CDU nach ZDF-Sommerinterview: Brandmauer gegen Parteichef 

    CDU nach ZDF-Sommerinterview:Brandmauer gegen den eigenen Parteichef 

    Winnie Heescher über das Bund-Länder Treffen bei ZDFheute
    von Winnie Heescher 
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    Die CDU bebt vor Empörung über den eigenen Parteichef. Friedrich Merz hatte im ZDF-Sommerinterview Kooperationen mit der AfD auf Kommunalebene nicht ausgeschlossen.  

    Friedrich Merz
    Im ZDF-Sommerinterview unterstützt CDU-Chef Friedrich Merz Rufe nach einer härteren Migrationspolitik - und relativiert die Brandmauer gegen die AfD auf kommunaler Ebene.24.07.2023 | 2:36 min
    Der Montag ist gerade zwei Minuten alt, als die CDU-Parteizentrale einen Tweet rausschickt. Carsten Linnemann, der neue Generalsekretär der CDU, lässt kurz nach Mitternacht verlautbaren: "Für die CDU ist klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene. Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist."
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    Zur Geisterstunde, also auch zur politischen Unzeit, wenn nichts mehr auszurichten ist, erscheinen diese dürren Zeilen, die längst nicht mehr einfangen können, was sich an Wut und Fassungslosigkeit in der CDU Bahn gebrochen hat seit Veröffentlichung des ZDF-Sommerinterviews mit Friedrich Merz.
    Das ganze ZDF-Sommerinterview mit Friedrich Merz hier im Video:
    Der CDU-Chef war im Interview aufgefordert worden, Stellung zu nehmen zu Äußerungen von einem Bürgermeister, einer Landrätin und einem Landrat - alle aus Thüringen, alle in der CDU, alle fast 30 Jahre im Amt. Die drei sagten, sie halten die Brandmauer zur AfD auf ihrer Ebene für "Blödsinn" und sprachen sich für eine Zusammenarbeit auch mit der AfD aus.
    Friedrich Merz müsse gegen sie eigentlich ein Parteiausschlussverfahren verhängen. So hatte er es im Dezember 2021 in einem Interview mit dem "Spiegel" angekündigt: "Die Landesverbände vor allem im Osten bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an." Und: "Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben. Da werde ich sehr konsequent sein."

    "In Kommunalparlamenten nach Wegen suchen"

    Genau für diese schnittige Wortwahl war Friedrich Merz von vielen zum Parteichef gewählt worden, in der Hoffnung, diese Rhetorik möge der CDU die Wählerinnen und Wähler zurückbringen, die Angela Merkel verloren hatte. Im Sommerinterview ist von dieser Merzschen Konsequenz keine Rede mehr - im Gegenteil.
    Der CDU-Chef eröffnet den Kommunalpolitikern Möglichkeiten - und der AfD gleich mit:

    Auf der kommunalen Ebene ist die Parteipolitisierung ohnehin ein bisschen zu weit vorangeschritten. In Thüringen ist ein Landrat gewählt worden, natürlich ist das eine demokratische Wahl. Es ist in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister gewählt worden, der der AfD angehört und natürlich ist das eine demokratische Wahl. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.

    Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender

    Die Brandmauer, so wiederholt es Merz, gelte aber auf Bundes- und Länderebene.

    Ein Sturm der Entrüstung gegen den eigenen Chef

    Nach diesem Interview setzt ein Sturm in der CDU ein - ein Sturm der Entrüstung gegen den eigenen Parteichef. Es melden sich öffentlich die Bundestagsvizepräsidentin, die Vorsitzende der Frauen-Union, eine stellvertretende Parteivorsitzende, der CDA-Vorsitzende, mehrere Landesvorsitzende, diverse Mitglieder des Bundestags, ein ehemaliger Generalsekretär, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.
    Sie erinnern Friedrich Merz an den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der AfD, fordern ihn auf, nichts zu verharmlosen und klare Kante gegen Rechtsextremismus zu zeigen. Sie verweisen darauf, dass nicht Friedrich Merz alleine den Kurs der Partei ändern könne, sondern nur ein Parteitagsbeschluss. "Wehret den Anfängen" twittert der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans.
    Die meisten der Kritikerinnen und Kritiker werden dem Merkel-Lager zugerechnet, die sich mit Friedrich Merz schon immer schwerer tun. Und sie erscheinen umso größer als diejenigen, die den CDU-Chef verteidigen, weil es dort äquivalent nur Julia Klöckner gibt, die twittert: "Konkretes Abgrenzen von der AfD. Gut so!"

    CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner

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    Diese Meinung aber hat sie weitgehend exklusiv. Und Merz' Pressesprecher Armin Peter versagt beim großen Einmaleins der Pressearbeit, in dem er dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, für seine Unterstützung dankt - dabei hatte der Merz' Aussagen kritisiert: "Wo soll es da Zusammenarbeit geben?". Streisand-Effekt lässt grüßen.

    Tweet von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner

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    Wüst und Günther äußern sich bislang nicht

    Viel interessanter aber ist, wer sich bislang nicht öffentlich positioniert hat: Die Ministerpräsidenten von NRW und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst und Daniel Günther, die Friedrich Merz zuletzt davor gewarnt hatten, billige Punkte gegen Populisten machen zu wollen.
    Für Ministerpräsident Markus Söder, Wahlkämpfer von Bayern, kommt die Debatte zur Unzeit vor den Landtagswahlen im Oktober. Außerdem Jens Spahn, der seine Karriere noch längst nicht beendet sieht und Ralph Brinkhaus, der sehr gerne Fraktionschef war.

    Heißer Kopf, kalte Füße

    Es wird viel telefoniert in der CDU in diesen Tagen - nicht erst seit dem Sommerinterview. Friedrich Merz hatte vergangene Woche irritiert, als er die CDU als "Alternative für Deutschland mit Substanz" bezeichnet hatte. Das sah für einige nach einem rhetorischen Experiment, nach einer Anbiederung an AfD-Wähler aus, für andere nach einem kapitalen Fehler politischer Verirrung von Friedrich Merz. Diese Stimmen werden nun umso lauter.
    Der Parteichef ist angezählt. Nur katapultieren die parteiinternen Kritiker eines bislang nicht an die Öffentlichkeit: Dass jemand den Rücktritt von Friedrich Merz vom Parteivorsitz fordert. Weil das eine weitere Frage nach sich ziehen würde: Wer traut sich, dieses Amt jetzt zu übernehmen - vor wichtigen Landtagswahlen und angesichts von AfD-Umfragen in solchem Ausmaß? Und wenn einer übernimmt, wäre der dann auch der Kanzlerkandidat? Noch stellt keiner diese Fragen öffentlich. Die CDU hat einen heißen Kopf, aber kalte Füße.
    Aber eines ist nach diesem Sommerinterview anders als nach anderen Aussagen der vergangenen Monate, mit denen Friedrich Merz provoziert hat - von "Sozialtourismus" über "kleine Paschas" bis zur "Alternative für Deutschland mit Substanz": Die eigenen Leute in der Partei schweigen nicht mehr. Die CDU hat sich wie in Lichtgeschwindigkeit von ihrem eigenen Chef distanziert in einer bislang unbekannten Massivität. "Wir lassen uns nicht schreddern", schreibt ein Bürgermeister per SMS. "Das ist auch unsere CDU."
    Winnie Heescher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

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