In Israel hat kurz vor der Abstimmung über ein Kernelement der Justizreform die Debatte über das umstrittene Vorhaben im israelischen Parlament begonnen. "Wir wollen weiterhin in einem jüdischen und demokratischen Staat leben", sagte Oppositionsführer Jair Lapid zu Beginn und forderte, die Gesetzgebung zu stoppen.
Unterdessen demonstrierten erneut zahlreiche Menschen gegen das
Vorhaben der rechtsreligiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dieser ließ mitteilen, dass er trotz einer Herz-OP an der Abstimmung teilnehmen werde.
Abstimmung über besonders umstrittene Klausel
Die Debatte in der Knesset, dem israelischen Parlament, könnte bis zum Montagmorgen dauern. Noch am selben Tag ist dann die entscheidende Abstimmung in zweiter und dritter Lesung für die sogenannte Angemessenheitsklausel geplant.
Sollten die
Abgeordneten den Entwurf verabschieden, könnten sie dem Obersten Gericht damit die Möglichkeit entziehen, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen und so außer Kraft zu setzen. Die Klausel ist daher einer der umstrittensten Bestandteile der Justizreform.
Proteste gegen Justizreform Netanjahus
Kritiker fürchten eine willkürliche Besetzung hochrangiger Regierungsposten sowie eine Begünstigung von Korruption. Konkret verdächtigen sie Netanjahu, gegen den ein Korruptionsverfahren läuft, seine Verurteilung abwenden zu wollen.
Die Justizreform spaltet die israelische Bevölkerung, seit 29 Wochen protestieren Menschen gegen das Vorhaben. Am Samstag demonstrierten wieder Zehntausende Menschen in Tel Aviv, zahlreiche Teilnehmer trugen Shirts mit der Aufschrift "Demokratie".
Früherer Verteidigungsminister Gantz ruft zu Dialog auf
Auch für den Abend waren Protestaktionen in Tel Aviv und Jerusalem geplant, sowohl von Gegnern als auch von Befürwortern der Justizreform. Der Oppositionspolitiker und frühere Verteidigungsminister Benny Gantz rief am Sonntag zum Dialog auf. "Wir können eine Einigung erzielen", sagte er. Die Gesetzgebung zur Justizreform müsse jedoch gestoppt werden.
Israelische Reservisten drohen mit Dienstaussetzung
Für den Fall einer Verabschiedung der Justizreform drohten mehr als 1.100 Reservisten der israelischen Luftwaffe mit der Aussetzung ihres freiwilligen Dienstes.
Die Unterzeichner des offenen Briefes, zu denen unter anderem 235 Kampfjetpiloten gehören, forderten die Regierung auf, "einen breiten Konsens zu finden, das Vertrauen aller Teile des Volkes in das Justizsystem zu stärken und dessen Unabhängigkeit zu wahren".
Netanjahu will Gesetzgebung "im Einvernehmen" umsetzen
Regierungschef Netanjahu
unterzog sich am Wochenende einer Operation zum Einsetzen eines Herzschrittmachers. Der Gesundheitszustand des 73-Jährigen sei "gut", erklärte das Scheba-Krankenhaus in Tel Haschomer nahe Tel Aviv am Sonntag. Netanjahu selbst sagte in einem von seinem Büro veröffentlichten Video, es gehe ihm "großartig".
"Wir setzen unsere Bemühungen fort, die Gesetzgebung zu vollenden und die Bemühungen, dies im Einvernehmen (mit der Opposition) zu tun", sagte Netanjahu. Er werde am Montag "zu seinen Freunden" ins Parlament kommen.
Die geplante Justizreform in Israel sorgt seit Wochen für massive Proteste - nun hat sie eine erste Hürde im Parlament genommen. Als Reaktion soll es einen "Tag der Störung" geben.
Quelle: AFP