Migrationsgipfel zu EU-Asylpolitik: Drei gegen Brüssel

    Migrationsgipfel in Wien:EU-Asylpolitik: Drei gegen Brüssel

    Wolf-Christian Ulrich zu Ungarn
    von Wolf-Christian Ulrich
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    Ein Treffen in Wien soll die Migrationspolitik in der EU voranbringen . Es wirkt aber eher wie ein Fototermin für angeschlagene Politiker.

    Migrationsgipfel in Wien
    Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer empfängt seinen ungarischen Amtskollegen Victor Orban und Serbiens Präsidenten Aleksandar Vucic zu einem Migrationsgipfel.07.07.2023 | 1:59 min
    Es ist nicht nur ein Anti-Migrations-Treffen heute in Wien. Es ist ein Protesttreffen gegen die EU. Und ein Foto-Termin für drei Männer, die politisch angeschlagen sind. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer bereitet die Bühne:

    Wir müssen feststellen, dass das Asylsystem der EU kaputt ist, nicht funktioniert. Deshalb ist es wichtig, dass man bilateral gut zusammenzuarbeitet.

    Karl Nehammer, Bundeskanzler Österreich

    Nehammer unter Druck durch Rechtsaußen-Partei FPÖ

    Nehammer will vom Treffen heute profitieren. Er ist innenpolitisch stark unter Druck: Die Rechtsaußen-Partei FPÖ führt die Umfragen an. Nehammer hofft nun, wie damals Sebastian Kurz, mit einer Orbán-nahen Migrationspolitik Wähler aus dem rechten Lager zurückzuholen.
    Zusammen mit Ungarn und Serbien habe Österreich die "Asylbremse" deutlich angezogen, lässt Nehammer heute wissen. Nun wolle man die polizeiliche Kooperation ausbauen und verstärkt gegen die organisierte Kriminalität hinter dem Schlepperwesen vorgehen. Außerdem müsse man Asylverfahren außerhalb der EU durchführen.
    Kommunen und Flüchtlinge
    Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist zuletzt stark gestiegen. Die Verantwortlichen in den Kommunen stehen unter Druck, haben aber auch aus 2015 gelernt.19.05.2023 | 2:59 min

    Ungarn verweigert weiter EU-Asylkompromiss

    Neben Nehammer steht Ungarns Ministerpräsident Orbán. Was die Slogans angeht, ein Verbündeter - was die Realitäten angeht, ein Problem für Österreich. Dass die meisten, die illegal nach Österreich kommen, vorher in Ungarn waren, dass Orbán jüngst hunderte Schlepper vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen hatte - davon sprach Orbán heute natürlich nicht.
    Stattdessen attackierte Ungarns Regierungschef die nicht anwesenden Dritten, verweigerte sich dem Asylkompromiss der EU-Partner.

    Wir werden diese Entscheidungen der EU nicht durchführen. Wir werden die verbindliche Quote nicht akzeptieren.

    Viktor Orbán, Ministerpräsident Ungarn

    Und ritt dann seine Standard-Attacke: "Wir müssen uns nicht nur gegen den Migranten, sondern auch gegenüber Brüssel verteidigen."
    Solidarität akzeptiert Orbán nur, wenn es um EU-Milliarden geht - aber nicht bei Kriegsflüchtlingen, schon gar nicht bei Migranten.

    Serbien: Demonstranten fordern Vučić' Rücktritt

    Sehr still heute: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Er hat ein völlig anderes Problem. Seit Wochen gehen Zehntausende im ganzen Land auf die Straßen. Sie fordern Vučić' Rücktritt, fordern ein Ende der Kultur der Gewalt unter seiner Regierung.
    Diese Bilder flimmern über Europas Fernsehschirme - gegen diese Bilder will Vučić heute ankämpfen, seine Botschaft: Ich helfe der EU gegen illegale Migration und trage damit zur Stabilität in der EU bei. In der Tat haben neue serbische Visabeschränkungen für Indien und Tunesien den Druck auf der Balkan-Route gelindert.

    EU-Küstenländer bei Migrationsgipfel nicht dabei

    Bezeichnend ist, wer beim Wiener Migrationsgipfel nicht dabei ist: Italien, Spanien und Griechenland. Und das, obwohl man sich mit Italiens Ministerpräsidentin Meloni einst noch einig schien.
    Das liegt möglicherweise daran, dass die Rezepte von Nehammer, Orbán und Vučić zwar in ihrem Einflussbereich begrenzte Wirkung entfalten - für Küstenländer wie Spanien, Italien oder Griechenland jedoch keine durchschlagenden Ergebnisse versprechen.
    Nehammer, Orbán und Vučić nutzten heute die Bühne zwar für ihre eigenen politischen Probleme. Das europäische Migrationsproblem jedoch haben sie in Wien jedoch nicht gelöst.
    Wolf-Christian Ulrich ist Korrespondent im ZDF-Studio in Wien.

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