Rhetorik-Check: Wer hält die besten politischen Reden?
Politiker im Rhetorik-Check:Wer hält die besten politischen Reden?
von Sophia Krämer
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Habecks Plädoyer gegen Antisemitismus - geehrt als "Rede des Jahres 2023". Was zeichnet ihn als Redner aus? Wie rhetorisch fit ist seine politische Konkurrenz?
Politische Rhetorik ist eine Kunst - erst recht in Zeiten von Social Media. Welcher der deutschen Spitzenpolitiker kann am besten reden - und warum?
Doch nicht nur das breite Publikum, auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich über die rhetorische Qualität der Rede einig. "Sie ist eine angemessene Antwort auf diese komplexe gesellschaftliche Problemlage: Wie geht man um jetzt mit diesem Angriff der Hamas auf Israel und die ganzen innenpolitischen Debatten, die da losgetreten wurden", sagt Dietmar Till, Professor an der Universität Tübingen.
Uni Tübingen zeichnet Habeck-Rede aus
Das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen zeichnete Habeck daher mit großem Konsens innerhalb der Jury für die "Rede des Jahres 2023" aus.
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Im Gespräch mit Jurymitglied Dietmar Till, einem der führenden Experten für Rhetorik, analysieren wir, wodurch sich Habeck als Redner rhetorisch und in seinem Auftritt hervorhebt. Der Wissenschaftler schaut mit uns auf zudem auf die Rhetorik je eines Vertreters oder einer Vertreterin der Bundestagsfraktionen.
Hoher Erklärungsbedarf und starke Personalisierung
Grundsätzlich sei in Zeiten der Personalisierung eine gute Kommunikation und Rhetorik für Politikerinnen und Politiker essentiell, so Till. Auch um einen Eindruck der eigenen Persönlichkeit an die Wählerschaft zu vermitteln.
Ein rhetorischer Unterschied bestünde naturgemäß zwischen Abgeordneten der Regierung und Opposition. So haben Regierungsmitglieder das Anliegen, die eigenen politischen Entscheidungen zu erklären und vermitteln. Vertreterinnen und Vertreter der Opposition würden Aussagen eher spitz formulieren und das Gegenüber sprachlich angreifen, um die politischen Differenzen klar sichtbar zu machen.
Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) im Check
Till sieht Robert Habeck (Grüne) als Stellvertreter eines neuen Rhetoriktrends: Politik auf Augenhöhe - nahbar, empathisch und authentisch. Die Wahrnehmung des Politikers als "Politik-Erklärer", als Versteher und Kümmerer. Reden würden freier, kürzer und pointierter, Social Media zu Plattformen politischer Kommunikation.
"Das Authentische, die Glaubwürdigkeit, die wird natürlich auch durch die Art und Weise, wie er sich präsentiert erzeugt", erläutert Till. Das sei nichts, was sich einfach so einstelle. "Das sind auch bewusste Strategien, mit denen er sich präsentiert." Der Wissenschaftler betont:
Nicht nur rhetorisch, auch durch seinen Auftritt und seinen legeren Kleidungsstil breche Habeck damit mit den konservativen Klischees seines Amtes als Wirtschaftsminister.
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Auch Christian Lindner (FDP) sieht Dietmar Till als Vertreter des neuen Rhetorikstils. Sich offen auf eine Bühne zu stellen, ohne Manuskript und mit Headset eine dreiviertel Stunde lang eine Rede zu halten - damit sei der FDP-Parteivorsitzende vor einigen Jahren politischer Vorreiter gewesen. Ein Unterschied zu Habeck liege in der eher oft als überheblich wahrgenommen Selbstpräsentation und in bewusst spitzen Formulierungen.
Bei Habeck sehe Till das in der Wahrnehmung nicht so gegeben.
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Scharf, geistesgegenwärtig und mit nachdrücklicher Stimme sprechen? Das könne Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Ein Beispiel sieht Wissenschaftler Till in Scholz' "Zeitenwende-Rede 2022". Scheinbar sei es ihm aber nicht so wichtig, regelmäßig seine politischen Positionen zu kommunizieren oder die Wählerinnen und Wähler anzusprechen. "Ich habe im Interview mal Olaf Scholz als den Energiesparkanzler bezeichnet. Und jetzt finde ich eigentlich immer noch, dass das stimmt", sagt Till und erläutert:
Eine Instagram-Botschaft zu Weihnachten gab es etwa vom SPD-Politiker auch nicht. Rhetorik-Experte Till ordnet den rhetorischen Auftritt daher dem eines klassischen Parteipolitikers als der neuen Redekultur zu. Ein Beispiel sei die Regierungserklärung von Scholz nach der Haushaltskrise (28. November 2023). Dieses kommunikative Defizit greife Habeck als Vizekanzler auf.
Friedrich Merz (CDU) im Check
Scharf, zugespitzt und konkret formulieren, Zwischenrufe parieren - das gelinge auch dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU. Die Rolle der Opposition fülle Friedrich Merz dadurch gut aus. Aber:
Der Experte sieht folglich keine neue Redekultur im Auftritt von Friedrich Merz. Relativ förmlich und starr, mit wenig Mimik und Gestik stehe er beispielsweise am Parteitag hinter einem Rednerpult oder aktuell vor einem Weihnachtsbaum - stets in Anzug mit Krawatte.
CDU-Chef Friedrich Merz fordert nach den Silvester-Krawallen ein verschärftes Vorgehen gegen die Täter. "Wir wehren uns zu spät", sagt er und spricht von "Paschas" in Grundschulen.11.01.2023 | 1:43 min
Die Programmdiskussionen innerhalb der Union und Fragen der politischen Ausrichtung zeigen sich laut Till auch rhetorisch durch populistische Momente bei Merz. Ausdrücke wie "kleine Paschas" würden entsprechend zeigen, dass ihm Argumente oder progressive Lösungsvorschläge fehlten.
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Klar und frei sprechen: Das könne auch die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, sagt Rhetorik-Experte Till.
In den Vordergrund trete allerdings stets ihr Moment des Agitatorischen, also des Aggressiven. Sie sei dauernd damit beschäftigt, sich sprachlich von der politischen Elite abzugrenzen. Und das, obwohl sie als Bundestagsabgeordnete selbst Teil davon sei.
Der Politikwissenschaftler Cas Mudde definiert Populismus als Ideologie, die die Gesellschaft in gegensätzliche Gruppen separiert. Die korrupte Elite, etwa in Form der politischen Elite, stehe dem Willen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber. Populistinnen und Populisten präsentieren sich - mittels Kleidung, Sprache und Auftreten - als Vertreterinnen und Vertreter eines wahren Willens des Volks, die gegen diese vermeintlichen Eliten vorgehen. (Mudde, Cas: 2004, Populist Zeitgeist).
Nach Ansicht des Wissenschaftlers hat sie als AfD-Abgeordnete einen glatten und gekonnten Auftritt. Da sich ihr Privatleben mit den politischen Positionen ihrer Partei schwer vereinbaren lasse, bleibe aber das Bild, dass sie die Rolle der AfD-Politikerin spiele. Dies führe dazu, dass sie weniger authentisch und glaubwürdig auftrete, findet der Experte. Entsprechend baue sie eine Distanz zur Wählerschaft auf.
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Sarah Wagenknecht könne sehr scharf und sehr präzise sprechen und das politische Gegenüber attackieren - auch in der freien Rede. Diese rhetorischen Fähigkeiten sieht Dietmar Till bei der Bundestagsabgeordneten. Sie seien sicher auch ein Grund, warum sie in ihrer Oppositionsrolle so erfolgreich sei und sich parteiübergreifend Gehör verschaffe. Dabei bleibe offen, was der programmatische Kern ihrer Aussagen sei. Insbesondere seit ihrem Austritt aus der Linkspartei.
Der Wissenschaftler sieht Wagenknechts Auftritt als charismatisch, aber klassisch. "Man hat den Eindruck, das ist so eine Kälte der Macht, die sie umgibt. Sie ist von ihrem Wählerklientel, auch vom eigenen Auftritt, viel weiter weg als es bei Habeck der Fall ist."
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