Kürzungen beim Elterngeld? Das "Kartoffel"-Problem der Ampel
Geplante Kürzungen:Elterngeld: Das "Kartoffel"-Problem der Ampel
von Kristina Hofmann
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Die Ampel-Koalition will das Elterngeld kürzen. So steht es jedenfalls im Haushalt für 2024. Aber niemand will dafür verantwortlich sein. Jetzt ist die Frage: Bleibt es dabei?
Finanzminister Lindner will sparen und kürzt den Bundeshaushalt für 2024. Auch das Elterngeld für Eltern mit einem Einkommen ab 150.000 Euro soll gestrichen werden. Das sorgt für Diskussionen.05.07.2023 | 1:48 min
Der Satz steht recht lapidar auf Seite elf: "Die sich abzeichnende ungebremste Dynamik beim Elterngeld wird durch eine zielgerichtete Anpassung zum Zwecke sozialgerechter Verteilung gedämpft." Wie diese Dämpfung erreicht werden könnte, ist mittlerweile bekannt: Die Bemessungsgrenze könnte von 300.000 auf 150.000 Euro gemeinsames Jahreseinkommen der Eltern sinken.
Der Widerstand dagegen ist groß. Nicht nur die Opposition läuft dagegen Sturm. Auch innerhalb der Regierungsparteien gibt es Befürworter und Gegner. Doch jetzt will es niemand gewesen sein.
Lindner: Jedes Ressort kürzt autonom
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) betont am Mittwoch bei der Vorstellung des Haushaltes für kommendes Jahr, dass insgesamt jedes Ministerium sparen müsse. "Selbstverständlich" sei, sagt Lindner, dass dabei "die Ressorts autonom sind":
Man gebe Anregungen, mehr nicht, so Lindner. Fakt sei, dass die Kosten für das Elterngeld zu sehr gestiegen seien. 2023 waren es rund 8,3 Milliarden Euro. Wie das Ministerium jetzt ihre geforderte Einsparsumme erreiche, sei Sache von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Die Forderung: Um 500 Millionen Euro pro Jahr müssten die Ausgaben runter.
Kürzung Anregung oder Ansage?
Viel Spielraum, das sah man auch in Lindners Haus so, hat man dort allerdings nicht. Man kann ja schlecht das gerade erst angehobene Kindergeld wieder kürzen. Der Vorschlag von Lindners Staatssekretär Werner Gatzer: Die Einsparsumme solle "durch eine ausgabenreduzierende Reform des Elterngeldes" erzielt werden.
Im Bundesfamilienministerium hat man diese "Anregung" als Ansage verstanden. So sagt es heute der Ministeriumssprecher: "Es gab eine klare Vorgabe an das Bundesfamilienministerium, dass eine jährliche Einsparung von 500 Millionen Euro pro Jahr beim Elterngeld durch eine kostenreduzierende Reform zu erbringen ist."
Paus meldet vorher Bedenken an
Also hatte Ministerin Paus in den Haushaltsentwurf geschrieben: Elterngeld soll es nur noch geben, wenn beide Eltern zusammen weniger als 150.000 Euro verdienen. Damit, so erklärt es ihr Ministeriums, sei es "gelungen, eine Kürzung der Beträge zu verhindern".
In einem Brief an Lindner hatte Paus aber schon Ende Juni ihre Bedenken deutlich gemacht. Die Absenkung des Elterngeldes habe "erhebliche gleichstellungspolitische Konsequenzen", so Paus. Es werde damit zu einer Leistung für Paare und verhindere eher, dass die Sorgearbeit für Kinder aufgeteilt wird. Dabei hatte man noch im Koalitionsvertrag vereinbart, diese an die Kaufpreisentwicklung anzupassen.
Kein Elterngeld mehr für Paare mit hohem Einkommen, so lautet der Plan der Ampel. Doch was genau heißt das und wen würde die Änderung treffen? Wichtige Fragen und Antworten.
FAQ
Auch aus der Bundestagsfraktion der Grünen kommen seit dieser Woche Bedenken. Das sei "nicht der beste Vorschlag, den er machen konnte", so Fraktionschefin Katharina Dröge am Dienstag. Mit "er" meint sie Lindner. Doch dieser weist heute alle Urheberschaft von sich: "Ich bin kein Freund von Einkommenskappungen." Und überhaupt, er verstehe die Debatte nicht:
Wenn die "Fachkollegin", so Lindner, nun "Probleme mit ihrem eigenen Vorschlag" habe, werde man Alternativen erarbeiten. Es gebe eben "neuer Beratungsbedarf". Man werde aber gerne helfen.
Nur Kanzler Scholz noch für Kürzung des Elterngelds
Der einzige, der momentan zu dem gekürzten Elterngeld zu stehen scheint, ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er verteidigt im Bundestag bei der Regierungsbefragung die Kürzung, nachdem ihm die Union vorwirft, dass sich vor allem gut ausgebildete Eltern mit höheren Einkommen nun weniger für ein Kind entscheiden würden.
"Das trifft die Mitte der Gesellschaft ins Mark", so Vizefraktionschefin Dorothee Bär (CSU). Vor allem die Frauen würden "abgestraft".
Scholz verteidigt das Elterngeld. Care-Arbeit sei eben nicht ausschließlich Sache von Frauen. Aber die bisherige Einkommensgrenze von 300.000 Euro seien eben "sehr, sehr viel". Es habe in den vergangenen Jahren immer die Diskussion gegeben, ob die Grenze nicht zu hoch sei. "Deswegen ist es ganz vernünftig", so Scholz, dass man "über die Kalibrierung dieser Reform auch in einzelnen Details weiter diskutiert."
Kalibrierung meint in der Messtechnik die Überprüfung, ob der Wert, der rauskommt, noch mit dem ursprünglichen angenommenen zusammenpasst. Ob sich ein Paar für ein Kind entscheidet, findet Scholz, hat nicht nur etwas mit dem Elterngeld zu tun.
Noch ist der Haushalt der Bundesregierung nur ein Beschluss. Das Gesetz dazu muss der Bundestag verabschieden. Und das hat diese Woche schon der SPD-Fraktionschef deutlich gemacht: Wo wie viel gekürzt wird, liege jetzt "in der Hand des Bundestags und nicht mehr in der von einzelnen Ministerinnen oder Ministern".