Finanzminister Lindner auf heikler Baltikum-Mission
Höhere Verteidigungsausgaben:Minister Lindner auf heikler Baltikum-Mission
von Britta Buchholz
|
Der Finanzminister besucht Soldaten am Nato-Stützpunkt Rukla. In Litauen soll eine deutsche Brigade stationiert werden – doch es fehlt am Geld. Lässt sich das Baltikum schützen?
Der Bundesfinanzminister sichert den Partnern im Baltikum auch langfristig höhere Unterstützung Deutschlands zu.
Quelle: dpa
Christian Lindner rauscht anderthalb Stunden über die litauische Autobahn an herbstlich bunt gefärbten Mischwäldern vorbei. Sein Ziel ist der Truppenstützpunkt Rukla in Litauen, auch deutsche Soldaten proben dort für den Ernstfall.
Als er ankommt, begrüßt er viele Soldatinnen und Soldaten per Handschlag. Lindner - schwarzer Anzug, weißes Hemd, Trenchcoat - bringt Hoffnungen mit. Denn es geht bei seiner Reise um Signale - und ums Geld.
Unterwegs in Litauen an der Grenze zu Belarus: Wie groß ist die Angst vor den russischen Wagner-Söldnern, die in Belarus stationiert sind?16.08.2023 | 6:23 min
Lindner wird in ein großes, weißes Zelt geführt. Dort erklären sie ihm die Lage vor Ort: Derzeit sind etwa 900 Soldaten aus Deutschland hier stationiert - nachdem Verteidigungsminister Boris Pistorius im Sommer versprochen hatte, 4.000 Soldatinnen und Soldaten nach Litauen zu schicken. Denn der Ernstfall ist nur einen gefühlten Steinwurf entfernt.
Suwalki-Lücke gilt als Europas gefährlichster Ort
Litauen grenzt zum einen an das russische Kaliningrad und an Belarus. Zum anderen an Lettland und Polen. Die untere Grenze zwischen Litauen und Polen ist die sogenannte Suwalki-Lücke. Sie gilt als Europas gefährlichster Ort. Jedem im Raum ist klar, wie schnell diese umrannt werden könnte.
Oberst Klaus-Peter Berger macht deutlich:
Eine Brigade - wie das mit der fehlenden Infrastruktur funktionieren soll, ist ungeklärt. Die Straßen sind holprig, es fehlt an Unterkünften und überhaupt. Lindner verspricht in die ZDF-Kamera:
Schuldenbremse nicht antasten - und zwei Prozent Nato-Ziel
Er will die Schuldenbremse aber nicht antasten - und trotzdem das Zwei-Prozent-Nato-Ziel schaffen. Klar macht er: Andere müssten entsprechend sparen. Aber auch die Bundeswehr soll nicht mehr Geld bekommen im Haushalt. Der Verteidigungsminister hat ein 100 Milliarden Sondervermögen, aber auch das wird schwerlich all die Voraussetzungen der Bundeswehr lösen.
Vor dem Zelt besichtigt der FDP-Minister einen Leopard-Panzer, Haubitzen und anderes schweres Gerät. Seit 28 Stunden ist Lindner auf der Baltikum-Reise - und sein Interesse bricht nicht ab.
Lindner präsentiert einen neuen Vorschlag
Am Morgen spazierte der deutsche Finanzminister bereits mit der litauischen Finanzministerin durch die Altstadt von Vilnius. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz präsentiert Lindner einen neuen Vorschlag: Er will, dass die EU-Länder ihre Verteidigungsausgaben so strecken können, dass sie nicht unter die Schuldengrenze fallen.
Sprich: Wenn beispielsweise Litauen Panzer kauft, dafür neue Schulden aufnimmt und so die Schuldengrenze übersteigt, kann es dies ausgleichen, indem es im darauffolgendem Jahr weniger in Verteidigung investiert. Dafür müssten die EU-Defizitgrenzen neu verhandelt werden.
Litauische Finanzministerin: "Wäre eine Erleichterung"
"Einen pragmatischen Schritt", nennt das Lindner. "Das wäre eine Erleichterung für uns", sagt Gintaré Skaisté, die litauische Finanzministerin. Die Kollegin hört sichtbar gerne, dass Lindner mehrmals versichert, Deutschland stehe an Litauens Seite.
Am Abend zuvor steht Lindner noch mit einer Handvoll Journalisten an einer litauischen Hotelbar. Das Bedrohungsszenario für das Baltikum sei gleichbleibend hoch, sagt er.
Die Heimatliebe im Baltikum ist groß. Doch der Gedanke an eine Wiederholung der russischen Besatzung ist beängstigend, denn ihre Unabhängigkeit möchten sie nicht noch einmal verlieren. 10.08.2023 | 32:52 min
Lindner zeigt: Die EU steht an der Seite des Baltikums
Schon zuvor war Lindner durch Riga spaziert, traf den dortigen Finanzminister. Seit über 20 Jahren habe dies kein deutscher Finanzminister gemacht, der letzte sei Hans Eichel gewesen. Danach reiste Lindner weiter nach Tallin - traf die estnische Ministerpräsidentin und ihren Finanzminister. Ein Speeddating der besonderen Art.
Über der gesamten Reise liegt ein Signal, das er senden will: Die EU steht an der Seite des Baltikums. Deutschland steht an der Seite seiner Soldaten. "Es ist eine Freiheitsinvestition", sagt Lindner. Ein neues Wort. Nun muss er seine Versprechen auch finanzielle Taten folgen lassen.
Britta Buchholz ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.