Ex-Innenminister bei "Lanz":Baum: "Systemverächter" unter AfD-Wählern
von Pierre Winkler
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Kalifat-Demos, Antisemitismus, starke AfD: Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sieht die Demokratie von vielen Seiten gefährdet. Viele ließen sich zur Unfreiheit verführen.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 08. November. Rechts Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP).09.11.2023 | 44:52 min
Gerhart Baum zog einen dramatischen Schluss aus den Entwicklungen der vergangenen Monate. Am Mittwochabend sagte er bei Markus Lanz:
Einerseits werde diese Entwicklung befeuert "durch diejenigen, die einfach gleichgültig weitermachen und nicht kämpfen für diese Verfassung".
Andererseits machte der ehemalige Bundesinnenminister angesichts der antisemitischen Demonstrationen seit dem Angriff der Hamas auf Israel eine Gefahr aus, "die ich völlig unterschätzt habe": Ein Teil der Migranten in Deutschland sei "im Grundgesetz nicht angekommen" und habe "den Hass auf Israel mitgebracht".
Baum fordert mehr Ehrlichkeit beim Thema Migration
Gerade beim Thema Migration müsse die deutsche Politik viel mehr betonen, dass es keine einfachen Lösungen gebe und ehrlich zu den Menschen sein. "Da können Sie natürlich sagen: 'Alle müssen raus, die nicht den Aufenthaltsstatus haben.' Rechtlich ja, aber es ist wahnsinnig schwer, das zu machen", sagte der Politiker der FDP.
Von dieser Schwäche profitiere auch die AfD. Allerdings hob Baum hervor:
"Die Vorstellung 'Wir lösen das alles und der Spuk ist vorbei' ist absolut falsch."
Baum beklagt "Systemverächter" und "Freiheitsverächter"
Bei den Wählern der AfD machte Baum noch ganz andere Beweggründe aus. "Es ist eine Strömung der Systemverachtung", sagte er. Viele Menschen, Baum nannte sie auch "Freiheitsverächter", lehnten mittlerweile die "Regeln, nach denen wir leben" und beispielsweise die Meinungsfreiheit ab.
Es sei "erschreckend, wie viele Leute rechtsextrem sind". Die Deutschen hätten eine besondere Verpflichtung, sich von Antisemitismus, Rassismus fernzuhalten, "als einziges Volk auf der Welt."
Es gebe eine "Verführungsmöglichkeit zur Unfreiheit", fuhr Baum fort: "Es gibt Menschen, die sich verführen lassen und die wählen, die ihnen schaden. Also gar nicht bewusst sind, was sie anrichten."
Baum: Höcke wird System aushöhlen
Aus diesem Grund sei auch die AfD in einigen Bundesländern bereits in Umfragen vorne. Was Baum mit "Systemverachtung" meinte, machte er am Beispiel Thüringen deutlich. Dort lag die AfD zuletzt in verschiedenen Umfragen bei mehr als 30 Prozent.
Sollte es der Partei mit Landeschef Björn Höcke gelingen, nach der Landtagswahl im kommenden Jahr eine Regierung anzuführen, sei laut Baum zu erwarten, dass sie das System aushöhlen werde.
"Ich könnte mir in Thüringen zum Beispiel vorstellen: Die schaffen das Gesetz über den Verfassungsschutz ab. Dann werden sie nicht mehr beobachtet", sagte er. Der Thüringer Verfassungsschutz hat den AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Wegen des Vorwurfs der Verwendung von NS-Vokabular muss der Thüringer AfD-Chef vor Gericht. In Halle an der Saale hat das Landgericht die Anklage zugelassen.13.09.2023 | 2:07 min
AfD beeinflusst politischen Alltag
Die AfD sei zwar auf Landesebene an keiner Regierung beteiligt, beeinflusse aber bereits den politischen Alltag: "Auch wenn ihre Anträge nicht durchgehen, haben sie einen gewissen Einfluss auf das Klima, auf die Meinungsbildung."
Auf den "Wir werden sie jagen"-Satz des damaligen AfD-Chefs Alexander Gauland nach dem erstmaligen Einzug der Partei in den Bundestag 2017 angesprochen, zog Baum das Fazit: "So haben wir uns nicht jagen lassen, aber wir sind nicht widerstandsfähig genug."
Quelle: ZDF
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