Kindergrundsicherung:"Eine Niederlage für die Grünen"
von Dominik Rzepka
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Die Grünen wollten erst zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung, dann sieben, nun sind es 2,4 Milliarden. Punkt für die FDP. Wieder mal. Die Koalition leuchtet rot-gelb.
Sozial-liberale Koalition: Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD)
Lisa Paus redet erst einmal von alleinerziehenden Eltern und kaputten Waschmaschinen. Die Familienministerin lobt den Kompromiss, den die Ampel bei der Kindergrundsicherung gefunden hat.
Und sagt dann, nach ziemlich langen sechs Minuten, einen Satz, den Politiker gerne sagen, wenn sie die Einigung, die sie gerade noch gelobt haben, eigentlich doch gar nicht so gut finden:
Übersetzt heißt das: Paus hätte sich mehr gewünscht. Aber das war mit Christian Lindner nicht zu machen. Der Finanzminister sitzt neben ihr. Er bemüht sich, nicht zu triumphieren. Er sagt, das Beste, um Armut zu überwinden, sei Arbeit.
Von der Kindergrundsicherung dürfe deshalb kein Anreiz ausgehen, sich nicht um Arbeit zu bemühen. Und dann zelebriert er seinen Sieg doch:
Die Vorhaben Kindergrundsicherung und Wachstumschancengesetz sorgten für viel Turbulenzen in der Ampel-Regierung, nun soll das Gesetz zur Kindergrundsicherung aber kommen, eine Einigung sei in Reichweite, heißt es. 24.08.2023 | 2:55 min
"Das ist eine Niederlage für die Grünen"
"Keine generellen Leistungserhöhungen." Übersetzt sagt Lindner: Die Familienministerin bekommt eben doch nicht mehr Geld für die Kindergrundsicherung. Gestartet war Paus mit der Forderung nach zwölf Milliarden Euro. Dann wurden es sieben, zwischenzeitlich etwa fünf. Zuletzt war die Rede von 3,5. Lindner war zu zwei Milliarden bereit, am Ende sind es etwa 2,4.
Laut Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele ist das eine Niederlage für Lisa Paus und die Grünen. Zwar müsse man sich die Details der Einigung noch angucken, aber:
Noch vergangene Woche wähnte Paus den Kanzler an ihrer Seite. Olaf Scholz und sie seien sich einig, dass es mehr Geld für die Kindergrundsicherung geben müsse, sagte Paus öffentlichkeitswirksam. Jetzt zeigt sich: Das stimmt gar nicht.
Der Grünen-Abgeordnete Bruno Hönel hatte noch kurz vor der Einigung in Sachen Kindergrundsicherung gesagt, dass es eigentlich etwa fünf Milliarden Euro mehr für Kinder bräuchte.25.08.2023 | 0:25 min
Die vielen Kröten der Grünen
- Planungsbeschleunigungsgesetz: Die Grünen wollen den Ausbau der Schiene fördern, die FDP will auch neue Autobahnen bauen - und setzt sich durch.
- E-Fuels: Die Grünen wollen wie auf europäischer Ebene beschlossen den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, die FDP nicht - und setzt sich durch.
- Klimaschutzgesetz: Die Grünen wollen an den Sektorenzielen festhalten, die FDP nicht - und setzt sich durch.
Sich nicht durchzusetzen, einzustecken – dieser Trend setze sich nun also fort, so Römmele: "Olaf Scholz hat erkannt, dass die FDP eben keine linke Partei ist und ihren strategischen Raum braucht. Scholz lässt die Grünen immer und immer wieder vor die Wand fahren."
Das Revival der sozial-liberalen Koalition
Dahinter steckt Strategie. In den vergangen Jahrzehnten galt die FDP als natürlicher Koalitionspartner der Union. Scholz bricht das Blockdenken auf und reaktiviert die sozial-liberale Tradition in der alten Bundesrepublik.
Ist die jetzige Ampel inzwischen vor allem eine neue sozial-liberale Koalition? Ja, zumindest inhaltlich und politisch gesehen, sagt Andrea Römmele. Zwar seien die Grünen in den Umfragen deutlich stärker als die FDP. Aber:
Die Beteiligten versuchen indes, den Streit runterzuspielen. Hubertus Heil (SPD) zum Beispiel. Der Arbeitsminister sagt, nach der Einigung bei der Kindergrundsicherung solle doch jetzt bitte niemand auszählen, wer gewonnen und wer verloren habe. Und Christian Lindner sagt, es werde nicht gelingen, Unterschiede zwischen ihm und Paus herauszuarbeiten.
Allein - wer soll das glauben?
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