Außenministertreffen in Japan:Die G7 wackeln
von Andreas Kynast
|
Bei ihrem Treffen in Tokio versuchen die sieben Westmächte wiederzufinden, was sie so stark gemacht hat wie kaum ein anderes Bündnis: ihre Einigkeit.
Zur G7-Gruppe gehören Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, das Vereinigte Königreich und die USA sowie die EU als Beobachter.
Quelle: Reuters (Archiv)
Es gibt nicht mehr viele Lichter der Hoffnung in diesen immer düsterer werdenden Zeiten, in denen gekämpft, gelogen und geschlachtet wird wie seit einem Jahrhundert nicht mehr. Und in denen sich keine von der Menschheit geschaffene Organisation als fähig erweist, auch nur das geringste daran zu ändern.
Schlimm genug, dass niemand mehr von der UNO, der EU oder der OSZE die Kraft erwartet, die archaischen Kriege zu beenden. Noch schlimmer, dass sie alle bereits daran scheitern, eine gemeinsame Sprache zu finden.
G7 - schon häufiger totgesagt
Das einzige Flämmchen, das durch die Krisen und Kriege der vergangenen zwei Jahre hindurch Licht gab, wurde gespeist von einem Bündnis, das schon häufiger totgesagt wurde als eine nasse Streichholzschachtel: die G7. Die Gruppe der wirtschaftsstarken, westlichen Industrienationen hat seit Russlands Angriff auf die Ukraine nicht nur zusammengehalten, sondern immer wieder zusammengefunden.
Egal, wie viele Regierungs- und Ministerwechsel es in den Mitgliedsstaaten auch gab: Die G7 wackelten und flackerten nicht. Sie verurteilten den Angreifer, verteidigten die Angegriffenen, sie waren das beständigste und berechenbarste Bündnis der Welt.
G7 in UN-Generalversammlung gespalten
Das ist vorbei und das ist schlimm. In der inzwischen berühmten Abstimmung zur Lage im Nahen Osten in der UN-Generalversammlung haben sich die G7 so gespalten gezeigt wie der Rest der Welt.
Den Text, der den Angriff der Hamas nicht verurteilt und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht erwähnt, fanden die USA so einseitig, dass sie mit Nein stimmten. Frankreich votierte mit Ja. Deutschland, Italien, Großbritannien, Kanada und Japan enthielten sich.
Baerbock lobt offene, vertraute Atmosphäre
Wenn Annalena Baerbock über G7-Treffen redet, kommt die Außenministerin regelmäßig ins Schwärmen. In keinem anderen Format sei es möglich, derart offen und ungeschützt miteinander zu reden, auch mal zu spinnen und Was-Wäre-Wenn-Szenarien durchzuspielen. Das Vertrauen unter den westlichen Außenministern sei groß, die Stimmung vertraut.
Kein Vergleich zu den aufgeladenen, konfrontativen G20-Treffen, bei denen etwa der Russe Lawrow seinen Sprechzettel vorliest und dann den Raum verlässt, bevor einer der westlichen Kollegen antworten kann.
Diesmal aber, vor dem Treffen in Tokio, klingt Baerbock fast mahnend:
Auch "andere Akteure in anderen Weltregionen" würden die falschen Schlüsse ziehen, wenn die G7 die Unterstützung für die Ukraine nicht entschlossen und umfassend fortsetzen.
Größter Geber für die Palästinenser-Hilfe
Wen aber unterstützen die G7 im Nahen Osten? Baerbock weist darauf hin, dass die sieben Staaten den "abscheulichen Hamas-Terror" verurteilen und das Recht Israels unterstreichen, "sich im Rahmen des Völkerrechts" zu verteidigen.
Einen Satz später fügt sie hinzu: "Wir schauen zutiefst besorgt auf die katastrophale Notlage der Männer, Frauen und Kinder im Gazastreifen." Das klingt wie Deutschlands Position in der umstritten UNO-Abstimmung. Das klingt wie Enthaltung.
Im ZDF hat Außenministerin Baerbock die deutsche Enthaltung zur UN-Resolution zu Israel verteidigt. Es sei gelungen, andere Vor-Versionen zu verändern.01.11.2023 | 21:32 min
Die G7 mögen schon lange nicht mehr die wirtschaftliche Großmacht sein, die sie zur Zeit ihrer Gründung waren, politisch sind sie nach wie vor ein Schwergewicht. Die Staaten der Gruppe stellen rund Zweidrittel der Finanzierung des Palästinenser-Hilfswerks und sind damit die entscheidenden Geber für humanitäre Hilfe. Gleichzeitig gelten die USA und Deutschland als die zuverlässigsten Freunde Israels, auch wenn die Regierung Netanjahu die deutsche Enthaltung scharf kritisiert.
Die G7 sind alles andere als perfekt. Ihre Legitimation ist zweifelhaft, ihre Worte oft schöner als ihr Handeln. Eigentlich ist es schlimm, dass die Welt ein Bündnis wie die G7 braucht. Aber die Zeiten sind dunkel und jedes Licht ist von Wert. Reißt Euch zusammen und leuchtet.
Mehr zur G7-Gruppe
Gipfel in Südafrika:Brics-Staaten: Neue Macht gegen den Westen?
Verena Garrett, Johannesburg