Landwirtschaft: Bauern ächzen unter Auflagenlast der EU
Kritik im Wahlkampf:Bauern in Hessen ächzen unter Auflagenlast
von Andrea Meuser
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Die deutsche Landwirtschaft soll ökologischer werden und dem Tierwohl mehr Aufmerksamkeit schenken. Auch ein Thema bei Wahl in Hessen. Viele Landwirte haben Kritik und Zweifel.
Am 8. Oktober wird in Hessen gewählt. Ziel aller Parteien im Wahlkampf: mehr Tierwohl. Landwirte befürchten, dass sich die Tierhaltung nicht mehr rechnen wird.18.09.2023 | 2:02 min
Es ist einer der letzten warmen Spätsommertage, die Sonne brennt, die Erde ist trocken und Maximilian Becker sitzt auf seinem Traktor und pflügt den Boden, um ihn für die Weizenaussaat im Herbst vorzubereiten. Becker kennt diese Arbeit seit Kindesbeinen. Denn er ist auf dem 90 Hektar großen Hof in der Wetterau aufgewachsen.
Früher konnte so ein Betrieb zwei oder auch drei Generationen zu ernähren. Heute müssen sein Vater, sein Bruder und er selbst ihren Lebensunterhalt mit anderen Berufen verdienen. Den Hof betreiben sie als Nebenerwerbslandwirte.
Beim Bauerntag in Münster stand das Tierwohl auf der Tagesordnung.28.06.2023 | 1:46 min
Tierwohl soll künftig mehr im Fokus stehen. Landwirte fragen sich: Wer soll das bezahlen?
EU-Vorgabe zu Flächenstilllegung löst Unmut aus
Als eines der maßgeblichen Probleme sieht Becker die fehlende Planungssicherheit. Ständig änderten sich Auflagen, ständig nehme der bürokratische Aufwand zu. Und auch die Auflagen zur Reduzierung von Pflanzenschutzmittel und dem Einsatz von Dünger würden ständig verschärft. Seine Familie wage nicht mehr, langfristige Investitionen in Angriff zu nehmen, denn was heute beschlossen werde, könne in einem Jahr schon wieder hinfällig sein, so Becker.
Und es gibt noch einen Punkt, der seinen Unmut erregt. Die von der EU angestrebten Flächenstilllegungen: Allein im nächsten Jahr müssen einer EU-Vorgabe folgend vier Prozent der Ackerfläche stillgelegt werden.
Für Becker ein nicht zu verstehender Vorstoß. Er kann nicht nachvollziehen, dass gerade in Zeiten, in denen der Ukraine-Krieg die Notwendigkeit sicherer Lebensmittelproduktion so eindringlich deutlich mache, Millionen Hektar fruchtbaren Ackerlandes stillgelegt werden sollen.
Der Bauernverband äußerte sich besorgt über die Erntebilanz 2023:
FDP und AfD in Hessen gegen Reglementierung aus Brüssel
Auch im Vorfeld der Landtagswahl in Hessen sind die EU-Pläne für die Landwirtschaft für die Parteien ein Thema. Die Flächenstilllegungspläne sind einer der Punkte, auf die sich die Hauptkritik der hessischen AfD beim Thema Landwirtschaft richtet, beschreibt Spitzenkandidat Robert Lombrou die Position seiner Partei. Denn die Reglementierung führe absehbar zu einem Einbruch in der Lebensmittelproduktion. Die AfD aber wolle, dass Deutschland sich selbst versorgen könne. Ziel sei es, das Höfesterben zu beenden.
Auch Stefan Naas, Spitzenkandidat der hessischen FDP, fordert, dass Bauern freier agieren dürfen, denn sie wüssten, was für ihre Höfe am besten sei. Da wolle die FDP ihnen mehr Freiheit lassen. Seine Parteilinie: weniger Bevormundung, viele Förderprogramme, mehr Entscheidungsfreiheit. Außerdem plädiert die hessische FDP für ein eigenes Landwirtschaftsministerium.
Linke will ökologischere Landwirtschaft
Ganz anders die Position der Spitzenkandidatin der hessischen Linken. Elisabeth Kula will die Landwirtschaft noch ökologischer machen, es soll weniger Massentierhaltung betrieben werden. Daher sei es notwendig, Unterstützung für kleinbäuerliche Strukturen zu leisten. Zum Beispiel durch höhere Erzeugerpreise. Eines der erklärten Ziele ihrer Partei sei, dem stetigen Steigen der Bodenpreise einen Riegel vorzuschieben.
Am 8. Oktober wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt:
Landwirt: Tierhaltung bald nicht mehr wirtschaftlich
Maximilian Becker verdient sein Geld als Gutsverwalter auf dem Hofgut Marienhof. Auf dem Hof werden Puten gezüchtet. Zurzeit leben hier mehr als 5.000 ausschließlich weibliche Tiere. Schon heute gelten in den Ställen höhere Standards als gesetzlich vorgeschrieben, überall liegen Strohballen, auf die die Tiere klettern können, an Futterstellen können sie sich selbst versorgen, die Tränken sind frei zugänglich.
Werden die Pläne der Bundesregierung zum verbesserten Tierwohl Wirklichkeit, muss der Bestand der Tiere um 20 Prozent reduziert werden. Tierhaltung sei dann nicht mehr wirtschaftlich, sagt Becker. Denn Fixkosten wie Pflege, Renovierung und Unterhalt der Gebäude und auch die Lohnkosten blieben die gleichen. Und eine 20-prozentige Preissteigerung an den Verbraucher weiterzureichen, gebe der Markt nicht hier.
Auf dem Hof würden sie die Tierhaltung aufgeben und dann, so sagt er, sei die Konsequenz, dass das Fleisch in Zukunft aus Polen komme. Bei der Schweine- und der Kuhhaltung habe man das Höfesterben ja schon erlebt.
"Was wichtig ist, ist die Tierhaltung zu sichern und Tierwohl in die Ställe zu bringen, das muss finanziert werden, das schaffen unsere Tierhalter nicht allein", so Joachim Rukwied, Präsident Deutscher Bauernverband.28.06.2023 | 5:49 min
Joachim Rukwied, Präsident Deutscher Bauernverband, erklärt, dass Landwirte Tierwohl und Tierhaltung nicht alleine schaffen könnten:
"Schützen Natur aus Eigeninteresse"
Becker betont, dass er nicht grundsätzlich gegen Umweltschutzmaßnahmen und auch nicht gegen die Umsetzung von Maßnahmen zu mehr Tierwohl sei. Aber er sagt auch: "Wir sind 365 Tage im Jahr auf dem Feld und bei unseren Tieren."
"Auskömmlich und aus eigener Kraft", fügt er hinzu.
Andrea Meuser ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Hessen.
Die Hessen wählen am 8. Oktober einen neuen Landtag. Welche Positionen haben die CDU mit Ministerpräsident Rhein und die SPD mit Konkurrentin Faeser? Wie passen die zu Ihnen?