"Was nun, ...?" im ZDF: Habeck und Weidel im Check

Faktencheck

"Was nun, ...?" im ZDF:Habeck und Weidel im Check

von K. Belousova, F. Bethmann, M. Hugo, N. Metzger, E. Miebach, N. Niedermeier, J. Schneider, K. Schubert, K. Weber
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Robert Habeck und Alice Weidel haben bei "Was nun, ...?" nacheinander Rede und Antwort zu vielen Fragen gestanden. War alles korrekt oder fehlt Kontext - wir haben geprüft.

Alice Weidel und Robert Habeck
Grünen-Kanzlerkandidat Habeck und AfD-Kanzlerkandidatin Weidel stellen sich bei "Was nun, …?" drängenden Fragen. Die Analyse der beiden Interviews bei ZDFheute live. 10.02.2025 | 37:30 min
Einen Tag nach dem Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz wurden auch die Kanzlerkandidaten von AfD und Grünen, Alice Weidel und Robert Habeck, in jeweils einer Ausgabe "Was nun, ...?" zu ihren Vorstellungen für die kommende Regierung befragt. Die meisten Aussagen halten einer Überprüfung stand. Einige waren aber ungenau, bei manchen fehlte der Kontext.
Sehen Sie hier die komplette Sendung "Was nun, Herr Habeck?", die Ausgabe mit Alice Weidel folgt im weiteren Verlauf des Artikels:
Robert Habeck bei der Was nun? am 10.02.2025
In Umfragen liegen die Grünen bei etwa 15 Prozent. Robert Habecks Bilanz als Wirtschaftsminister ist schlecht, trotzdem will er weiterregieren. Fragen an den Kanzlerkandidaten der Grünen.10.02.2025 | 23:37 min

Ist Habecks Zehn-Punkte-Plan zur Migration Grünen-Konsens?

Nach CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz legte auch Habeck einen Plan zur Migration vor, um Deutschland sicherer zu machen. Den Vorwurf, damit nur öffentlichkeitswirksam vorgeprescht zu sein, wies Habeck in der Sendung zurück:

Die zehn Punkte, die ich gesagt habe, sind Bestand der Forderung der Grünen seit vielen Jahren im Wesentlichen gewesen.

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen

Zur Einordnung: Unmittelbar nach Veröffentlichung gab es teils kontroverse Diskussionen an der Grünen-Basis um die Forderungen. Die Grüne Jugend legte sogar einen eigenen Zehn-Punkte-Plan als Reaktion vor, worin der Fokus auf Antidiskriminierung und Aufnahmeprogramme gelegt wurde. Jette Nietzard, die Sprecherin der Grünen Jugend, sagte: "Ich bin es leid, dass einige Teile der Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt werden und möchte, dass wir endlich über Lösungen sprechen."
Ein Blick in die Parteiprogramme zu den Bundestagswahlen 2021 und 2025 zeigt: Manche Forderungen des Zehn-Punkte-Plans sind tatsächlich schon länger Forderungen der Grünen (bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden, konsequente Überwachung von Gefährdern). In anderen Punkten weicht Habeck von der bisherigen Parteilinie ab - vor allem in der Gewichtung.
Beispiel Abschiebungen: Habeck fordert in seinem Vorstoß, nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle konsequent abzuschieben. Im offiziellen Wahlprogramm verlieren die Grünen dazu kein Wort. Dort betonen die Grünen Anderes: "Für uns ist klar, dass Menschen nicht in Staaten abgeschoben werden dürfen, bei denen menschenrechtliche oder völkerrechtliche Gründe entgegenstehen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete verbieten sich."

Wie viele Visa für Familiennachzug wurden ausgestellt?

Sollte der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte eingeschränkt werden, damit weniger Menschen nach Deutschland kommen? Das fordert die Union. Die Grünen, wollen den Familiennachzug laut Wahlprogramm hingegen "weiter ermöglichen und existierende Einschränkungen aufheben."

Der Familiennachzug ist ein ganz kleines Kontingent in Deutschland für die subsidiär Geflüchteten.

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen

Zur Einordnung: 2024 stellten die deutschen Botschaften laut "Mediendienst Integration" insgesamt etwa 120.000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung aus - 12.000 Visa gingen dabei an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten. Das waren zehn Prozent.
Ausserordentliche Bundesdelegiertenkonferenz Buendnis90/Die Gruenen: Kanzlerkandidat und Bundesminister fuer Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck
Grünen-Kanzlerkandidat Habeck kritisiert Merz’ Migrationspläne als Verstoß gegen Europarecht und Grundgesetz und wirft ihm vor, mit der AfD eine Mehrheit anstreben zu wollen.26.01.2025 | 1:35 min
Habeck bezeichnete den Familiennachzug zudem als "Integrationsinstrument".
Zahlreiche Studien zeigen, dass familiärer Anschluss die Integration in Deutschland positiv beeinflussen kann, da die Trennung von Partnern, Kindern und Eltern Geflüchtete sonst zusätzlich psychisch belasten kann. "Der Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll, da die Sorge um Angehörige es erschwert, innerlich anzukommen und sich etwa um Spracherwerb und Arbeit zu bemühen", sagte Prof. Winfried Kluth, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration, dem Mediendienst Integration.
In einer Studie von 2017 hieß es bereits, dass ein teilweises Aussetzen des Familiennachzugs "aus integrationspolitischer Sicht nicht sinnvoll" sei. In diesem Punkt liegt Habeck demnach richtig.



Hat Habeck eine noch schlimmere Rezession verhindert?

Deutschland droht womöglich das dritte Rezessionsjahr in Folge unter dem Wirtschaftsminister Habeck. Er nahm für sich aber in Anspruch, noch Schlimmeres verhindert zu haben:

Als Putin den Gashahn abstellte, da waren die ökonomischen Prognosen: Wenn wir kein Gas aus Russland kriegen, bricht die deutsche Wirtschaft um minus zwei bis minus sechs Prozent ein. Das ist nicht passiert. Also es hätte noch weit schlimmer kommen können.

Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen

Tatsächlich warnten damals viele Institute und Verbände vor drastischen Auswirkungen einer Gas-Krise. Ein Gutachten im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) kam im Juni 2022 auf die von Habeck genannte Zahl: "In unserem Szenario errechneten wir einen drohenden Einbruch der Bruttowertschöpfung in Höhe von gut 12 Prozent bezogen auf ein halbes Jahr. Dies entspricht einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von etwa 6 Prozent auf Basis des gesamten Jahres 2022 gerechnet."
Gasversorgung: Habecks Notmaßnahmen
Russland drosselt die Gaslieferungen nach Deutschland. Industrie und Regierung fürchten eine Gasknappheit im kommenden Winter. Wirtschaftsminister Habeck will dies verhindern, indem künftig auf das Verstromen von Gas verzichtet wird.19.06.2022 | 2:33 min
Die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute für Herbst 2022 lautete: "In einem Risikoszenario, welches unter anderem einen sehr kalten Winter sowie geringere Gaseinsparungen unterstellt, dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt jeweils zu Jahresbeginn 2023 und 2024 massiv einbrechen. (…) Die Gasmangellage [dürfte] zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Jahr 2023 von 7,9  Prozent und im Jahr 2024 von 4,2  Prozent führen."
Füllstand der deutschen Gasspeicher

ZDFheute Infografik

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Grundlage dieser Berechnungen waren jedoch Annahmen, die so nicht alle eingetreten sind: Der Winter war mild und Russland stellte seine Pipeline-Lieferungen erst Ende August, also zwei Monate später als vom VBW angenommen, ein. Durch Vermittlung der Bundesregierung gab es ausreichend alternative Gas-Bezugsquellen, insbesondere für LNG. Ein neues Gasspeichergesetz verbesserte die Energiesicherheit. Auf einige, aber nicht auf alle dieser Faktoren, hatte Habeck als Minister direkten Einfluss.
Clemens Fuest bei ZDFheute live
Das Wirtschaftskonzept der Grünen weise in die richtige Richtung, sagt Ökonom Prof. Clemens Fuest. Das Ganze sei aber zu planwirtschaftlich orientiert.10.02.2025 | 6:29 min
Sehen Sie hier die komplette Sendung "Was nun, Frau Weidel?"
Anne Gellinek, Alice Weidel, Bettina Schausten "Was nun, Frau Weidel?"
In Umfragen ist die AfD klar zweitstärkste Kraft, doch die Partei hat keine Machtoption, weil niemand mit ihr koalieren will. Fragen an Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD.10.02.2025 | 23:51 min

In welcher Höhe belasten die AfD-Vorhaben den Bundeshaushalt?

Zu welchen Be- und Entlastungen führen die Vorhaben der AfD? In der Sendung gab es dazu unterschiedliche Zahlen. Der Hintergrund: Mehrere Wirtschaftsinstitute haben vorab berechnet, was die in den Wahlprogrammen vorgesehenen Entlastungen der Parteien bedeuten.
So kommt beispielsweise das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei der AfD auf Entlastungen in Höhe von 182 Milliarden Euro. In dieser Summe sind allerdings auch Maßnahmen enthalten, die gar nicht den Bundeshaushalt betreffen - etwa die Abschaffung der Erbschaftssteuer, die Ländersache ist, oder die Abschaffung des Rundfunkbeitrags, der komplett an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht.
Bei "Was nun" sagt Weidel in Bezug auf die Summe, die im Bundeshaushalt fehlen würde:

Es sind so ungefähr zwischen 100 und 110 Milliarden.

Alice Weidel, AfD-Kanzlerkandidatin

Die Entlastungen für die Bürger will Weidel mit einer Reihe von Maßnahmen gegenfinanzieren. Sie rechnet vor: "Wenn Sie in der Summe einfach mal die Subvention für das EEG, für die Klimapolitik, für ausländische Staatsbürger, die hier Sozialhilfe, also Bürgergeld beziehen, die Hilfeleistung, Entwicklungshilfe ans Ausland, wenn Sie das alles summieren, dann sind Sie ungefähr - round about - bei 130, 135 Milliarden Euro."
Hannes Gnauck, AfD Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Jungen Alternative Deutschland (JA), steht auf dem AfD-Bundesparteitag auf der Bühne. In Riesa will die AfD ihr Wahlprogramm beschließen.
Die Partei setzt die Programmbeschlüsse für die Bundestagswahl fort. Und: Die Junge Alternative als Nachwuchsorganisation soll durch eine neue Parteijugend ersetzt werden.12.01.2025 | 2:35 min
Eine valide Rechnung? Das Bürgergeld für ausländische Empfänger hat nach Berechnungen der "Zeit" 2023 fast 20 Milliarden Euro gekostet - "3,4 Prozent der 1.250 Milliarden Euro, die das Sozialbudget in Deutschland umfasst". Für Entwicklungshilfe hat Deutschland 2022 nach Angaben des Statistischen Bundesamts fast 34 Milliarden Euro ausgegeben. Erst im Januar brachte die AfD einen Antrag in den Bundestag ein, wonach das Entwicklungsbudget um 70 Prozent gekürzt werden soll - nicht komplett gestrichen.
Laut einer Studie der mehrheitlich bundeseigenen Förderbank KfW vom Oktober 2024 sicherten die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit zudem etwa 139.000 Arbeitsplätze in Deutschland selbst. "Mit jedem Euro Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit steigen die deutschen Warenausfuhren um 0,36 Euro", schreiben die Autoren. "Enge Partnerschaft und Präsenz vor Ort sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland enorm wichtig."
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, ist bei ZDFheute live "nicht überzeugt" von Weidels Rechnung. Das EEG-Gesetz etwa würde zwar etwa 18 Milliarden Euro bringen, aber "das kann man ja auch nicht mal eben so streichen, da gibt es ja auch gewisse rechtliche Verpflichtungen - da redet man teilweise über jahrelange Bindungen", stellt Fuest klar.
Clemens Fuest bei ZDFheute live
Das Wirtschaftsprogramm der AfD verspreche viel, sagt Ökonom Prof. Clemens Fuest. Der vorgeschlagene Finanzierungsplan sei aber unrealistisch.10.02.2025 | 7:43 min
"Wenn wir das Geld nehmen, das etwa an Geflüchtete fließt, dann stellt sich ja die Frage, was passiert denn mit den Menschen", sagt Fuest. "Selbst wenn man der Meinung ist, die würden Deutschland wieder verlassen oder man könnte sie dazu bewegen: Was hat das alles für Konsequenzen? Wie lange wird das dauern? Muss man da vielleicht auch Geld in die Hand nehmen?" Fuests Fazit:

Die Einsparungsideen von Frau Weidel waren für mich jetzt nicht nachvollziehbar, ich halte die nicht für tragfähig.

Clemens Fuest, Ifo-Präsident

Wie attraktiv ist Deutschland für ausländische Fachkräfte?

Im Wettbewerb um globale Spitzenkräfte zeichnet Weidel ein düsteres Bild von Deutschland:

Deutschland ist mittlerweile viel zu unattraktiv für eine qualifizierte Zuwanderung geworden, weil Steuern zu hoch, Kriminalität zu hoch [sind]. Dementsprechend wollen die qualifizierten Leute gar nicht mehr nach Deutschland kommen.

Alice Weidel, AfD-Kanzlerkandidatin

Die Studienlage spiegelt ein weniger drastisches Bild - aber mit deutlichem Optimierungsbedarf für bestimmte Zielgruppen. In ihren "Talent Attractiveness"-Indikatoren erfasst die OECD, wie interessant Industriestaaten für Arbeitsmigranten sind. Für Fachkräfte und Unternehmer rangiert Deutschlands in der jüngsten Studie aus dem Jahr 2023 im oberen Mittelfeld, unmittelbar etwa hinter Finnland. Die Top-Plätze gehen an Schweden, Neuseeland oder die Schweiz.
Junger Mann (Gen Z) liegt auf der Couch und isst Chips
Deutschland kriegt die Krise: Es herrscht Fachkräftemangel und bei so manchem Arbeitgeber liegen die Nerven blank. Gen Z sei zu faul, zu schlecht ausgebildet und zu anspruchsvoll.05.09.2023 | 12:38 min
Schaut man genauer in die Details, werden große Unterschiede deutlich: In der Kategorie "Einkommen und Steuern" etwa landet Deutschland für Unternehmer in der weltweiten Spitzengruppe, bei angestellten Fachkräften hingegen nur im Mittelfeld. Bei der Attraktivität für Studierende liegt Deutschland hingegen auf Platz zwei, überholt nur von den USA. Es gibt also Raum für Verbesserung; und verglichen mit den Studienergebnissen von 2019 ist Deutschland im Ranking leicht abgerutscht.
Eine OECD-Befragung vom Januar 2024 ermöglicht Rückschlüsse, wie ausländische Fachkräfte den deutschen Arbeitsmarkt wahrnehmen. Anders als von Weidel behauptet, werden von den Befragten nicht hohe Steuern oder Kriminalität als zentrale Hürden wahrgenommen, sondern vielmehr Bürokratie, Spracherwerb und zunehmend die Sorge vor Diskriminierung und Rassismus.
Über die Hälfte der nach Deutschland eingewanderten OECD-Befragten berichteten etwa von Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt. "Deutschland bleibt ein attraktives Zielland für viele hochqualifizierte Personen im Ausland", schreiben die OECD-Autoren. Das Deutschlandbild bleibe stark positiv in den Ursprungsländern - aber: von jenen Fachkräften, die sich für Deutschland interessierten, schaffe es nur ein kleiner Teil tatsächlich her.

Deutschland ist keine Planwirtschaft

Alice Weidel sagt während des Interviews:

Wir müssen weg von der Planwirtschaft, wir müssen wieder hin zur Marktwirtschaft.

Alice Weidel, AfD-Kanzlerkandidatin

Hat Deutschland sich etwa still und heimlich von der Sozialen Marktwirtschaft verabschiedet?
In Gablers Wirtschaftslexikon ist "Planwirtschaft" so definiert: "Eine Wirtschaftsordnung, in der der Wirtschaftsprozess von einer zentralen Instanz auf der Grundlage ihres Plans koordiniert wird." Allerdings wird auch bei anderen Wirtschaftsordnungen geplant. Walter Eucken, Ökonom und Vordenker unserer Sozialen Marktwirtschaft, sprach deshalb auch von der Zentralverwaltungswirtschaft, die durch den Staat zentral geleitet und verwaltet wird.
Dass der Staat hierzulande einziger wirtschaftlicher Akteur sei, nennt der Chefsvolkswirt der niederländischen ING-Bank, Carsten Brzeski, "Unsinn". "Die DDR war eine Planwirtschaft, China ist noch eine Planwirtschaft. Alle wirtschaftlichen Aktivitäten werden vom Staat geplant. Das haben wir nun wirklich nicht."
Abzulesen sei das auch an den öffentlichen Ausgaben. "Wir haben Staatsausgaben von weniger als 50 Prozent vom BIP", erklärt Brzeski gegenüber dem ZDF. Wenn alle ökonomischen Prozesse vom Staat ausgingen, würden diese zwangsläufig viel höher liegen. 2024 lag die deutsche Staatsquote mit 48,3 Prozent ein knappes Prozent unter dem Durchschnitt der 27 EU-Staaten.
Auch Clemens Fuest vom Ifo-Institut sagt bei ZDFheute live:

Das ist glücklicher Weise nicht der Fall, Deutschland ist eine Marktwirtschaft (...) wir haben sehr viele Regulierungen, die man auch durchaus kritisch sehen kann, aber Planwirtschaft ist natürlich ein total überzogener Begriff.

Clemens Fuest, Ifo-Präsident

Konkrete Kritik übt Fuest am Wirtschaftskonzept der Grünen: "Einige Maßnahmen weisen in die richtige Richtung, aber das Ganze ist zu planwirtschaftlich orientiert." Vor allem die Energiewende müsse "intelligenter, weniger planwirtschaftlich" organisiert werden. Statt Subventionen - die in der vergangenen Legislaturperiode etwa bei Northvolt oder Intel auch scheiterten - gehe es darum, die Effizienz zu verbessern und "marktwirtschaftliche Mechanismen" zu nutzen. "Da das fehlt, bleibt der Impact begrenzt", sagt Fuest.

Stimmung in Deutschland
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Einzahlung von Beamten und Politikern in Rentenkasse?

Beim Thema Rente forderte Weidel, dass "ich als Politikerin, alle Beamten in die gleiche Kasse einzahlen müssen". Und erklärt: "Das ist im Übrigen auch Programmbestandteil der AfD." Laut Parteiprogramm will die AfD tatsächlich "Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen". Beim Thema Beamte setzt die Partei aber darauf, künftig weniger Staatsbediensteten einen Beamtenstatus zu verleihen, statt zu fordern, dass alle Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen.
Denn die AfD will laut Programm:

Verbeamtungen nur noch für diejenigen vorsehen, die mit Hoheitsaufgaben betraut sind, so dass die große Mehrheit der Staatsbediensteten in die Rentenversicherung einzahlt.

AfD- Wahlprogramm für die Bundestagswahl

Klar ist: Die Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) muss auf neue Beine gestellt werden. Im Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen heißt es: "Mit dem Renteneintritt der Babyboomer beginnt in Deutschland aktuell eine akute Phase der demografischen Alterung. Dies macht eine langfristig orientierte Reform der GRV erforderlich."
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Jochen Breyer reist bis nach Japan, spricht mit den Wirtschaftsweisen und zeigt, wie Reformen das Rentensystem sichern könnten – aber Politik oft nicht handelt.14.01.2025 | 43:44 min
Doch die Annahme, dass die Einbeziehung sämtlicher Erwerbstätiger ausreichen würde, um die Rentenfinanzierung nachhaltig zu sichern, greift zu kurz. "Eine Ausweitung des Versichertenkreises der GRV auf zukünftige Beamtinnen und Beamte sowie Selbständige löst die Finanzierungsprobleme der GRV nicht", schreiben die Wirtschaftsweisen. Zwar steige dadurch die Anzahl der Beitragszahlenden, und die gesetzliche Rentenversicherung würde kurzfristig entlastet.

Bei Renteneintritt der zusätzlichen Beitragszahlenden verschwindet der entlastende Effekt jedoch und die Finanzierungsprobleme werden langfristig verschärft, da die Rentenbezugsdauer von Beamtinnen und Beamten überdurchschnittlich lang ist.

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Der Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, Carsten Brzeski, erklärt auf Nachfrage des ZDF: "Freiberufler können sich ja schon freiwillig rentenversichern. Bei Beamten würde eine Veränderung natürlich helfen. Bei 1,7 Millionen Beamten reicht das aber noch lange nicht, um die Rente ohne Erhöhung des Renteneintrittsalters, einer Kürzung der Renten und/oder höherer Beiträge finanzierbar zu lassen."

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Quelle: dpa

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