Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass der Bund zur Bekämpfung der
Corona-Krise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf. Die
Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei verfassungswidrig, verkündete das höchste Gericht Deutschlands am Mittwoch in Karlsruhe.
Es gehe um die Wirksamkeit der Schuldenbremse, sagte die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Doris König, bei der Verkündung. Die Unionsfraktion im Bundestag hat damit erfolgreich gegen das Umschichten geklagt. (Az. 2 BvF 1/22)
197 Abgeordnete klagten in Karlsruhe
Wegen der Notfallsituation während der Corona-Pandemie hatte der Bund den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. In solch außergewöhnlichen Situationen ist es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen.
Am Ende wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen gebraucht. Die
Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wollte das Geld daher für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds nutzen und schichtete es mit Zustimmung des Bundestages 2022 rückwirkend um.
197 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag klagten dagegen in Karlsruhe, weil aus ihrer Sicht auf diese Weise die Schuldenbremse umgangen wird.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Nachtragshaushalt reagiert.15.11.2023 | 7:32 min
Was darf die Regierung mit einer Kreditermächtigung machen?
Der Zweite Senat musste sich mit einer neuen Thematik befassen. Dabei ging es unter anderem darum, ob eine Kreditermächtigung auch wirtschaftliche Krisenfolgen abdecken darf und wann nachträgliche Haushaltsänderungen beschlossen werden müssen.
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg hatte bei der mündlichen Verhandlung im Juni gesagt, die Schuldenbremse brauche eine wirkliche Bremswirkung, damit nicht immer wieder Vorratskassen angelegt und Verwendungszwecke geändert würden. Der Bevollmächtigte der Union, Karsten Schneider, ergänzte, dass auch in Notlagen klar sein müsse, wo der Spielraum des Staates für Kreditermächtigungen ende.
Dagegen argumentierten Vertreter der Regierung, infolge der Pandemie habe die Volkswirtschaft geschwächelt, auch private Investitionen hätten angestoßen werden müssen. Mit der Umschichtung des Geldes habe ein Stück weit Verlässlichkeit für Investitionen geschaffen werden sollen. Parallel zur Verhandlung erklärte Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck (Grüne), eine Entscheidung gegen den Nachtragshaushalt würde Deutschland wirtschaftspolitisch hart treffen.
Eilentscheidung 2022 gab grünes Licht
In einer Eilentscheidung im November 2022 hatte das Gericht grünes Licht gegeben - auch mit Blick auf Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn würde das Ganze gestoppt, stellte es sich später aber als verfassungsgemäß heraus, wäre der Schaden etwa in Form von Strompreiserhöhungen womöglich groß, hieß es zur Begründung.
Im anderen Fall - wenn also erstmal alles wie geplant weiterläuft - würde der Bundeshaushalt mit maximal 60 Milliarden Euro belastet. Es sei davon auszugehen, dass diese Summe nicht bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgeschöpft werde, hatte das Gericht dazu mitgeteilt.
SPD: Koalition hält an Zeitplan fest
Die Koalition will voraussichtlich dennoch an ihrem Zeitplan für die Haushaltsaufstellung für das kommende Jahr festhalten. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sagte am Mittwoch in einer ersten Reaktion, sie gehe davon aus, dass der Haushaltsausschuss wie vorgesehen am Donnerstag den Etatentwurf fertigstelle und dass dieser dann am 1. Dezember vom Bundestag verabschiedet werde. Mit Blick auf das Urteil sagte sie, die Koalition sei "auf dieses Szenario vorbereitet" gewesen.
"Ich hätte mir ein anderes Urteil gewünscht", sagte die SPD-Parlamentarierin. Deutschland sei aber ein Rechtsstaat - "und wir werden die Politik danach ausrichten". Für die Klimaziele der Bundesregierung werde das Urteil "keine Konsequenzen" haben, sagte Mast. "Wir wollen klimaneutral werden und Zukunftsarbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland haben." Dieses Ziel sei "ambitioniert", räumte Mast ein.
Quelle: dpa, AFP