Merz gewinnt Bundestagswahl - doch regieren wird schwer
Analyse
Wahlgewinner, aber vieles offen:Die Herausforderungen des Friedrich Merz
von Kristina Hofmann
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Die Union hat gewonnen, Friedrich Merz könnte neuer Kanzler werden. Noch bleiben einige Herausforderungen: Er hat keine Koalitionspartner, er hat Zeitdruck - und Söder im Nacken.
Die Union habe kein starkes Mandat erhalten, so ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Andrea Maurer. Merz wird wohl dennoch Kanzler, könne mit dem Ergebnis aber auch nicht zufrieden sein. 24.02.2025 | 7:39 min
Sie brauchen eine gute halbe Stunde, um sich zu fangen. Als die ersten Prognosen im vollen Konrad-Adenauer-Haus gezeigt werden, ist der Applaus zwar da: Die Union aus CDU und CSU hat die Bundestagswahl klar gewonnen. Doch eigentlich hatten dort viele mit mehr gerechnet. Jetzt sind es zwischen 28 und 29 Prozent. Doch Grund zum Jubeln ist das nicht.
Merz: Erst feiern, dann arbeiten
Den gibt es erst, als Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder und die gesamte CDU-Spitze auf die Bühne kommen. "Wir haben die Wahl gewonnen", sagt ein strahlender Ex-Kandidat, der es nun wirklich werden könnte: Kanzler. Also winkt Friedrich Merz, bedankt sich bei allen Wahlkämpfenden, vor allem der Jungen Union, die sich mit Merz-Hoodies bekleidet trotzig laut bemerkbar macht. Und Merz weiß, was sie jetzt hören wollen:
Jetzt darf auch mal Rambo Zambo im Konrad-Adenauer-Haus sein. Heute feiern wir, ab morgen früh wird gearbeitet.
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Friedrich Merz, CDU
Fragt sich nur, mit wem Merz ab Montag verhandeln und künftig regieren kann. Er wisse, sagte der CDU-Vorsitzende, dass es nicht einfach werde. Er habe "größten Respekt" und: "Ich weiß um die Dimension der Aufgabe."
Denn ob Merz tatsächlich Kanzler kann und langfristig gewinnt, zeigt sich erst in den kommenden Wochen. Ihm stellen sich gleich mehrere Herausforderungen.
Erste Herausforderung für Merz: Schwäche in der Stärke
Seit Wochen war sich die Union sehr sicher: Sie gewinnt die Wahlen haushoch. Alles andere als eine drei vorne wäre eine Enttäuschung, hieß es. 30 plus x war die Erwartung. Wenn es nur 27 oder 28 Prozent würden, könnten all die innerparteilichen Kritiker ihre Zurückhaltung aufgeben, die das Schielen auf die AfD bei der Abstimmung im Bundestag in der Migrationspolitik nicht richtig fanden, wegen der bevorstehenden Wahl aber dies nicht laut sagten. Das waren zwar nicht viele, aber es gab sie.
"Rambo Zambo": Heute wird gefeiert, sagt CDU-Vorsitzender Friedrich Merz. Gearbeitet dann wieder morgen.
Quelle: AFP
Nun hat Merz nicht die starke, bequeme Verhandlungsposition für kommende Koalitionsgespräche, die er sich gewünscht hatte. Eigentlich wollte man wie in Hessen selbst wählen können: Nehmen wir die SPD oder nehmen wir die Grünen dazu?
Doch diese Wahlfreiheit hat Merz laut vorläufigem Endergebnis nicht: Eine schwarz-grüne Koalition hat keine Mehrheit der Mandate, es läuft wohl doch auf ein Bündnis aus Union und SPD hinaus.
Zweitens: Regieren mit den "Spinnern"
Intern hatte sich die Union verabredet: Wahlkampf ist Wahlkampf, aber ab dem Wahlabend kein schlechtes Wort mehr über die anderen. Der harte Wahlkampf sei "richtig" und "notwendig" gewesen, so Merz. "Aber jetzt werden wir miteinander reden." Also mit denen, die er am Vorabend der Wahl noch als "Spinner" bezeichnet hatte. "Links ist vorbei", hatte er am Freitag gesagt und dass die Union nicht Politik "für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt" machen werde.
Diese markigen Sprüche im Endspurt haben die SPD verletzt. Merz habe damit "die Gräben in der demokratischen Mitte unseres Landes nochmals tiefer" gemacht, so SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil. So spreche nicht ein Kanzler, sondern ein "Mini-Trump". Merz sagte am Wahlabend: Es sei nicht die SPD gemeint gewesen, sondern die Demonstranten draußen, vor allem aus dem Lager der Antifa.
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Inhaltliche Fragen zwischen Union und SPD
So oder so: Merz muss mit einer wunden SPD verhandeln, die das historisch schwächste Ergebnis eingefahren hat. Ob sie überhaupt wieder in eine Regierung oder sich in der Opposition regenerieren will, ist derzeit offen. 2017 hatte es ewig gedauert, bis die SPD dann doch in eine Koalition mit der Union nach dem Platzen von Jamaika gegangen ist.
Dazu kommen die inhaltlichen Fragen, in denen zumindest im Wahlkampf die beiden Parteien weit auseinanderlagen: Merz' Fünf-Punkte-Plan lehnt die SPD ab, für die Union aber Bedingung für eine Koalition. Die höheren Verteidigungsausgaben, die seit Rückzug der USA zu erwarten sind, will die SPD durch ein Aussetzen der Schuldenbremse bezahlen, was die Union bislang ablehnte. Leicht ist eine Koalition also kaum zu haben. "Es sollte sich niemand auf gemütliche Zeiten einstellen", sagte der geschäftsführende Kanzler Olaf Scholz.
Für CSU bleiben die Grünen ein "No-Go"
Für eine schwarz-grüne Koalition reichen die Ergebnisse nicht, CSU-Chef Söder dürfte zufrieden sein. Auch am Wahlabend betonte er noch, eine schwarze-grüne Koalition solle, "wenn es irgendwie geht", vermieden werden:
Mit den Grünen regieren ist ein echtes No-Go.
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Markus Söder, CSU
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: "Das, was für einen Politikwechsel notwendig wäre, geht mit den Grünen nicht." Robert Habeck dagegen zeigte sich offen für eine Koalition: Wenn Kenia, also eine Regierung aus Union, SPD und den Grünen, die einzige Möglichkeit sei, "dann sind wir gesprächsbereit".
Merz will nun erst einmal das endgültige Endergebnis abwarten. "Vorher verbieten sich Spekulationen", sagt er. Das klingt nach: Zeit gewinnen. Doch viel hat er nicht.
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Drittens: Druck von außen und innen
Die außenpolitischen Herausforderungen sind groß: durch die Verhandlungen der USA mit Russland über den Kopf der Ukraine und EU hinweg und den drohenden Rückzug der USA aus der militärischen Unterstützung in der Nato. Die Union plant deswegen, schon bis Ostern einen straffen Koalitionsvertrag fertig zu haben, bis Mai sollte die neue Regierung stehen. "Europa wartet auf Deutschland", glaubt Merz.
Auch schon Zuschnitte von Ministerien und mögliche Namen kursierten. Man konnte zuweilen den Eindruck haben, die Union steht nicht nur in den Startlöchern, sondern ist schon längst losgelaufen. Auch bei der Münchener Sicherheitskonferenz führte Merz schon so viele Gespräche mit internationalen Partner, dass viele vermutlich nicht mehr wussten: Wer ist denn hier der Kanzler, Scholz oder Merz?
Weidel: Merz blockiert echten Regierungswechsel
Und noch eine Herausforderung bleibt: Je länger Merz braucht und je weniger Merz von seinen Versprechen in einer neuen Regierung umsetzen kann, desto lauter wird die AfD. Deren Vorsitzende Alice Weidel ist sich jetzt schon sicher: "Das ganze Ding wird krachend scheitern."
Merz blockiere einen echten Regierungswechsel, weil die Union nicht mit der AfD koalieren wolle. Egal, mit wem er in einer Koalition regiere, es sei eine "schwarze Ampel". Sprich: Besser wird es nicht, vier Jahre werde die Regierung sowieso nicht halten, glaubt Weidel.
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Viertens: Wie verhält sich Söder?
Am Wahlabend stehen sie auf der Bühne und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter: Merz und Söder, CDU und CSU. "Wir stehen weiter an deiner Seite", verspricht Söder. Diesem Frieden kann, muss man aber nicht unbedingt trauen. Söder betont in jedem Interview an diesem Abend, dass die CSU dazugewonnen hat. Dass sie also einen erheblichen Teil zum Wahlsieg der Union beigetragen hat. Das könnte seinen Preis haben.
Quelle: dpa
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