ZDF in Rostock:Lichtenhagen - im Schatten der Vergangenheit?
von Beatrice Steineke
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Der Name des Rostocker Stadtteils Lichtenhagen ist bundesweit bekannt und für immer mit dem Pogrom 1992 verbunden. Doch für die Menschen vor Ort ist ihr Viertel so viel mehr.
Zwanzig Fahrradminuten von der Ostsee entfernt liegt Rostock-Lichtenhagen. Knapp 14.000 Menschen wohnen in diesem Stadtteil der Hansestadt. Auf dem Boulevard ist wenig los. Zwischen den sanierten 70er-Jahre Springbrunnen und sechsgeschossigen Häusern habe sich früher das Leben abgespielt, heute fehle es an schönen Angeboten, sagt Lisa Radl. Die 28-Jährige ist seit zwei Jahren die Quartiersmanagerin.
Quartiersmanagerin im Gespräch mit Einwohnern
In Bayern aufgewachsen, kam sie für ihr Studium nach Rostock. Sie hat sich einiges vorgenommen. Auf dem Boulevard bleibt sie vor einer kleinen Lagerhalle stehen, kommt mit der 83-jährigen Rosemarie Kindt ins Gespräch.
Anstelle der Lagerhalle wünscht sie sich ein Café, denn sie wohne gleich um die Ecke. Verständlich, sagt Lisa Radl, doch vieles sei in Privateigentum. "Und wir haben ja in Lichtenhagen einen Leerstand von 0,8 Prozent. Andere Gebäude, um ein Café oder ein kleines Restaurant in den Stadtteil zu holen, die gibt es leider auch nicht. Aber wir geben nicht auf, probieren es weiter", und dann lächelt sie.
Rassistische Ausschreitungen
Sind ReporterInnen im Viertel unterwegs, weichen EinwohnerInnen oft skeptisch zurück. Viele winken ab, wollen keine Fragen beantworten. Es gehe ja doch wieder nur um den 24. August 1992. Ein wütender Mob griff damals das Sonnenblumenhaus an. Über Stunden bangten darin vietnamesische Vertragsarbeiter um ihr Leben, während Hunderte rassistische Parolen riefen und Molotowcocktails warfen.
Die Bilder der mehrere Tage andauernden Ausschreitungen erschütterten, lösten eine Debatte über Asylrecht und Rechtsextremismus im wiedervereinten Deutschland aus. Lisa Radl will einen Ort zum Gedenken mit Bildungsangebot schaffen. Ein 2018 installiertes Kunstwerk sei zu wenig. Sie spüre im Viertel, dass der Wunsch nach einer Auseinandersetzung da sei.
Städtebauförderprogramm "Sozialer Zusammenhalt"
Mehr Bürgerbeteiligung, mehr Veranstaltungen - sie will das Bild verändern. Im Jahr hat sie 20.000 Euro für kleinere Projekte und 50.000 Euro für bauliche Maßnahmen zur Verfügung. Über das Städtebauförderprogramm "Sozialer Zusammenhalt" von Bund, Land und Stadt wurde seit 2019 nicht nur das neue Stadtteilbüro finanziert.
Knapp 50 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren für das Viertel beantragt werden. Das einstige DDR-Musterbeispiel für gelungenen Städtebau ist in die Jahre gekommen. Fast jeder Dritte ist Ü65. Die kommunale Wohnungsgesellschaft baut hier gerade 318 Wohnungen in Lichtenhagen. Eine neue Hochschule des Zolls wird nebenan gebaut. Dieser Zuzug soll einiges verändern.
Ein Park für mehr sozialen Zusammenhalt
Die Bürger selbst konnten Ideen für einen neuen Park einbringen und über die Entwürfe abstimmen. Auf 14 Hektar entstehen 2025: Aussichtsplattform, Picknickplätze, Sportparcours. Manfred Bunge will, dass hier alle Altersklassen zusammenkommen.
"Ein Miteinander haben wir gerade nicht. Jede Gruppe ist so für sich", erklärt der Lichtenhäger. Da der Park von den Bürgern mitgeplant wurde, wird es ein Ort der Begegnung. Davon ist Lisa Radl überzeugt.