Trittin warnt bei Lanz vor "Lüge" bei EU-Kompromiss zu Asyl
Warnung vor Versprechen:Trittin spricht von "Lüge" bei EU-Asyl-Reform
von Pierre Winkler
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Jürgen Trittin findet es "unanständig", den Menschen zu erzählen, die Politik ergreife gerade wirksame Maßnahmen gegen Migration. Unzufrieden ist er auch mit der Bundesregierung.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" in voller Länge.21.06.2023 | 75:58 min
Als "historischen Erfolg" feierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Asyl-Kompromiss der Europäischen Union, den sie zusammen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für die deutsche Seite mit ausgehandelt hatte. Baerbocks Parteikollege Jürgen Trittin sieht das offenbar ganz anders.
Anstelle von Faesers Worten hätte Trittin den Kompromiss so kommentiert: "Wir haben den Versuch gemacht, ein gescheitertes System ein bisschen zu reparieren und dieser Versuch war nicht besonders erfolgreich."
Trittin: Asyl-Kompromiss der EU beendet Migrationsströme nicht
Der Außenpolitiker fuhr am Mittwochabend bei Markus Lanz fort: "Ich finde es nicht richtig, der Bevölkerung zu erzählen, dass dieser Kompromiss kurzfristig dazu führt, dass die Turnhalle um die Ecke wieder frei wird."
Trittin formulierte zwei Kritik-Punkte: "Erstens wird dieser Kompromiss, wenn er denn kommt, am Ende des Tages in drei Jahren Wirkung haben", sagte er. "Und zweitens ist völlig offen, wie weit die Rechtswirklichkeit jetzt an dieser Stelle dazu führt, dass die zunehmenden Migrationsströme und Fluchtströme in der Welt nicht mehr nach Europa kommen. Da habe ich ganz realpolitische Zweifel dran. Und deswegen würde ich das der Bevölkerung nicht versprechen. Das ist schlicht eine Lüge."
Die Innenminister der EU-Länder hatten sich auf einen schärferen Umgang mit Menschen geeinigt, die in der EU Asyl beantragen wollen. So sollen die Verfahren dazu künftig an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden.
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Kritik an Bundesregierung
Trittin hätte sich gewünscht, "dass die deutsche Bundesregierung mit mehr Ergebnissen aus dieser Geschichte rauskommt. Aber selbst wenn das mehr gewesen wäre, hätten wir trotzdem die Versprechungen, die von anderen gemacht worden sind, nicht erfüllen können."
Letzteres ging vor allem an eine Adresse: "Wir haben permanent Ministerpräsidenten, zum Beispiel Herrn Kretschmer in Sachsen, der den Leuten erzählt, man muss mal endlich dafür sorgen, dass nicht mehr so viele Leute hinkommen."
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Trittin antwortet Kretschmer
Es sei "unanständig, den Menschen zum Beispiel zu erzählen, die jetzt ihre Kinder lieber im Sportunterricht sehen würden, da würde sich sehr schnell etwas ändern und wir würden wirksame Maßnahmen machen, um den Zustrom an dieser Stelle zu beenden. Das ist nicht wahr."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte eine Asylobergrenze von 200.000 pro Jahr gefordert und dabei auch eine Änderung des Grundgesetzes ins Spiel gebracht.
Das sei aber überhaupt nicht umsetzbar, entgegnete Trittin, weil die Zahl der Geflüchteten weltweit gerade drastisch steige. "Die Grundsituation ist, dass wir fast eine Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben, ohne diese ganzen Verfahren", sagte er. Hinzu kämen dann noch Menschen, die zum Beispiel vor Kriegen wie in Syrien fliehen.
Trittin: Falsche Migrationsversprechen helfen AfD
Konkrete Versprechen einer begrenzten Migration halte er für "unredlich und unverantwortlich." Weil das dazu führe, "dass sich die AfD hinstellt und sagt: 'Der hat uns das versprochen und hat es nicht geliefert.'"
Ähnlich bewertete Trittin das Problem der Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden. "Die einfache Antwort, die sagt: 'Wir sorgen dafür, dass alle, die formal ausreisepflichtig sind, wieder ausreisen.' Das hat uns einen Teil zum Beispiel dieser Integrationsprobleme beschert, die wir heute haben", bilanzierte er.
Deswegen rate er dazu, "an dieser Stelle nicht zu vereinfachen, den Menschen nichts zu versprechen".