste Zeichen der Kritik in Russland sind, zeigt der Fall von Alexej, dem Mandanten von Anwältin Julia Tregubowa. Er wurde verhaftet, weil er den Protest-Aufruf zu Alexej Nawalnys Geburtstag auf Social Media geteilt hat. Die Rechtsanwältin erklärt konsterniert:
Der russische Staat reagiert mit voller Härte gegen alle, die noch hinter Alexej Nawalny stehen. Alexej Nawalny selbst will nicht aufgeben.
Oppositionsarbeit, freie Meinungsäußerung oder Kritik an der Regierung sind in Russland 2023 nicht mehr möglich. Jeder, der das tut, riskiert für Jahre ins Gefängnis zu müssen. Alexej Nawalny dient dem russischen Machtapparat dafür als Beispiel, wie als wolle man sagen: Tut es nicht, ihr seht an ihm, wie es euch ergehen kann.
Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, Zentralasien und die Kaukasusregion.