Defensive Architektur: Wie Obdachlose ferngehalten werden
Defensive Architektur:Wie Obdachlose in Städten ferngehalten werden
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Ob kurze Bänke oder Metallspikes in Eingängen - Obdachlose werden mit defensiver Architektur vielerorts auf Abstand gehalten. Das sei zur Norm geworden, sagt Designerin Wagner.
Mit defensiver Architektur ist eine Bauweise gemeint, die gezielt marginalisierte Gruppen wie wohnungslose Menschen aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte.
Quelle: dpa
In vielen Städten gehört sogenannte defensive Architektur inzwischen dazu. Um zu verhindern, dass Obdachlose im Geldautomatenraum übernachten, hat eine Filiale der Sparkasse in München zuletzt Metallzacken auf dem Boden angebracht.
Ein Journalist postete ein Foto davon in den sozialen Medien mit dem Kommentar: "Shame on you".
Post des Journalisten Ronen Steinke
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Daraufhin entspann sich eine mediale Diskussion, die Sparkasse verteidigte die Zacken, und die Stiftung Obdachlosenhilfe Bayern stellte fest, dass derartige Maßnahmen nichts Neues seien.
Sicherheit oder Verdrängung von Obdachlosen?
In der Tat hat das Ganze einen Namen: defensive Architektur. Der Begriff belegte 2022 den dritten Platz beim Unwort des Jahres und bezeichnet einen Bau- oder Designstil, der darauf ausgelegt ist, den Aufenthalt an diesen Orten möglichst unbequem zu gestalten.
Hannah Wagner hat an der Hochschule Mannheim Design studiert und ihre Abschlussarbeit über das Phänomen geschrieben, Menschen mittels Design von Plätzen auszugrenzen. Sie sagt:
Nicht nur durch Platzverweise, auch durch defensive Architektur sollen Obdachlose aus der Stadt Düsseldorf vertrieben werden. Mögliche Schlafplätze werden zugebaut und freie Plätze unzugänglich gemacht.28.03.2023 | 1:57 min
Subtile defensive Architektur
Besonders krasse Maßnahmen sind Metallspitzen, die vor Hauseingängen oder über Lüftungsschächten angebracht werden. "Das kommt selten vor, aber wenn das bekannt wird und Fotos zum Beispiel den Weg in die sozialen Medien finden, stößt das häufig auf Gegenwind", sagt Wagner. So geschehen in München - weshalb die Zacken dann auch bald wieder abmontiert wurden.
Es gibt aber subtilere Elemente wie etwa:
Bänke aus Metall und mit Löchern, durch die die Kälte vom Boden nach oben steigt
Sitzgelegenheiten, die nur Platz für eine oder zwei Personen bieten
Bänke, deren Sitzfläche in der Mitte durch Armlehnen unterteilt ist
Betonhocker, die sich nicht verrücken lassen
Mülleimer, in die man nicht hineingreifen kann, um nach Pfandflaschen zu suchen.
Weniger Widerstand gegen defensive Architektur
Ein Befund, den Frank Eckardt bestätigt. Er hat an der Bauhaus-Universität Weimar die Professur für Sozialwissenschaftliche Stadtforschung inne und forscht seit Jahren zu dem Thema. Als das Konzept, das in den 1990er Jahren in den USA und England zunehmend populär wurde, in den 2000er Jahren im Zusammenhang mit Sicherheitsdiskussionen hierzulande übernommen worden sei, habe es noch zahlreiche kritische Stimmen gegeben.
In der Debatte um Wohnungslosigkeit ist die Frage nach dem öffentlichen Raum und wer dort was wann tun darf ein Dauerbrenner. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe machte schon vor etlichen Jahren auf das Thema aufmerksam, der Slogan lautete "Die Stadt gehört allen".
Stadtplanung soll viele Interessen beachten
Tatsächlich sei dies aber nicht der Fall: Denn was im öffentlichen Raum passiere, könne für den einen gut sein, für den anderen schlecht. "Ich kann das Schwarze Peter-Spiel nicht gewinnen", sagt Eckardt.
Ein Beispiel: Wer an einem Ort wohnt, will nachts Ruhe haben. Das geht aber nicht, wenn andere am selben Ort draußen reden und feiern. Hinzu kommt, dass jeder eine andere Toleranzgrenze habe - für den einen ist Lärm eine Belästigung, der andere noch nicht stört. Umgekehrt könnten nicht alle alles an einem Ort machen.
"Die Aufgabe von Stadtplanung ist, dafür zu sorgen, dass jeder irgendwo seine Interessen wahrnehmen kann." Deshalb gibt es etwa Spielplätze, Skater- oder Hundeparks.
Besonders schwierige Lösungsfindung bei beliebten Plätzen
Heikel werde es an den schönen Plätzen einer Stadt. "Diese hochsymbolischen Orte sind in den letzten Jahren extrem wichtig geworden, das sind die Aushängeschilder, mit denen die Städte bei Touristen und Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, werben." An diesen Orten müssten sich auch alle Bürger einer Stadt aufhalten dürfen, sagt Eckardt. Eigentlich. "Doch Obdachlose oder Trinker hat man dort nicht so gerne."
Denn mit ihrer Anwesenheit verbinden Passanten häufig ein Unwohlsein; sie machen einen großen Bogen um Plätze oder Parks, weil sie sich unsicher fühlen. Wagner hat dafür Verständnis, betont aber auch: "Das sind oft abstrakte Ängste. Von einem Obdachlosen, der ein Bier auf der Bank trinkt, geht ja keine unmittelbare Gefahr aus." Der Anblick möge einem nicht gefallen. "Aber das muss ich aushalten."