Habeck in Indien: Warum das Land nicht das nächste China ist

    FAQ

    Habeck will Kooperation ausbauen:Warum Indien nicht das nächste China ist

    |

    Berlin will von China unabhängiger werden und blickt nach Indien. Wirtschaftsminister Habeck will die Kooperation ausbauen. Experten warnen vor zu hohen Erwartungen an das Land.

    Ein Mann geht am Strand
    Wirtschaftsminister Robert Habeck wird bei seinem Besuch in Indien auch in Mumbai Gespräche führen.(Archivfoto)
    Quelle: Reuters

    Erstmals seit mehr als zehn Jahren ist mit Robert Habeck (Grüne) ein Bundeswirtschaftsminister zu Besuch in Indien. Dahinter steht: Indien soll Deutschland (wie der EU insgesamt) dabei helfen, sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen.
    Das Land gehöre ökonomisch zu "einem der spannendsten Länder" und habe das Potenzial, eines der wachstumsstärksten zu werden, sagte Habeck vor seiner Abreise zu ntv.de. Die EU und Deutschland müssten sich gegen China und die USA behaupten - und dazu seien Partner nötig.
    Doch inwieweit Indien in naher Zukunft China als Handelspartner ablösen kann, bezweifeln einige Wirtschaftsexperten. Welche Bedeutung das Land hat und welche Probleme es gibt - ein Überblick:

    Wie wichtig ist Indien aktuell für die deutsche Wirtschaft?

    Indien hat China als bevölkerungsreichstes Land abgelöst. Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern ist es auch die größte Demokratie der Welt und hat wachsenden Einfluss. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien lag im vergangenen Jahr bei rund 30 Milliarden Euro und belegt Platz 24 auf der Liste der wichtigsten deutschen Handelspartner. Etwa 2.000 deutsche Firmen sind in Indien präsent.
    Zum Vergleich: Größter Handelspartner war China, mit einem Handelsvolumen von rund 299 Milliarden Euro. Die neue China-Strategie der Bundesregierung sieht vor, Abhängigkeiten von Peking etwa bei Rohstoffen zu verringern. Hier kommt auch Indien ins Spiel. Auf einer Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur im vergangenen November machte die Formel "China plus X" die Runde - oder: "China plus 1".

    Wie geht es der indischen Wirtschaft?

    Indiens Wirtschaft wächst dieses Jahr laut Prognosen um 5,9 Prozent - mehr als andere große Volkswirtschaften. Experten etwa von Goldman Sachs gehen davon aus, dass das Land bis 2075 die zweitgrößte Volkswirtschaft sein wird - nach China und vor den USA. Mehr als ein Viertel der indischen Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt.
    Das Land hofft, von Lieferketten-Verlagerungen profitieren zu können. Um Neuansiedlungen zu unterstützen, gewährt die Regierung großzügige Subventionen. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. So stieg die Produktion von Elektronikartikeln deutlich.

    Was exportiert Indien nach Deutschland?

    Textilien, Tee und Gewürze sind laut Anne Krieckhaus von der Deutsch-Indischen Handelskammer Exportklassiker aus Indien. Aus dem Land stammten auch verschiedene Teile, die in deutschen Autos verbaut würden.
    Außerdem kommen aus dem Land, das als "Apotheke der Welt" bekannt ist, ein Großteil der Masern-Mumps-Röteln-Impfungen sowie Arzneimittel oder Bestandteile davon. Deutsche Unternehmen beziehen zudem IT-Dienstleistungen aus Indien. Ebenso liefert das Land Maschinen und Elektronik.

    Warum ist Indien für deutsche Firmen attraktiv?

    Die Produktion deutscher Unternehmen in Indien werde in den nächsten Jahren sowohl für den lokalen Markt wie für den Export in andere Länder und Regionen an Bedeutung gewinnen, sagt Kirsten Schoder-Steinmüller von der Industrie- und Handelskammer (DIHK).

    Indien bietet für deutsche Unternehmen eine einzigartige Kombination aus Marktgröße, Marktpotenzial und Talentpool.

    Kirsten Schoder-Steinmüller, DIHK-Vizepräsidentin

    Deutsche Unternehmen seien in Indien vor allem in der Automobil-, Maschinenbau- und Chemiebranche aktiv. Aber auch erneuerbare Energien und "grüner" Wasserstoff sowie Logistik und Infrastruktur würden zu immer attraktiveren Geschäftsfeldern. Laut Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) wird Indien immer wichtiger für Unternehmen, um sich bei Lieferketten breiter aufzustellen.
    Firmen, die in Indien aktiv sind, nennen als wichtigste Standortfaktoren: politische Stabilität, Verfügbarkeit exzellenter Fachkräfte und relativ niedrige Lohnkosten. Deutschland sei der siebtgrößte ausländische Direktinvestor in Indien.

    Warum sehen einige Experten Indien nicht als China-Alternative?

    Aber neben dem Potenzial Indiens sehen die Wirtschaftsverbände auch große Herausforderungen für deutsche Firmen in Indien - dazu zählen Korruption, überbordende Bürokratie und Mängel in der Infrastruktur. Hinzu kommen politische Themen wie wachsender Nationalismus und das schwache Bekenntnis zu internationalen Normen. Mehrere Ökonomen warnen vor allzu großen Erwartungen an das Land. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagt dem "Handelsblatt":

    Natürlich hat Indien großes Potenzial. Aber zu erwarten, dass Indien innerhalb weniger Jahre China als Wirtschaftspartner Europas ersetzen könnte, wäre überzogen.

    Volker Treier, DIHK

    Auch der Ökonom Ashoka Mody von der US-Universität Princeton geht nicht davon aus, dass Indien in naher Zukunft eine Alternative zu China werden könnte. "Indien kann mit Chinas Produktivität nicht mithalten", sagt er dem "Handelsblatt". Die Lücke sei riesig und werde immer größer. Mody verweist auch auf die hohen Zölle - das Land lasse sich deshalb nur schwer in Lieferketten integrieren.
    Dass die Zusammenarbeit ausländischer Unternehmen mit indischen Partnern schwierig sein kann, zeigt die kürzlich gescheiterte Ansiedlung einer Foxconn-Halbleiterfabrik. Berichten zufolge platzte das 19,5-Milliarden-Dollar-Projekt unter anderem, weil die erhofften Finanzhilfen nicht rechtzeitig flossen.
    Ein Vertreter der Autoindustrie sagte der Zeitung:

    Die Hoffnung auf ein nächstes China in Indien sind reichlich überzogen.

    Vertreter der Autobranche

    Das Land sei eine Ergänzung zu China, kein Ersatz. Indien bleibe ein "uneingelöstes Versprechen" für die Branche. 

    Mehr zu Indien