Bundesinnenministerin
Nancy Faeser hat in Tunesien Möglichkeiten für eine künftige Vereinbarung zu Migrationsfragen ausgelotet. Mit Blick auf die gefährlichen Überfahrten mit Schlepperbooten sagte die
SPD-Politikerin in der Hauptstadt Tunis, ihr gehe es auch darum, "das furchtbare Sterben im Mittelmeer zu beenden".
Zuvor hatte Faeser Gespräche mit Innenressortchef Kamel Fekih und Präsident Kais Saied geführt. Dabei sei es gelungen, "Arbeitsstrukturen" zu etablieren, sagte Faeser. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen kamen auch Menschenrechtsfragen zur Sprache.
Aus Tunesien kommen immer mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa. Die Küstenwache ist permanent im Einsatz.19.06.2023 | 2:09 min
Grüne mit Kritik an Reformplänen des Europäischen Asylsystems
Aus den Reihen der
Grünen war vergangene Woche
Kritik an der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gekommen. Ein Argument, das dabei mehrfach fiel: Tunesien dürfe nicht als sogenannter sicherer Drittstaat angesehen werden, also ein Staat, in dem die Rechte von
Flüchtlingen gewahrt sind. Hintergrund des Besuchs von Faeser ist ein sprunghafter Anstieg der Zahl der Migranten in der ersten Jahreshälfte, die in selbstgebauten Booten von Tunesien nach Europa aufbrechen.
Ein Grund dafür waren nach Einschätzung der Bundespolizei Äußerungen von Präsident Saied, die im Februar zu einer Welle von Gewalt und Schikanen gegen Ausländer aus afrikanischen Staaten südlich der Sahara geführt hatten. Aber auch die Wirtschaftskrise in Tunesien trieb viele Menschen in die Boote. Die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus Tunesien lag zuletzt unter zwei Prozent.
Beamte der Bundespolizei, die in Tunesien seit 2015 ein Projekt für die Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte hat, hatten der Ministerin am Sonntagabend berichtet, in den Tagen nach der Rede des Präsidenten hätten sich praktisch keine Migranten aus diesen Ländern mehr auf die Straße gewagt. Später habe sich die Situation dann wieder entspannt.
Nancy Faeser will auch Abschiebungen nach Tunesien vereinfachen
Faeser betonte, es gehe ihr einerseits darum, Abschiebungen in das arabische Land zu erleichtern. Andererseits soll es für tunesische Arbeitskräfte mehr Möglichkeiten der Erwerbsmigration nach Deutschland geben. Faeser besucht Tunesien gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Gérald Darmanin.
EU will Tunesien finanziell unterstützen
Tunesien gehört aktuell neben Belarus zu den wichtigsten Transitländern für irreguläre Migration nach Europa. Allein in den ersten fünf Monaten kamen nach Kenntnis der Bundespolizei rund 26.000 Menschen auf diesem Weg, nach rund 4.000 Bootsmigranten im Vorjahreszeitraum.
Vor einer Woche war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Tunis. Sie stellte dem unter wirtschaftlichen Problemen leidenden Land zusätzliche Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro in Aussicht. An den Treffen nahmen auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der niederländische Regierungschef Mark Rutte teil.
Tunesien ist Ausgangspunkt für viele Migranten nach Europa. Italiens Regierung will das ändern und reist mit EU-Vertretern nach Tunis. Kommt es zu einem neuen Flüchtlings-Deal?
Quelle: dpa, AFP