Neuer Botschafter Lambsdorff: Ausgerechnet wieder Moskau
Neuer Botschafter Lambsdorff:Ausgerechnet wieder Moskau
von Andreas Kynast
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Der Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff wollte eigentlich Botschafter in Washington werden. Nun tritt er seinen Posten in Moskau an. Ausgerechnet. Die Geschichte einer Rückkehr.
Alexander Graf Lambsdorff (FDP).
Quelle: dpa
Am letzten Tag stellt Alexander Graf Lambsdorff einen Pappkarton auf den Schreibtisch und denkt laut darüber nach, was er in Moskau brauchen wird. "Die sind das Wichtigste", sagt Lambsdorff und wirft einen Haufen Krawatten in den Karton.
Obendrauf kommt ein Holzvogel mit Rädern, auf dem "Bonner Generalanzeiger" steht: "Meine Zeitungsente". Dann fliegt ein Buch in den Karton. "Ein altes Sprachbuch", erklärt Lambsdorff: "Mein Russisch war mal ganz okay, aber ich hab's nie richtig einsetzen können. Und deswegen ist es leider total eingerostet."
Vom streitbaren Abgeordneten zum verschwiegenen Diplomaten
Es ist der letzte Tag, an dem Alexander Graf Lambsdorff Parlamentarier ist. Nach sechs Jahren im Bundestag und 13 Jahren im EU-Parlament, muss sich der FDP-Politiker nicht nur von Präsenten, Plunder und Papierhaufen trennen, sondern auch von den Eigenschaften, die ihn bekannt gemacht haben.
So streitlustig, scharfzüngig und dauerpräsent in den Medien, wie es Lambsdorff bis zu diesem Tag war, soll ein Botschafter gerade nicht sein. Und in Moskau schon gar nicht.
Lambsdorffs Eltern waren schon auf Posten in Moskau
In Berlin ist es kein Geheimnis, dass Lambsdorff eigentlich auf den Botschafterposten in den USA gehofft hatte. Als ihm Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stattdessen den Job in Russland angeboten hat, habe er erstmal Bedenkzeit erbeten, sagt Lambsdorff. Moskau, ausgerechnet.
Lambsdorff weiß besser als viele andere, wie fordernd der Posten ist - nicht nur wegen der politischen Lage, die natürlich "enorm schwierig" sei. Auch die Lebensumstände kennt Lambsdorff, dessen Eltern in den 80er-Jahren an der Botschaft der Bundesrepublik in der Sowjetunion tätig waren.
Im Moskau der Sowjetunion wurden Diplomaten überwacht
Lambsdorffs Vater, Hagen Graf Lambsdorff, leitete die Kulturabteilung und wurde "Tag und Nacht abgehört", wie Lambsdorff berichtet. Schon damals, habe er gelernt, "man sollte beispielsweise einen Streit unter Partnern nicht zu laut führen, denn der wird natürlich mitgehört".
Den Ukraine-Krieg mit Diplomatie beenden? Das hält FDP-Politiker Lambsdorff im "Welt"-Interview für kaum möglich. Er wird demnächst als deutscher Botschafter in Moskau anfangen.
Ob ihm das leicht fällt? Er nehme sich vor, sagt der künftige Botschafter, der Überwachung nicht nur mit Vorsicht, sondern auch mit Gelassenheit zu begegnen.
Diplomatie als "das Rückgrat von allem"
Am Ende habe Lambsdorff der Außenministerin auch deshalb zugesagt, weil der Botschafterposten im größten Land der Welt auch "eine reizvolle Aufgabe" sei. Russland führe einen schrecklichen Krieg in der Ukraine und die Ansichten könnten nicht unterschiedlicher sein, aber "ich zähle auf die professionellen Kontakte zu den Vertretern der russischen Regierung".
Diplomatie sei das Rückgrat von allem. Als seine wichtigste Aufgabe bezeichnet es Lambsdorff, der Bundesregierung eine profunde Analyse der russischen Politik zur Verfügung zu stellen:
Sie bewegen sich im Geheimen und auf der Weltbühne: Diplomaten. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs stehen sie besonders im Fokus. Diese Rolle spielen die Gesandten in der Politik.
von Lukas Wagner
FAQ
Das Ende persönlicher Ansichten in der Öffentlichkeit
Neben dem Pappkarton, am letzten Tag, fragt Lambsdorff, ob man seine Abschiedsrede im Bundestag gesehen habe - und die Reaktion darauf. "Standing Ovations. Sehr bewegend."
Nicht nur Parlamentsreden und Talkshow-Auftritte gehören der Vergangenheit an. "Ich muss mich bei Twitter etwas mehr zurückhalten in Zukunft, das ist klar."
Im Prinzip sei der berufliche Wechsel kein Problem. Er sei ja Diplomat und habe bereits einmal zehn Jahre im Auswärtigen Dienst gearbeitet. Aber daran, dass er seine persönlichen Meinungen nicht mehr mit der Öffentlichkeit teilen dürfe, werde er sich erst gewöhnen müssen.
Andreas Kynast ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.