Wie groß ist die islamistische Gefahr in Deutschland?
Exklusiv
Zweifel an Aussteigerprogrammen:Wie gefährlich sind Ex-IS-Kämpfer?
von Candan Six-Sasmaz und Carl Exner
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2023 wird ein Ex-Kämpfer des IS festgenommen. Vorwurf: Anschlagsplanung. Dabei war er als "de-radikalisiert" aus dem Gefängnis entlassen worden. An den Programmen gibt es Zweifel.
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Seit Monaten warnen die deutschen Nachrichtendienste vor der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Kurz vor der Fußball-EM wachsen bei den politisch Verantwortlichen hierzulande die Sorgen. Und das nicht erst seit dem Anschlag in Moskau im März und den darauffolgenden Drohungen. Anlass genug, die Situation möglicher Gefährder unter die Lupe zu nehmen.
485 Menschen in Deutschland gelten als "aktionsbereit"
IS-Chef Al-Ansari ruft schon länger seine Anhänger zu weltweiten Anschlägen auf. In Deutschland geht dabei eine große Gefahr von den 485 Personen in Deutschland aus, die von den Ermittlern als "Gefährder" eingestuft sind. Viele von ihnen gelten als "aktionsbereit", ihnen werden also schwere Straftaten zugetraut.
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Die Mehrheit der islamistischen Gefährder haben eine einschlägige Vergangenheit: Hunderte haben sich in Syrien oder dem Irak der Terrormiliz "Islamischer Staat" angeschlossen und wurden in Deutschland zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Einer von ihnen ist der 30-jährige Tarik S. .
Der "deutsche Osama"
Der Deutsch-Ägypter aus Bielefeld schließt sich 2013 dem IS an. Dort nimmt er den Kampfnamen "Osama Al-Almani" - Osama der Deutsche - an und ist zeitweise Polizist im selbsternannten Kalifat. Tarik S. wird in Syrien zum Propagandastar der Islamisten - in Videos des IS ruft er dazu auf, sich den Terroristen anzuschließen.
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2016 kehrt Tarik S. über die Türkei nach Deutschland zurück: Noch am Flughafen wird er verhaftet. 2017 verurteilt ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf zu fünf Jahren Haft.
Versuch, Mitgefangene zu radikalisieren
Im Gefängnis legt der ehemalige IS-Kämpfer seine Gesinnung nicht ab: Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass Tarik S. zu Beginn seiner Haftzeit aufgefallen ist, weil er versucht haben soll Mithäftlinge zu radikalisieren. Doch dann beginnt bei dem IS-Terroristen offenbar ein Umdenken: Er nimmt an dem Aussteigerprogramm Islamismus (API) teil, ein Angebot des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Tarik S. soll insgesamt an 70 Therapiestunden teilgenommen haben.
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Ministerium attestiert erfolgreichen Ausstieg
Nach seiner Haftentlassung gilt der Ex-IS-Kämpfer als de-radikalisiert - das API beurkundet Tarik S. sogar den erfolgreichen Ausstieg. Doch nur zwei Jahre nach seiner Haftentlassung wird er wieder festgenommen. Der Vorwurf: Die Planung eines Terroranschlags im Namen des IS.
Sein Ziel: Mit einem LKW in eine Menschenmasse zu fahren, um so viele Menschen wie möglich zu töten und dabei als Märtyrer zu sterben. Und damit nicht genug: ZDF-Recherchen legen nahe, dass Tarik S. schon Monate vor seiner Festnahme die Nähe zum IS gesucht haben soll. Hat sich der 30-Jährige wieder radikalisiert oder hat er das Aussteigerprogramm nur getäuscht?
Die Doku von 'Die Spur' sehen Sie am Mittwoch, 24.4.2024 um 22.45 Uhr im ZDF oder jederzeit in der ZDF-Mediathek.
Radikale Pläne trotz Aussteiger-Programm?
Ausstiegsprogramme würde in der Regel in Deutschland gut funktionieren, meint Sofia Koller vom Counter Extremism Project (CEP). Sie forscht seit Jahren zu dem Umgang mit IS-Rückkehrern. Sie warnt, dass Ausstiegsprozesse nicht linear funktionieren würden. Immer wieder könnten Lebenskrisen einstige Extremisten zur radikalen Ideologie treiben.
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Dennoch hält sie eine Täuschung durch den Terrorverdächtigen für unwahrscheinlich:
Und weiter: "Irgendwann wird sich die Person versprechen, vielleicht in einem Nebensatz etwas sagen, was man leicht hinterfragen kann".
Rückfälle durch Lebenskrisen möglich
Auch Thomas Mücke hält es für glaubwürdig, dass Tarik S. aufgrund einer persönlichen Lebenskrise in die alten Strukturen zurückgefallen ist. Mücke leitet das Beratungsprogramm "Violence Prevention Network". Dieses bietet Angehörige von sich radikalisierenden Personen Hilfestellungen an, aber auch Extremisten Unterstützung beim Ausstieg aus der Szene.
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Aus seiner Arbeit in der Extremismusprävention weiß er, um die Herausforderungen, von Personen, die sich aus der Szene lösen wollen. "In der Haft ist es oft so, dass die Leute in einem Moment sagen 'Ich will damit nichts mehr zu tun haben, ich fühle mich geläutert'. Dann werden sie entlassen und mit der Realität konfrontiert."
Gefährderansprache zur Abschreckung
Im Fall von Tarik S. hält Mücke es für wahrscheinlich, dass der 30-Jährige keine Perspektive für sich mehr gefunden hätte. Kurz vor seiner Festnahme erhält Tarik S. eine Gefährderansprache durch die Polizei. "Wenn ihn all das nicht abschreckt, haben wir es eher mit Menschen zu tun, die keine Perspektive für sich im Diesseits sehen. Ihr Hass auf die Gesellschaft ist groß und das ist als besonders gefährlich einzuschätzen."
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Sofia Koller warnt davor, von dem Fall Tarik S. auf die Funktionsweise der Ausstiegsprogramme im Allgemeinen zu schließen:
Gleichzeitig würde die Mehrheit der Fälle gut laufen, von denen man nichts hören würde.
Ausnahmen mit gravierenden Auswirkungen denkbar
Tatsächlich sind Rückfälle bisher die Ausnahme. Doch derzeit sitzen viele IS-Rückkehrer noch Haftstrafen ab. Gleichzeitig würden Ereignisse, wie der Nahost-Konflikt, einen großen Einfluss auf die islamistische Szene haben. Mücke vom Violence Prevention Network warnt:
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