Steffi Lemke bei "Lanz": Nato-Gipfel "atemberaubend"

    Umweltministerin bei "Lanz":Lemke: Nato-Gipfel "atemberaubend"

    von Felix Rappsilber
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    Bundesumweltministerin Lemke beschreibt den inneren Zwiespalt der Grünen beim Thema Aufrüstung. Sie plädiert für eine internationale Ächtung von Streubomben.

    Steffi Lemke im Studio bei Markus Lanz
    Zur zunehmenden Kritik an der Klima- u. Energiepolitik der Bundesregierung, zur Krise der Grünen, über den in Vilnius laufenden NATO-Gipfel sowie zum geplanten schwedischen Beitritt 11.07.2023 | 74:42 min
    Die Aussicht auf eine dauerhaft in Litauen stationierte Bundeswehr-Brigade und US-amerikanische Lieferungen von Streumunition: Was auf dem Gipfel der Nato an Entscheidungen, an "ganz aktueller, akuter militärischer Hilfe für die Ukraine beschlossen wird in einer großen Einigkeit", sei "ein Stück weit atemberaubend", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke am Dienstagabend bei Markus Lanz.
    Allein aus dem deutschen Bundeshaushalt stelle man 700 Millionen Euro zur Verfügung, so Lemke. Mit Blick auf den Nato-Gipfel sagte die Politikerin der Grünen: "Das ist ein Wandel, wer das irgendwie jetzt völlig auf die leichte Schulter nimmt und sagt, das wäre völlig normal, das ist, glaube ich, in keiner Partei vorhanden."
    Die USA wollen der Ukraine Streumunition liefern:

    Grüne debattieren über Waffen

    Sie bestritt nicht, dass es innerhalb ihrer Partei "heftige Auseinandersetzungen vor dem 24. Februar" 2022 gegeben habe, also vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine:

    Ab diesem Zeitpunkt gab es, glaube ich, in allen Parteien veränderte Sichtweisen, veränderte Entscheidungsstrukturen, Diskurse.

    Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

    Das sei "möglicherweise bei uns schneller vonstattengegangen" - angesichts der "unverschämten Ansage an sämtliche Nachkriegsordnung, Weltfriedensordnung, die wir zwischenzeitlich hatten, an das Erbe vom Fall des Eisernen Vorhangs".

    Lemke: Abkommen gegen Streumunition durchsetzen

    Beim Thema Streumunition zeigte sich die Grünen-Politikerin nachdenklich. Dass die USA der Ukraine Streumunition zur Verfügung stellen werde, dürfe man "nicht moralisch richten": "Wir sind nicht Kriegspartei. Die USA werden sich entscheiden, zu liefern."
    Dennoch wäre es wichtig gewesen, "diese Munition weltweit und für alle Staaten zu ächten": "Das sollte als Ziel bestehen bleiben, dass man versucht, solche Abkommen auch in Zukunft weiter durchzusetzen, damit solche Waffen nicht eingesetzt werden."
    Bundespräsident Steinmeier zum Thema Streumunition:

    USA, Russland und China unterzeichneten Abkommen nicht

    2010 hatten Deutschland und mehr als 100 weitere Staaten im sogenannten Oslo-Übereinkommen die internationale Ächtung von Streumunition erklärt. Diese gilt als unpräzise und birgt ein hohes Blindgänger-Risiko. Die Ukraine, die USA, Russland und China hatten das Abkommen nicht unterzeichnet.
    "Kritische Fragen" müsse man aushalten: "Wenn wir argumentieren, Russland setzt Streumunition ein und deshalb ist es legitim, dass auch die Ukraine Streumunition einsetzt - wohin führt das?" Wenngleich es darauf "keine abschließenden Antworten" gebe, müssten diese Fragen "wenigstens gestellt werden", appellierte Lemke.
    Streubomben
    Streumunition ist besonders heimtückisch – gerade für die Zivilbevölkerung. Jetzt wollen die USA sie an die Ukraine liefern. ZDFheute live analysiert mögliche Kriegs-Auswirkungen.07.07.2023 | 25:42 min

    Lemke: Entscheidungen hinterfragen

    Angesichts multipler Krisen, die das politische Berlin derzeit umtreiben, gestand Steffi Lemke ein: "Man kann in solchen Zeiten nicht Politik machen, ohne zu hinterfragen, ob man richtige oder falsche Entscheidungen getroffen hat und ob das Ziel, was man verfolgt, in dem Tempo, mit dem Instrument, tatsächlich das richtige ist."
    Wichtig sei daher, "gemeinsam gegen diese Polarisierung" Deutschlands anzuwirken. Die Ampel-Koalition als "ein Gefäß, wo jetzt drei Parteien drin sitzen, die eigentlich nicht vorhatten, in dieser Konstellation miteinander ursprünglich zu koalieren", hätte sich Lemke zufolge "nicht Fortschrittskoalition genannt, als wir den Vertrag unterschrieben haben, wenn damals diese Zuspitzung des Krieges in der Ukraine absehbar gewesen wäre". Aber:

    Es ist gut, dass es eine lagerübergreifende Koalition gibt, die im Prinzip dazu gezwungen ist, diese großen Gräben zu überbrücken, diese Widersprüche auszuhalten, auszudiskutieren und in Gesetze zu gießen.

    Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

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