Zwischenbilanz nach einem Monat:So lief der Start des Deutschlandtickets
von Laura Marie Mertes und Torben Heine
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Seit Anfang Mai gilt das Deutschlandticket für den ÖPNV. Zehn Millionen Mal wurde es verkauft, zeigt eine erste Bilanz - doch an vielen Stellen klemmt es noch.
Zum Preis von 49 Euro im Monat bundesweit im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein. Seit einem Monat geht das mit dem Deutschlandticket. Millionen Menschen haben sich bereits ein Ticket gekauft. Aber nicht alles lief reibungslos. Das Ticket steckt noch in der Entwicklung und auch Forderungen zur Verbesserung des Angebots gibt es viele. Fragen und Antworten:
Verkaufsbilanz, Neuabos, Abowechsel - die wichtigsten Zahlen im Überblick:
10 Millionen Menschen haben im Mai nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) das Deutschlandticket gekauft.
5 Millionen davon haben aus bereits bestehenden Abos zum Deutschlandticket gewechselt.
4,3 Millionen Menschen sind Neuabonnentinnen und Neuabonnenten und haben den ÖPNV bislang etwa über Einzelfahrkarten oder Monatskarten ohne Abo genutzt.
700.000 verkaufte Tickets gehen auf Neukundinnen und Neukunden zurück, die den ÖPNV bisher in der Regel nicht genutzt haben.
Wie hoch der Anteil vom Arbeitgeber bereitgestellter Jobtickets an den bislang verkauften Deutschlandtickets war, konnte der VDV auf Rückfrage zunächst nicht beantworten.
In Österreich gibt es ein Klima-Ticket schon lange. Wie viel kann das 49-Euro-Ticket in Deutschland zur Verkehrswende beitragen?02.05.2023 | 6:09 min
Wie hat sich die Nachfrage auf die Auslastung im ÖPNV ausgewirkt?
Brechend volle Abteile, stehengelassene Fahrgäste am Bahnsteig, Chaos trotz zusätzlicher Züge wie aus Zeiten des 9-Euro-Tickets aus dem vergangenen Jahr? Das scheint erst einmal auszubleiben. Wie der VDV mitteilte, habe die Nachfrage am Deutschlandticket im Mai zwar eine höhere Auslastung im ÖPNV gebracht. Zu Überlastungen habe das aber nicht geführt.
VDV-Präsident Ingo Wortmann geht davon aus, dass die Verkaufszahlen etwa aufgrund von Tarifwechseln weiter steigen werden. Die bislang sieben Prozent Neukunden nennt er zudem ein "erstes gutes Ergebnis". Hier sei wohl noch mehr zu erwarten.
Aber: Die Zahl der verkauften Tickets alleine sagt noch nichts über deren Nutzung aus. Wie sich die Fahrgastzahlen etwa in den kommenden Sommer- und Ferienmonaten entwickeln, bleibt abzuwarten. Voller kann es dann aber ohnehin werden, unabhängig vom 49-Euro-Ticket.
Eine Konzernsprecherin der Deutschen Bahn sagte gegenüber ZDFheute: "Gerade an den langen, reisestarken Feiertagswochenenden im Mai haben wir zu den klassischen Ausflugszielen ans Meer und in die Berge volle Züge gesehen." Das sei auch in den vergangenen Jahren der Fall gewesen. "Einen Ansturm wie beim 9-Euro Ticket haben wir aber bislang nicht beobachten können", heißt es.
Welche Startschwierigkeiten gab es - und wo hakt es immer noch?
Schon bei den Bestellungen und Lieferungen des 49-Euro-Tickets kam es in der Vergangenheit zu Verzögerungen und Problemen. Zudem gibt es laut VDV "in einigen Regionen" Probleme bei der Kontrolle des Tickets. Der Grund: "Die digitale und technische Umsetzung des Deutschlandtickets" sei "noch nicht überall vollumfänglich abgeschlossen", heißt es in einem Statement. Auch beim Auslesen gebe es noch technische Schwierigkeiten, der "Spiegel" hatte darüber bereits am Sonntag berichtet. Probleme bereiten demnach die unterschiedlichen technischen Systeme bei den Verkehrsverbünden.
Der Verband rechnet jedoch damit, dass "die Umstellung der Prozesse, die aktuell noch für Probleme sorgen, bis Ende Juli weitestgehend abgeschlossen sein wird". Mit Bund und Ländern vereinbart sei eine Einführungs- und Übergangsfrist bis 31. Dezember.
Für die ersten drei Monate des Deutschlandtickets gelte gegenüber den Fahrgästen entsprechende Kulanz, sollte es bei der Prüfung und Kontrolle der Tickets zu Problemen kommen.
Welche Forderungen gibt es für die Zukunft des Deutschlandtickets und den ÖPNV?
VDV-Präsident Ingo Wortmann fordert einen insgesamt zügigen Ausbau des Angebots im Öffentlichen Personennahverkehr.
Die Ampel-Fraktionen im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags forderten Bund und Länder in der vergangenen Woche auf, das 49-Euro-Ticket ab 2024 weiterzuentwickeln. Das Ticket solle etwa familienfreundlicher und sozialer werden - "unter anderem mit dem Ziel einer noch familienfreundlicheren Regelung für die Mitnahme von Kindern und Jugendlichen" sowie günstigen Angeboten für Studierende, wie es im Antrag heißt.
Die Industrie- und Handelskammer schlug zuletzt ein vergünstigtes Deutschlandticket auch für Auszubildende vor. Das Land Bayern hatte bereits angekündigt, Azubis entgegenkommen zu wollen. Sie sollen das Deutschlandticket ab September für 29 Euro kaufen können.
Bisher gibt es Ermäßigungen des bundesweit gültigen Tickets nur für Studierende. Die "Upgrade-Lösung", bei der Studierende ausgehend vom Betrag ihres Semestertickets nur die Differenz bis zum Preis von 49 Euro für das Deutschlandticket bezahlen müssen, soll künftig ersetzt werden. Die Beratungen über eine dauerhafte Studierenden-Version des Deutschlandtickets laufen noch.
Fazit: Guter Start, aber da geht noch was
Grundsätzlich sei es erfreulich, dass das 49-Euro-Ticket gut angelaufen ist, heißt es derweil aus der Union. Die Zahl derer, die von anderen Verkehrsmitteln auf den ÖPNV gewechselt sind, ist für Unions-Verkehrsexperte Ulrich Lange jedoch ernüchternd.
Der "entscheidende Konstruktionsfehler" des Tickets sei gewesen, vor der Einführung nicht den Bestand des Nahverkehrs zu sichern und den Ausbau voranzutreiben. Das gelte vor allem im ländlichen Raum. Außerdem sei die Finanzierung bislang nur für 2023 gesichert und die mittelfristig rein digitale Verfügbarkeit des Deutschlandtickets schließe etwa Grundschüler und Senioren von der Nutzung aus. Für einen "zukunftsfähigen Schienenverkehr" müsse Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nachlegen.
Die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, nennt das Deutschlandticket eine "verpasste Chance (...), ein neues Fundament für den Personenverkehr und seine Finanzierung zu schaffen":
Das Abo-System schrecke zusätzlich ab. Der Bedarf nach einem bundesweit nutzbaren Ticket sei da, so Wissler, die gegenwärtigen Bedingungen seien aber die falschen. Von Seiten der FDP hieß es auf Anfrage, das 49-Euro-Tickets bestätige, "dass es sich lohnt, an attraktiven, zukunftsgerichteten Mobilitätskonzepten zu arbeiten, die sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren".
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