Streit um Deutschlandticket:Wie viel Geld fließt eigentlich in den ÖPNV?
von Luisa Billmayer
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Bund und Länder streiten um die Finanzierung des Deutschlandtickets. Dabei ist nicht einmal genau bekannt, wie viele Milliarden an Bundesmitteln pro Jahr in den ÖPNV fließen.
Finanzierung des ÖPNV: Es ist kompliziert.
Quelle: Getty Images/Ralph Orlowski
Die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist mehr als kompliziert. 1996 übernahmen die Länder die einstige Bundesaufgabe und erhalten seitdem Gelder, um Schienen, Busse und Bahnen bereitzustellen.
Stellt der Bund neue Ansprüche an den ÖPNV, fordern die Länder dafür Mittel aus dem Bundeshaushalt - wie auch beim 49-Euro-Ticket.
Der ÖPNV im "Förderdschungel"
Über Jahre hinweg beschlossen wechselnde Regierungen neue Gesetze und Verflechtungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Selbst der Bundesrechnungshof - die unabhängige Finanzkontrolle des Bundes - kritisiert dieses Ergebnis und bezeichnet das komplizierte System als "Förderdschungel".
Gibt es wirklich keine Zahlen zur ÖPNV-Finanzierung?
Im Auftrag des Umweltbundesamts hat die Beratungsfirma KCW trotz des "Förderdschungels" versucht, zu erfassen, wie viel Geld tatsächlich im ÖPNV ankommt. 2019 veröffentlichte KCW ein Gutachten, das auf Daten von 2016 basiert. Rund 32 Milliarden Euro sollen pro Jahr in den ÖPNV fließen - inklusive Ticketerlöse, Steuervergünstigungen und Förderungen von Bund, Ländern und Kommunen.
Nur rund 40 Prozent der Einnahmen stammen demnach von den Fahrgästen. Allerdings sind die Daten zum einen relativ alt. Zum anderen heißt es in der Studie selbst, dass es schwierig sei, die zahlreichen Finanzströme zu erfassen. Somit blieben Unsicherheiten.
Finanzierung des ÖPNV
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Was bedeutet das für das 49-Euro-Ticket?
Wie soll die Finanzierung des Deutschlandtickets in dieser Situation geplant werden? Das Bundesverkehrsministerium hat ein kurzfristigeres Gutachten bei der Beratungsfirma "Ramboll" beauftragt. Demnach flossen im Jahr 2022 etwa 30 Milliarden Euro in den ÖPNV, 11,5 Milliarden Euro davon vom Bund.
"Dem Bundesrechnungshof ist das […] Gutachten bekannt. Er hat es aber weder geprüft noch ausgewertet", teilte ein Sprecher des Bundesrechnungshofs auf Anfrage mit. Zwar stünden im Bericht Zahlen zur Förderung des ÖPNV. Konkrete Angaben dazu, wie hoch die Beteiligung von Bund, Ländern, den Kommunen und sonstigen Quellen sind, fehlten allerdings weiterhin.
Soll es das Deutschlandticket weiterhin geben, wären im Jahr 2031 Bundesmittel in Höhe von 21 bis 31 Milliarden Euro nötig, prognostiziert das Gutachten. Ab 2026 steigt der Förderbedarf sprunghaft an, weil ab diesem Jahr die Corona-Rettungsschirme für den ÖPNV auslaufen. Doch auch dieser Bericht ist offenbar nur ein Versuch, die Situation zu erfassen.
Zuschussbedarf des ÖPNV bis 2031
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Neben der ohnehin komplizierten Finanzstruktur sei es wegen der Corona-Pandemie, des Kriegs in der Ukraine und der Probephase des 9-Euro-Tickets noch schwieriger, die Geldflüsse nachzuvollziehen oder Prognosen daraus abzuleiten, heißt es im Bericht.
"Wir wissen weder, wie viele Fahrgäste wir haben, noch wissen wir, wieviel Geld aus Bundes-, Landes-, und Kommunalkassen in den ÖPNV gesteckt werden - eigentlich unglaublich", kritisiert Mobilitätsforscher Andreas Knie gegenüber ZDFheute die Situation. "Jedenfalls existiert keine saubere Kostenrechnung, die vor allen Dingen nicht nur die Diesel- und Personalkosten der Busse berücksichtigt, sondern auch die vielen Zweckverbände und Verkehrsverbunde."
Was folgt daraus für das Deutschlandticket?
Das neue Deutschlandticket macht die Situation nun nicht leichter.
Geklärt ist:
- Bund und Länder zahlen für die Jahre 2023, 2024 und 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro für das neue Ticket, pro Jahr also insgesamt 3 Milliarden Euro.
- Im Jahr 2023 teilen sich Bund und Länder auch weitere Kosten, die bei den Verkehrsunternehmen zum Beispiel durch Verluste bei den Ticketverkäufen entstehen.
Strittig ist:
- Die Länder fordern: Der Bund soll sich auch 2024 und 2025 an den potenziellen Mehrkosten beteiligen.
- Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt diese Forderung ab.
Klar ist allerdings: sinken die Einnahmen der Verkehrsunternehmen und die öffentliche Hand fängt diese Verluste nicht auf, wird das Deutschlandticket teurer. Dabei spielt es wohl keine Rolle, ob das Finanzierungssystem kompliziert ist oder nicht. Andreas Knie sieht stattdessen eine Chance darin, das Ticket günstiger zu machen.
Wie kann das System verbessert werden?
"Ein einfacheres System wäre wünschenswert. Einen sinnvollen Vorschlag hat aber noch niemand auf den Tisch gelegt", sagt Mobilitätsforscher Philipp Kosok vom Thinktank Agora Verkehrswende.
Weil der "Förderdschungel" schwer aufzulösen ist, müsse an kleineren Stellschrauben gedreht werden. Kosok schlägt vor, klare bundesweite Ziele zu formulieren und deren Erfolg zu überwachen. Ein Ansatz kann auch sein, die Förderung der Verkehrsunternehmen wirtschaftlicher zu gestalten.
Für Andreas Knie steckt Potenzial darin, staatliche Mittel daran zu koppeln, wie viele Menschen in einem Bus oder einer Tram mitfahren. Aktuell erhalten die Betreiber Zuweisungen für jede bereitgestellte Bus- oder Bahnstrecke - unabhängig davon, wie viele Fahrgäste das Angebot tatsächlich nutzen.
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