Gaspreisbremse: Das Ende der Schuldenbremse, was denn sonst?
Kommentar
200 Milliarden gegen Gaskrise:Das Ende der Schuldenbremse, was denn sonst?
von Dominik Rzepka
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Die Gaspreisbremse soll bis zu 200 Milliarden Euro kosten, bezahlt auf Pump. Trotzdem hält Finanzminister Lindner an der Schuldenbremse fest - dabei ist die seit heute Makulatur.
Jetzt also ist Deutschland im "Energiekrieg". Und es geht um "Wohlstand und Freiheit", sagt Christian Lindner. Der Finanzminister muss schon die ganz wuchtigen Worte rausholen, damit auch jeder und jede die Dimension versteht. Es geht hier und heute ums Ganze.
Und weil es ums Ganze geht, hat er am Ende zugestimmt. Dem FDP-Chef, dem in der Ampel fast nur noch die Schuldenbremse als letzter Markenkern seiner Partei geblieben ist, macht den Weg frei für ein 200 Milliarden Euro schweres Paket, das die Energiepreise abfedern soll. Also eine Gaspreisbremse, die mit Krediten finanziert werden soll.
Lindner ein Verlierer des Tages
Das sei natürlich kein Abrücken von der Schuldenbremse, sagt Lindner. Schließlich sollten die Gaspreise im kommenden Jahr mit Hilfe eines Fonds gedeckelt werden. Und dieser Fonds sei eben nicht Teil des eigentlichen Haushalts. Im Klartext: Schulden macht ein Nebenhaushalt, nicht der Kernhaushalt.
Wer soll das geplante Entlastungspaket der Bundesregierung in Höhe von 200 Milliarden Euro bezahlen? ZDF-Korrespondent Theo Koll berichtet aus Berlin. 29.09.2022 | 1:08 min
Das ist natürlich Wortklauberei. Und spätestens am Tag nach der Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober dürfte damit auch Schluss sein. Dann werden sie auch in der FDP eingestehen müssen, dass Kredite Schulden sind. Egal, wo man sie verbucht. Spätestens mit dem heutigen Tag ist klar: Die Schuldenbremse ist eine Fassade, hinter der kein Gebäude mehr steht.
Insofern ist Christian Lindner ein Verlierer des heutigen Tags. Wie viele liberale Positionen wird er noch in der Koalition mit SPD und Grünen aufgeben müssen? Die Kritik an seinem Kurs dürfte parteiintern größer werden.
Inflationszahlen steigen, eine Rezession und Wohlstandsverlust werden vorausgesagt. Die Pressekonferenz mit dem Bundeskanzler, Wirtschafts- und Finanzminister bei ZDFheute live. 29.09.2022 | 60:26 min
Die Pressekonferenz zum Energiepaket in voller Länge bei ZDFheute live:
Gasumlage-Aus bleibt an Habeck kleben
Doch auch Robert Habeck kassiert hier heute eine Niederlage. Vergangene Woche noch brüllt er in Sachen Gasumlage die Union im Bundestag an, nennt sie die "Muss Weg"-Opposition. Nun räumen er und der Kanzler die Gasumlage ab:
Sie war zwar eine gemeinsame Entscheidung der Ampel. Doch die Gasumlage wird wegen ihrer handwerklichen Fehler am Superstar der Grünen kleben bleiben. Bei SPD und FDP wird man darüber gar nicht mal so traurig sein.
Führt Scholz eigentlich diese Koalition?
Und noch etwas zeigt dieser Tag: Die Leerstelle an der Spitze dieser Koalition. Auf offener Bühne streiten Robert Habeck und Christian Lindner um die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke. Ohne danach gefragt zu werden fordert Lindner - anders als Habeck - einen Weiterbetrieb der deutschen Meiler bis 2024. Eine Botschaft, die Lindner vor allem an die Wähler in Niedersachsen sendet.
Olaf Scholz vermag es nicht, diesen offenen Streit zu klären, sich eindeutig zu positionieren. Scholz stellt lieber 200 Milliarden Euro ins Schaufenster und spricht von einem "Doppelwumms". Das ist eher Werbesprech als konkrete Politik. Denn bei Umsetzung und Finanzierung bleiben noch viele Fragen offen.
Die Vorsitzende der Gas-Kommission, Prof. Grimm, sagt zu der Verteilung der heute beschlossenen 200 Milliarden-Entlastung, die konkreten Vorschläge würden demnächst vorgelegt.30.09.2022 | 4:53 min