Militär ergreift Macht im Niger:Dieser Putsch trifft auch die Bundeswehr
von Thilko Gläßgen
|
Das Militär im Niger verkündet, die Macht übernommen zu haben. Das Land ist der letzte verbliebene westliche Bündnispartner in der Region. Der Putsch trifft auch deutsche Soldaten.
Ob aus Mali, Guinea, Burkina Faso oder wie jetzt dem Niger - die Bilder gleichen sich: Aufbegehrende Militärs wollen die Macht an sich reißen und nutzen im Staatsfernsehen die ganz große Bühne, um sich zu präsentieren.
Der selbsternannte "Nationale Rat zum Schutz des Vaterlandes" hat im Niger eine nächtliche Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr verhängt, ebenso die Schließung der Landesgrenzen und des Luftraums. Außerdem haben sie den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum im Präsidentenpalast offenbar festgesetzt. Der jedoch schreibt auf Twitter, ihm und seiner Familie gehe es gut. Darüber hinaus heißt es, seine Landsleute werden weiter für Demokratie und Freiheit sorgen.
Mohamed Bazoum ruft zum Erhalt der Demokratie auf
Ein Klick für den Datenschutz
Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von X nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von X übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von X informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Aufgebrachte Bürger, die am Morgen vor den Palast zogen und die Freilassung des Präsidenten und die Wahrung der Demokratie forderten, wurden von den Putschisten durch Warnschüsse vertrieben.
Dürre verschärft Armut
Die Lage bleibt unübersichtlich. Der Niger kämpft, wie seine Nachbarländer, mit großen Problemen auf vielen Ebenen. Große Teile des Landes sind Wüste, die zunehmende Dürre als Folge des Klimawandels vernichtet Lebensraum und -grundlagen für Viehnomaden und Bauern.
Die Hälfte der Bevölkerung lebt an der oder unter der Armutsgrenze. Hinzu kommen ethnische Konflikte zwischen den verschiedenen Volksgruppen und bewaffneten Aufstände von islamistischen Dschihadisten.
"Es gab Warnschüsse der Präsidentengarde, die den Palast abgeriegelt hat" gegen pro-demokratische Demonstranten, so ZDF-Korrespondent Luc Walpot nach dem Militärputsch in Niger.27.07.2023 | 3:46 min
Trotz all dieser Krisen galt das Binnenland als wichtigster Stabilitätsanker in einer äußerst instabilen Region. Zuvor gab es bereits in Nigers Nachbarländern Burkina Faso und Mali vier Putsche in den vergangenen drei Jahren. Auch weitere Grenzen, etwa zu Nigeria, Libyen und Tschad, sind von Unsicherheit geprägt.
Putsch hat auch Folgen für Bundeswehr im Niger
In der nigrischen Hauptstadt Niamey befinden sich derzeit auch etwa 100 Bundeswehrsoldaten, die einen Lufttransportstützpunkt unterhalten. Er ist Drehscheibe für Personal und Material in Westafrika. Der Putsch im Niger sei deshalb "eine Katastrophe für uns Europäer, Niger war die Hoffnung", sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogrammes Sahel von der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Zunächst waren die Bundeswehr-Soldatinnen und -Soldaten dort ihm Rahmen einer UN-Mission eingesetzt, die zur Stabilität im benachbarten Mali beitragen sollte. In der nigrischen Hauptstadt Niamey unterhält die Bundeswehr einen wichtigen Lufttransportstützpunkt, der bei dem Bundeswehr-Abzug aus Mali eine entscheidende Rolle spielen soll. Dort können Flugzeuge be- und entladen werden. Zudem gibt es eine medizinische Zwischenstation und ein speziell ausgerüstetes Flugzeug, um verwundetes Personal zu transportieren.
Zwischen 2018 und 2022 war die Bundeswehr an der Ausbildungsmission "Gazelle" beteiligt. Zunächst hatten Kampfschwimmer der Marine nigrische Soldaten trainiert und es wurde in Tillia im Westen des Landes eine Schule für Streitkräfte aufgebaut. Dieses Engagement soll nach bisherigen Plänen im Rahmen einer neuen, noch im Aufbau befindlichen EU-Mission weitergeführt werden. Ziele sind Beratung der Streitkräfte und Ausbildung eines nigrischen Führungsbataillons.
Nach ersten Angaben des Bundesverteidigungsministeriums waren alle deutschen Soldaten in Sicherheit. Derzeit sind demnach etwa ein Dutzend Soldaten an der Mission EUMPM Niger beteiligt. Auf dem Luftstützpunkt in Niamey seien zudem um die hundert deutsche Soldaten. Niger war seit der Verschlechterung der Beziehungen zur Militärjunta in Mali zuletzt der wichtigste Partner Deutschlands in der Sahel-Region - weswegen in den vergangenen Monaten unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dorthin gereist waren.
Quelle: Ulrike Koltermann, AFP
Quelle: Ulrike Koltermann, AFP
Einem Bundeswehrsprecher zufolge befinden sich die Soldaten in Sicherheit. Aufgrund der geschlossenen Luft- und Landesgrenzen sei eine Evakuierung aber aktuell nicht möglich. Ob die im Dezember beschlossene EU-Militärmission unter den aktuellen Umständen noch eine Zukunft hat, ist derzeit offen. Dem Vernehmen nach stehen verschiedene Länder der EU mit der neuen Militärregierung in Kontakt.
Nicht absehbar sind auch die Auswirkungen auf den für das Jahresende geplanten Abzug der Bundeswehr aus Nigers Nachbarland Mali. Bisher war geplant, dass das Material der Bundeswehr über den Niger aus Mali zurückgeführt wird. Grundsätzlich stehe man mit den Partnern aus Frankreich, Italien und den USA in Kontakt, heißt es in Potsdam. Ob dieser Plan gehalten werden kann, erscheint allerdings unklarer denn je.