SPD-Chefin bei "Lanz" zu Migration: Esken widerspricht Gauck

    SPD-Chefin bei "Lanz":Esken widerspricht Gauck bei Migration

    von Pierre Winkler
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    Alt-Bundespräsident Joachim Gauck fordert harte Entscheidungen in der Migrationspolitik. Saskia Esken hält dagegen und beschreibt schwierige deutsche Herausforderungen.

    Markus Lanz vom 21. September 2023: Markus Lanz, Saskia Esken, Christoph Schwennicke, Sabine Fischer
    Zum migrations- u. sozialpolitischen Kurs der Sozialdemokraten, zur Asyl- u. Migrationspolitik der Ampelregierung sowie über den Zustand der russischen Gesellschaft nach 575 Tagen Krieg in der Ukraine21.09.2023 | 75:43 min
    Wie sollte Deutschland auf stetig hohe Flüchtlingszahlen und überforderte Kommunen reagieren? Bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage hat Saskia Esken eine grundlegend andere Meinung als Joachim Gauck. "Ich bin nicht der Auffassung, dass Herr Gauck an der Stelle Recht hat, auch wenn ich ihn an vielen anderen Stellen durchaus schätze. Aber da geht er fehl", sagte die Vorsitzende der SPD am Donnerstagabend bei Markus Lanz.

    Gauck will Wege, die "inhuman klingen" - Esken widerspricht

    Gauck hatte im ZDF gefordert, die Bundesregierung solle "Spielräume entdecken, die uns zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen". Dafür brauche es neue Wege "und nicht nur das Drehen an Stellschrauben, wie es die EU jetzt gerade versucht". Esken erwiderte:

    Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in der Lage sind, jetzt, wo der Schritt gemacht ist, dass die Europäische Union bereit ist, so ein solidarisches und funktionierendes System auch umzusetzen, dass wir es dann auch können.

    Saskia Esken, SPD-Vorsitzende

    Das Europaparlament verhandelt gerade mit EU-Kommission und Europäischem Rat über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das EU-weite Mindeststandards für die Bearbeitung von Asylanträgen festlegen soll. Diese Reform ist nun aber gerade wieder ins Stocken geraten, weil das EU-Parlament die Verhandlungen abgebrochen hat. Grund ist unter anderem eine Verordnung, nach der im Krisenfall die Standards bei der Unterbringung von Asylsuchenden herabgesetzt werden können.

    Esken: "Deutschland übernimmt viel mehr Verantwortung, als es müsste"

    Esken forderte darüber hinaus mehr Engagement von anderen EU-Staaten. Sie wies darauf hin:

    Dass von den Ankommenden in der Europäischen Union derzeit über 30 Prozent nach Deutschland kommen. Das ist Schengen, das nicht funktioniert und Dublin, das nicht funktioniert.

    Saskia Esken, SPD-Vorsitzende

    Deutschland übernehme darum "viel mehr Verantwortung, als es müsste
    Flüchtlinge auf der Insel Lampedusan (Italien), aufgenommen am 18.09.2023
    Um die Flüchtlingswelle in Italien zu entlasten, soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex verstärkt zum Einsatz kommen.18.09.2023 | 2:08 min
    Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf der italienischen Insel Lampedusa sagte Esken: "Die wollen nicht alle zu uns, sondern die werden auch zu uns geführt. Das wissen wir." Die Bilder von vollkommen überfüllten Flüchtlingslagern würden ihr zufolge "nicht ohne Absicht produziert. Die Menschen werden nicht ordentlich registriert, sondern werden direkt durchgeschickt auf den Weg nach Deutschland."
    Um die Situation zu verbessern, habe man sich "gemeinsam mit der Europäischen Union vorgenommen, dass dort der Einsatz von Frontex verstärkt werden soll. Dazu muss Frontex aber auch befähigt werden. Und dann müssen natürlich mehr Boote unterwegs sein."

    Zahl der Abschiebungen gestiegen - auf niedrigem Niveau

    Die Bundesregierung habe "wesentliche Dinge vorangebracht mit der Beschleunigung der Asylverfahren, auch mit der Beschleunigung von Rückführungen". Diese seien im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 Prozent gestiegen.
    Allerdings sei es ein Anstieg "von einem niedrigen Niveau". "Ich kenne die Zahl, aber die müssen wir jetzt hier nicht ausführen", sagte Esken. "Darum kann es jetzt nicht gehen, dass wir diskutieren, wie viele Rückführungen in welchem Bundesland durchgeführt worden sind, mit welchem Erfolg von welcher Ausländerbehörde."
    Tatsächlich waren es in den ersten sechs Monaten des Jahres 7.861 Abschiebungen. Das ging aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Linken hervor.

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