Ein Jahr Schwarz-Grün in NRW: Wohlfühl-Wüst und die K-Frage

    Ein Jahr Schwarz-Grün in NRW:Der Wohlfühl-Wüst und die K-Frage

    von Dorthe Ferber
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    Seit genau einem Jahr regieren CDU und Grüne in Düsseldorf. Wie gut funktioniert die selbst ernannte "Zukunftskoalition"? Und wie schlägt sich Ministerpräsident Hendrik Wüst?

    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, steht vor der Staatskanzlei in Düsseldorf, NRW, am 27.10.2021
    NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst trägt den Titel "Politiker des Jahres 2023", inhaltlich war das erste Jahr seiner "Zukunftskoalition" eher holprig.
    Quelle: dpa/Rolf Vennenbernd

    Mehr als die Hälfte der Befragten ist unzufrieden mit der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen - so klingt Schwarz-Grün in Düsseldorf laut einer aktuellen Umfrage.
    Schwarz-Grün laut CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seiner Stellvertreterin Mona Neubaur von den Grünen klingt anders: Pragmatismus, stabile Regierungsarbeit und ganz viel harmonisches Miteinander bescheinigen sich beide gegenseitig. "Das passt menschlich gut, das hat Perspektive", resümiert Wüst das erste Jahr, bei Neubaur heißt es: "Wir arbeiten gut, verlässlich und vertrauensvoll zusammen."

    Wüst als Regierungschef der Mitte, die Mehrheitsfähigkeit im Blick

    Schwarz und Grün in Nordrhein-Westfalen, einem Land mit tiefen Gräben zwischen Stadt und Land, links und rechts, das war ein neues Wagnis. Dafür läuft die neue Koalition tatsächlich weitgehend geräuschlos, beide Koalitionspartner haben sich bemüht, Konflikte zu vermeiden.
    Bei Hendrik Wüst steckt Kalkül dahinter: Der Mann, der seine politische Karriere als zackig Konservativer begann, präsentiert sich nun als Regierungschef der Mitte an der Seite der Grünen. Ein moderner Macher, der mit Frau und Kinderwagen zur Vereidigung kommt und Angela Merkel den nordrhein-westfälischen Verdienstorden verleiht - der Mann will mehrheitsfähig sein, schöne Grüße nach Berlin an Friedrich Merz.

    Konflikt- und Fehlervermeidung statt Gestaltung

    Wüsts Kalkül geht bislang auf, die CDU hat in Nordrhein-Westfalen deutlich höhere Umfragewerte als im Bund. Wüst setzt dabei eher auf Fehlervermeidung als auf Gestaltung.
    Er regiert fast präsidial, mit perfekter Vorbereitung und Gespür für die richtigen Bilder, von der Übergabe der Neujahrsbrezel bis hin zum nordrhein-westfälischen Familien- und Kinderfest: ein Wohlfühl-Wüst.

    Eher schleppender Start in Klimafragen

    Inhaltlich ist die Bilanz von Wüsts Regierung durchwachsen. Laut Koalitionsvertrag soll Nordrhein-Westfalen die erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden, Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 inklusive. Die Auseinandersetzung um das Abbaggern des Braunkohledorfs Lützerath schadete eher den Grünen als der CDU.
    Auch am erklärten Ziel des Ausbaus von Windkraft werden nun die Grünen gemessen. Tausend neue Windräder sollen bis zum Ende der Legislatur stehen. Bislang wurden aber weniger als 100 neu errichtet, ein schleppender Start.

    Präsentation ist alles

    Auch sonst holperte Schwarz-Grün durchs erste Regierungsjahr: Der Haushaltsentwurf kam erst nach zweimaliger Rüge des Landesrechnungshof durch, die Abiturklausuren mussten nach einer Computerpanne verschoben werden, im Sauerland staut sich der Verkehr noch immer bei der inzwischen gesprengten Rahmedetalbrücke.
    All das aber perlt am Regierungschef ab, auch wenn Wüst, zuvor Verkehrsminister, mühsam die Verantwortung für das sauerländische Verkehrsdesaster von sich wies.
    Trotz mittelmäßigem Regierungshandwerk gelingt es Wüst, seine selbst ernannte schwarz-grüne "Zukunftskoalition" als solide zu präsentieren. Kein öffentlicher Streit, lautet seine Devise, immer in Abgrenzung zur Bundesregierung: "Wir stecken unsere Energie nicht in Schaukämpfe und Profilierung auf offener Bühne", betont Wüst und spöttelt:

    Das ist vielleicht nicht so spannend wie in Berlin, aber ich bin nicht für spannend, sondern für Machen gewählt worden.

    Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident

    Debatte um K-Frage zur Unzeit: Wüst um Schadensbegrenzung bemüht

    Der CDU-Pragmatiker im bevölkerungsreichsten Bundesland trägt inzwischen den Titel "Politiker des Jahres 2023" und verweist machtbewusst auf sein Mitspracherecht bei der Kür des Unions-Kanzlerkandidaten.
    Darauf reagierte CDU-Chef Friedrich Merz im ZDF-Interview genervt. Merz spürt, dass Wüsts Beliebtheit ihm gefährlich werden könnte. In Düsseldorf sitzt Wüst derweil und beantwortet die Frage nach seinen Kanzlerkandidaten-Ambitionen so: "Dass meine Aufgabe aktuell hier ist, sehen sie daran, dass ich gerade hier sitze." Beim Wort "aktuell" dürfte Friedrich Merz weiter hinhören.
    Inzwischen wird Wüst auch in der CDU dafür kritisiert, die Kanzlerkandidaten-Debatte zur Unzeit begonnen zu haben. Wüst ist um Schadensbegrenzung bemüht, zeigt sich demonstrativ mit Merz beim Sommerfest und lobt vor Journalisten immer wieder die Merz'schen Verdienste. Der Wohlfühl-Wüst will sein erfolgversprechendes Image weiter pflegen - auch in der eigenen Partei.
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