Nationale Sicherheitsstrategie: Automatisch mehr Sicherheit?
FAQ
Von Bundeswehr bis Stromnetz:Bringt die neue Strategie mehr Sicherheit?
von Nils Metzger
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Deutschland hat seine erste Nationale Sicherheitsstrategie. Was heißt das konkret? Was kann das Papier leisten und sind Bürgerinnen und Bürger jetzt wirklich sicherer?
Kaum ein Politikfeld ist so breit und diffus wie die Sicherheitspolitik. Von der Bundeswehr bis zum Stromnetz oder der Medikamentenversorgung - alles davon kann die Nationale Sicherheit betreffen.
Unterschiedlichste Ministerien und Behörden arbeiten an diesen Themen - doch bislang gab es kein zentrales Papier, das all diesen Institutionen sagt, welche Probleme gerade am drängendsten sind und wie man sie angehen möchte. Die jetzt vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie soll der Fahrplan sein, der Deutschland langfristig sicherer macht.
Dieses Ziel weckt hohe Erwartungen an das Papier. Was kann es tatsächlich leisten?
Was ist die Nationale Sicherheitsstrategie?
Revolutionäre Neubewertungen und Überraschungen enthält das Papier kaum, fasst jedoch viele Einzelvorhaben und Lehren aus der "Zeitenwende" seit Russlands Invasion der Ukraine und der Corona-Pandemie zusammen.
Unter den Schlagwörtern "Wehrhaftigkeit", "Resilienz" und "Nachhaltigkeit" werden dutzende Einzelvorhaben genannt, vom Ausbau der militärischen Fähigkeiten im Bereich Cyber und Weltraum, dem Schutz kritischer Infrastruktur, bis hin zu neuen Rückführungsvereinbarungen in Reaktion auf Migration. Sie sollen von den beteiligten Ministerien umgesetzt werden.
Lesen Sie hier weitere Details zu den Inhalten der Nationalen Sicherheitsstrategie:
Deutschland hat erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Welche Interessen hat Deutschland und wie werden sie erreicht? Die wichtigsten Punkte des neuen Papiers im Überblick.
Was bringt die Strategie gegen Kriege und Katastrophen?
Eines ist die Nationale Sicherheitsstrategie nicht: Ein Handbuch zur Bewältigung von Krisen. Markus Kaim, Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, betont gegenüber ZDFheute:
Das Dokument richte sich primär an Behörden und schwöre sie auf gemeinsame Ziele ein, so Kaim. Er sehe auch nicht, dass Deutschland durch das Papier automatisch besser gegen einschneidende Ereignisse gewappnet wäre.
"Das würde so eine Strategie überfordern, die zunächst nur politische Ziele nennen und priorisieren soll", sagt Kaim. Für ihn seien die Katastrophen des Afghanistan-Einsatzes oder der Russland-Politik nicht durch strategische, sondern durch institutionell-operative Fehler bedingt. "Letztlich haben wir keine Prozesse und keine Institutionen, die ein klares Bild liefern. Es stellt sich die Frage, ob die Geheimdienste nicht richtig gearbeitet haben. Warum negative Stimmen nicht gehört wurden. Das ist keine Frage der Strategie, sondern der operativen Umsetzung", sagt Kaim.
Eine Aufarbeitung von institutionellem Versagen der Vergangenheit liefert das Dokument in Bruchstücken. Afghanistan oder Kabul werden auf keiner der 76 Seiten erwähnt.
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Ist die Nationale Sicherheitsstrategie ein großer Wurf?
Doch auch mit diesen realistischen Erwartungen an eine Nationale Sicherheitsstrategie gibt es Anlass für Kritik. Die zahlreichen Forderungen sind mit keinem Cent mehr an Geld hinterlegt. Bei der Umsetzung müssen die Ministerien mit dem haushalten, was sie schon haben.
Auch wird das Papier nicht dazu führen, dass es eine Außen- und Sicherheitspolitik aus einem Guss gibt. Denn: "Es gibt kein koordinierendes Organ. Niemanden, der verbindliche Entscheidungen treffen kann", betont Kaim. Auf einen Nationalen Sicherheitsrat, der solche Entscheidungen verbindlich fällt, konnte sich die Koalition nicht einigen.
Auch der Blick in die Vergangenheit warne vor zu hohen Erwartungen, sagt Kaim. "Wenn wir auf die letzten strategischen Dokumente der Bundesregierung schauen - etwa das Weißbuch für die Bundeswehr aus dem Jahr 2016 - dann stellen wir fest, dass das häufig nur geringe Wirkung entfaltet hat."
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Wie geht es jetzt weiter mit der Außen- und Sicherheitspolitik?
Im schlimmsten Fall wandert die aufwändig ausgearbeitete Strategie in vielen Ministerien nach kurzer Zeit in die Schublade. Um das zu verhindern, fordert Experte Kaim nun eine Verstetigung:
So könne man diese Debatte raus aus Expertenkreisen in die Gesellschaft tragen, so Kaim. "Die Welt um uns herum verändert sich radikal. Entsprechend muss sich auch unsere Außenpolitik radikal verändern."
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