Inflations-Debatte bei illner: Linnemann fordert Agenda 2030
Inflations-Debatte bei "illner":Linnemann ruft zur Agenda 2030 auf
von Torben Schröder
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SPD-Generalsekretär Kühnert möchte mit Lohnerhöhungen und Arbeitnehmerrechten gegen die Inflation angehen, CDU-Vize Linnemann per Steuerreform und einer Neuauflage der Agenda 2010.
Den Kontext der Debatte gibt zunächst die Journalistin Julia Friedrichs: "Das Problem ist, dass die Inflation vor allem eine unsoziale Inflation ist." Lebensmittel und Energie würden vorrangig teurer, was ärmere Menschen besonders belaste. Um die unteren 40 Prozent der Bevölkerung, nach Einkommen, müsse es jetzt gehen. Ihre Kritik: Das dramatische Ausmaß der Krise sei lange nicht wahrgenommen worden, weil jene, die öffentlich urteilen und politisch entscheiden, und jene, die es vor allem betrifft, in völlig unterschiedlichen Lebenswelten zu Hause sind.
Ist die Politik zu wenig transparent?
In einem anderen Kontext lebt Claudia Jeschkowski, Personalberaterin, Mann und zwei Kinder. Ein typisches Fallbeispiel für die mittleren Einkommen oberhalb jener Bevölkerungsgruppe, von der Friedrichs spricht. Jeschkowski berichtet, wie ihre Familie bei privaten Investitionen, Freizeit und Urlaub spart - sowie bei der Altersvorsorge.
Ihr Wunsch: den Staat in Bewegung bringen, Wachstum ermöglichen. Ihre Kritik: "Ich denke, bei vielen politischen Entscheidungen ist zu wenig Transparenz." Jeschkowski spricht beispielhaft vom Heizungsgesetz.
Zahlen, Daten, Fakten zum Thema der "maybrit illner"-Sendung am 21. November 2024
Kühnert verteidigt Subventionen
"Da werden wir keinen Preis mehr gewinnen für diese Debatte", sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Sein Fokus liegt auf Lohnerhöhungen und Arbeitnehmerrechten. Dass der Mindestlohn durch seine Koppelung an die allgemeine Lohnentwicklung schon ganz automatisch steigt, begrüßt Kühnert.
Auch die Lohnrunden müssten einen "gerechten Anteil für die Beschäftigten" erbringen. Und: "Wir werden dieses Jahr ein Tariftreuegesetz durchsetzen." Auch eine umstrittene 10-Milliarden-Subvention verteidigt Kühnert: "Intel ist Teil einer leitindustriepolitischen Entscheidung von uns." Es gehe um den Wohlstand von morgen in einer modernen Technologiewelt.
Linnemann: Inflation wird wohl bleiben
CDU-Parteivize Carsten Linnemann erinnert an die Agenda 2010 - und bietet eine neuerliche "konstruktive" Zusammenarbeit zwischen Regierung und Unions-Opposition an: "Wir brauchen jetzt wieder etwas wie eine Agenda 2030." Also ein Bild, wo das Land hin will.
Die Inflation werde wohl bleiben, Linnemann rechnet mit zwei bis fünf Prozent für die nächsten Jahre. Die Lage bei Fachkräftemangel oder Infrastruktur lasse nicht mehr zu, weiter so "planlos und ziellos" zu agieren. Auch eine von der Ampel-Koalition praktizierte "Gießkannen-Politik" geißelt Linnemann, der eine Einkommensteuerreform fordert - und vorschlägt, Überstunden über einen 40-Stunden-Deckel hinaus steuerfrei zu stellen.
Ökonom: Land 20 Jahre auf Verschleiß gefahren
"Jede Inflation ist unsozial, sie trifft immer die unteren Einkommensschichten am härtesten", sagt der Makroökonom Daniel Stelter. Das Grundsatzproblem:
Der vorige Aufschwung sei nicht durch Produktivitätszuwächse getragen gewesen. Das Land sei 20 Jahre auf Verschleiß gefahren worden. Nun stehe eine massive Zunahme der Verteilungskonflikte an.
"Wir können uns nicht in den Wohlstand subventionieren", sagt Stelter. "Wir müssen die Produktivität hoch bekommen und ins Land investieren." Der Ökonom betont: "Nur das Gehalt zu erhöhen, löst perspektivisch das Problem nicht."
„Made in Germany“ ist heute Thema beim Tag der Industrie in Berlin. Wer Aluminium, Stahl, Zement, Glas herstellt, verbraucht viel Strom. Wie können große Unternehmen trotz hoher Strompreise weiter hierzulande produzieren?19.06.2023 | 1:49 min
Tooze: Müssen in Energiewandel investieren
"Die Vorstellung eines Abstieges entspricht den Tatsachen nicht", sagt der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze. Die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise seien ein konjunktureller Effekt einer globalen Krise.
Mit gravierenden Wirkungen: "Wir haben selten einen so ungleichen Verteilungskonflikt gesehen wie in den letzten zwölf Monaten." Tooze plädiert dafür, in den Energiewandel zu investieren - und die soziale Frage mit "Geld und Machtverschiebung" anzugehen.