Kampf gegen Kinderpornografie: Was Ermittler brauchen
Kampf gegen Kinderpornografie :Was Ermittler zur Strafverfolgung brauchen
von Ann-Kathrin Jeske
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Wie Missbrauchsdarstellungen strafrechtlich verfolgt werden sollten, beschäftigt Justizminister Buschmann und die EU. Was sich ändern könnte und was Ermittler wirklich brauchen.
Staatsanwältin Julia Bussweiler (Bereich Kinderpornografie und sexueller Missbrauch von Kindern) in ihrem Büro. Sie bearbeitet hier den Fall "Boystown"
Quelle: dpa
Es ist selten, dass eine Entschärfung des Strafrechts - und noch dazu im Bereich der Kinderpornografie - auf ein positives Echo stößt. Doch den Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP, den Straftatbestand zum Vergehen herabstufen zu wollen, findet selbst die Gewerkschaft der Polizei GdP gut.
Je schneller die Überarbeitung des Paragrafen 184 b des Strafgesetzbuchs erfolge, desto besser, so der Vorsitzende der Gewerkschaft, Jochen Kopelke, gegenüber dem ZDF.
Seit 2018 sind Kinderpornografie-Verfahren deutlich gestiegen. Der Grund: Jugendliche, die Nacktaufnahmen von Minderjährigen besitzen oder posten, wissen oft nicht, dass sie sich strafbar machen.06.07.2023 | 2:03 min
Der Grund: Was unter Kinderpornografie fällt, ist in Deutschland sehr weit gefasst. Ein 14-Jähriger macht sich beispielsweise strafbar, wenn er sich auf dem Smartphone ein Nacktbild anschaut, das ihm seine 13-jährige Freundin geschickt hat.
Mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen unter 21
Die Folge: Mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen, gegen die die Polizei im Jahr 2022 ermittelte, waren laut der Polizeilichen Kriminalstatistik unter 21 Jahre alt. Die Ermittlerinnen und Ermittler verwenden also immer mehr Zeit darauf, die Fälle von Minderjährigen und Heranwachsenden aufzuklären, anstatt jene zu kriegen, die wie in Lügde oder Bergisch-Gladbach ganze Netzwerke aufgebaut haben.
Kinderpornografie im Klassen-Chat: Was Eltern tun können
"Die neue Reform des Straftatbestands der sogenannten kinderpornografischen Inhalte geht in die richtige Richtung", findet deshalb der Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger von der Hochschule der Polizei in Brandenburg.
Die Herabstufung vom Verbrechen zum Vergehen, wie sie der Justizminister in seinem Referentenentwurf plant, würde dazu führen, dass wieder mehr Verfahren eingestellt werden könnten. So war es in der Vergangenheit, bis eine Gesetzesverschärfung der schwarz-roten Koalition vor zwei Jahren die Einstellungsmöglichkeit nahm.
Polizei muss trotzdem ermitteln
Allerdings, so der Cyberkriminologe, löse die nun geplante Rolle rückwärts nur einen Teil des Problems. Die Staatsanwaltschaft könnte dann zwar verstärkt Verfahren einstellen, einleiten müsste die Polizei sie aber trotzdem.
Heißt: Ermittlungsverfahren wird es auch weiterhin geben: "Stellen Sie sich vor, Sie haben als Elternteil auf dem Smartphone von ihrem Kind kinderpornografische Bilder entdeckt, unüberlegt einen Screenshot gemacht, um damit zur Polizei zu gehen. Dann wird vermutlich gegen Sie zunächst selbst ermittelt werden. Auch wenn dies am Ende eingestellt wird, werden Sie aber zunächst mit einem sicherlich sozial sehr belastenden Ermittlungsverfahren konfrontiert."
Kann die Chatkontrolle helfen?
Was Ermittlungsbehörden für den Kampf gegen Kinderpornografie brauchen, damit beschäftigt sich aktuell das Europäische Parlament. Im Kern geht es um die Frage, ob verschlüsselte E-Mails und What's App Chats aller EU-Bürger automatisch auf kinderpornografisches Material durchsucht werden sollen: Die sogenannte Chatkontrolle.
Könnte die EU künftig selbst automatisch die Chats aller ihrer Bürger durchsuchen, dürfte die Masse an kinderpornografischem Material an die Polizei deutlich ansteigen. Das bedeutet: Mehr Ermittlungsverfahren und voraussichtlich auch mehr Verurteilungen.
Positiv findet das die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus. Doch der EU-Innenausschuss hat sich diese Woche dagegen ausgesprochen. Nun wird mit der Kommission und den Mitgliedsstaaten verhandelt.
Chatkontrolle findet die Falschen
Der Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger begrüßt die Position des Parlaments. Er glaubt nicht, dass man mit der Chatkontrolle die großen Fische fangen könnte.
Wer teilt denn heute noch solche Missbrauchsdarstellungen über soziale Medien und Messenger?
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Thomas-Gabriel Rüdiger, Cyberkriminologe
"Das sind sicherlich nicht die professionellen Täter, die kinderpornografische Netzwerke aufbauen, sich im Darknet bewegen und wissen, dass das automatisch gescannt wird. Das sind dann eher dilettantische Tätergruppierungen oder solche, die nicht wissen, dass dies strafbar ist oder gescannt wird, wie Minderjährige", so Rüdiger.
In der gesellschaftlichen Diskussion wird häufig vertreten, dass der Begriff "Kinderpornografie" unpassend sei, da er Gewalt gegen Kinder verharmlose. Es gibt für diese Ansicht gute Argumente. Der strafrechtliche Paragraf § 184b StGB spricht jedoch von der Verbreitung von "kinderpornografischen" Schriften. Im Alltag wird auch oft der Begriff "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" oder "dokumentierter Kindesmissbrauch" verwendet.
Rüdiger ist überzeugt: Für die Aufdeckung großer Netzwerke komme es vor allem auch auf klassische Ermittlungsarbeit an. Zum Beispiel auf Beamte, die verdeckt im Darknet ermitteln, um die Netzwerke proaktiv aufzudecken.
Vergangene Ermittlungserfolge geben dem Kriminologen Recht: Das Netzwerk Boystown beispielsweise, einst eine der weltweit größten Plattformen mit mehr als 400.000 Usern, flog durch den Einsatz verdeckter Ermittler auf.
Ann-Kathrin Jeske ist Redakteurin der Redaktion Recht und Justiz.
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