Prinzenrolle rückwärts: Hohenzollern lassen Klagen fallen

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    Hohenzollern lenken ein:Reden statt Klagen: Prinzenrolle rückwärts

    Anne Reidt
    von Anne Reidt
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    Seit Jahren haben die Hohenzollern vor Gericht um Entschädigung und Kunstwerke gekämpft. Nun lenkt das Oberhaupt ein. Eine Überraschung mit Ansage, findet Kommentatorin Anne Reidt.

    Kommentar: Anne Reidt zu Hohenzollern
    Prinzenrolle rückwärts: Die Hohenzollern ziehen ihre Klage gegen den Staat zurück - überraschend aber nicht unerwartet, findet Kommentatorin Anne Reidt.
    Quelle: ZDF/dpa

    Überraschung mit Ansage. Fast zehn Jahre dauerte der Streit um Entschädigungen für die Hohenzollern, angestrengt in geheimen Kungel-Runden und vor Gericht. Vom Bund und den Ländern Brandenburg und Berlin forderte Georg Friedrich Prinz von Preußen dabei Entschädigung in Millionenhöhe für die Enteignung des Preußenerbes auf Gebieten der späteren DDR.

    Prinz klagte sich durch alle Instanzen

    Auch die Rückgabe von Immobilien und Kunstwerken standen auf der prinzlichen Wunschliste. Die Kommentare waren beißend, als seine Forderungen 2019 bekannt wurden: "Kaiser-Clan lässt das Volk noch einmal bluten“, titelte der Berliner Kurier. Und ein Brandenburger Bürger empörte sich vor unserer Kamera mit den Worten "Die Geschichte ist gegessen. Da kann der Prinz von Soundso krabbeln, wie er will.“
    Doch der Prinz krabbelte emsig und klagte durch alle Instanzen, scheute auch nicht davor zurück, Journalisten und Historiker*innen mit Klagen zu überziehen, wenn sie sein Begehr mit missliebigen Recherchen oder Gutachten zu durchkreuzen suchten.
    Zentral für die Rechtmäßigkeit seiner Forderungen ist ja das sogenannte "Ausgleichsleistungsgesetz“, wonach der Anspruch auf Ausgleich dann verwirkt ist, wenn ein Familienmitglied den Nationalsozialisten "Vorschub geleistet“ hat. Zu diesem Schluss kam eine Mehrheit von historischen Expertisen über den Sohn des letzten deutschen Kaisers.

    Kronprinz Wilhelm war glühender Verehrer Hitlers

    Denn Kronprinz Wilhelm, Urgroßvater des aktuellen Haus-Chefs der Hohenzollern, war nachweislich glühender Verehrer Adolf Hitlers und wollte mit dessen Hilfe der preußischen Monarchie zum Comeback verhelfen. Im Interview mit dem ZDF wiegelte Prinz Georg 2021 vor unserer Kamera ab, berichtete von einem "Generationenabriss“ zwischen seinem Vater und dem braunen Kronprinzen. In der Familie sei über Kronprinz Wilhelm nicht allzu viel gesprochen worden.
    Kronprinz Wilhelm und Hitler
    Hat Kronprinz Wilhelm, der älteste Sohn des letzten deutschen Kaisers, Hitler an die Macht verholfen? An dieser Frage hängen heute milllionenschwere Ansprüche. 27.03.2022 | 16:34 min
    Jetzt die Prinzenrolle rückwärts. Prinz Georg zieht seine Ansprüche in großen Teilen zurück, will ganz offenbar wieder in Gespräche eintreten, bevor Gerichte ihr Urteil sprechen. Der "Welt“ erklärte er nun, Kronprinz Wilhelm habe "ganz klar die Nähe zum NS-Regime gesucht“ und könne als Person, die sich dem Rechtsextremismus angebiedert habe, "nicht für unser Haus traditionsstiftend sein.“ Es sei auch ein Fehler, in der Vergangenheit juristisch gegen Historiker und Journalisten vorgegangen zu sein. Beide Einsichten sind richtig und wertvoll. Die Verständigung über ein so zentrales Kapitel deutscher Geschichte kann nun wieder stattfinden, wo sie hingehört: in der Mitte der demokratischen Gesellschaft, gestützt von historischer Expertise und journalistischen Recherchen.
    Offener Diskurs über das Erbe der Hohenzollern statt selbstherrlicher Abwehrschlacht. Ein wenig hat der Prinz gebraucht für die Erkenntnis. So schnell schießen die Preußen nicht.
    Anne Reidt ist Leiterin der Hauptredaktion Kultur im ZDF.