Analyse
NRW-Ministerpräsident:Wüst in USA: Auf Werbetour für NRW und sich
Krawatte an - es wird ernst: Politik, Krisen. Krawatte aus - es wird locker: Fußball, Hollywood. Hendrik Wüst ist unterwegs an der US-Westküste. Mal mit Krawatte. Mal ohne.
Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident, hält auf seiner USA-Reise eine Rede in San Francisco. Er wirbt dort für den Wirtschaftsstandort NRW.
Quelle: dpa
Wenn es bei dieser Reise auch darum geht, Flexibilität und Format zu beweisen, bietet sich die Chance schon kurz nach Ankunft in Los Angeles. Hendrik Wüst verurteilt den Angriff des Iran, sichert Israel Unterstützung zu.
Dann löst er den Krawattenknoten und gratuliert
Bayer Leverkusen als sportlicher Landesvater zur deutschen Fußballmeisterschaft. Ein Rundumschlag in drei Minuten, Weltpolitik einordnen, aber Heimat nicht vergessen. Hendrik Wüst ist unterwegs.
Wüsts Werben bei IT-Konzernen und Hollywood
Aber wohin eigentlich genau? Ist hier einer auf Reisen, der seine außenpolitische Tauglichkeit nachweisen will? Seine Eignung für Größeres? Politische Gespräche stehen nicht auf dem Reiseplan.
Wüst tritt als Werber für
NRW auf, der Hightech-Konzernen und Hollywood-Produzenten den heimatlichen Standort anpreist. Und doch streut er Seitenhiebe Richtung Berlin ein. Die Frage, ob der Ministerpräsident die
CDU-Kanzlerkandidatur im Kopf hat, muss nicht ausgesprochen werden, um präsent zu sein.
Die Zeichen sprechen für
Friedrich Merz, aber Wüst sendet Bilder nach Hause, die ihn als moderne Alternative erscheinen lassen könnten. Mit sicherem Englisch, freundlichem Auftreten, an Zukunftsthemen interessiert.
Hendrik Wüst führt die schwarz-grüne Regierungskoalition in NRW an. Cherno Jobatey hat den Ministerpräsidenten im Münsterland besucht. 18.09.2023 | 4:47 min
Amelie Schoenenwald als erste deutsche Frau im All?
Eines davon:
Raumfahrt. Im "Jet Propulsion Laboratory", wo für NASA-Missionen an Raumfahrzeugen geschraubt wird, spricht Wüst von der Faszination
Weltall, wenngleich er als Kind eher Lokführer als Astronaut habe werden wollen. Der Ministerpräsident weist darauf hin, dass alle europäischen Astronauten ihre Ausbildung in NRW durchlaufen.
Eine Kandidatin hat er mitgebracht, die Reserveastronautin Amelie Schoenenwald. Die Bio-Chemikerin hofft, dass sie den Zusatz "Reserve" ablegen kann und in absehbarer Zeit Missionsmitglied wird. Wüst sagt, die Bundesregierung habe es versäumt, eine eigene Mission aufzusetzen. Dann wären Schoenenwalds Karten, als erste deutsche Frau ins All zu fliegen, besser gewesen. "Ich werbe dafür, dass die Bundesregierung nachlegt und das ermöglicht," sagt Wüst. Mit freundlichem Gruß nach Berlin.
Zeitenwende in der Rüstungsindustrie
Auch an anderer Stelle ein Seitenhieb. Er unterstütze die vom
Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende, aber die sei doch "irgendwie eingeschlafen", bemängelt der Nordrhein-Westfale.
Auf dieser Reise will Wüst beweisen, wie Zeitenwende wirklich geht. So führt er seine Delegation in die Waffenschmiede "Northrop Grumann". Unter kalifornischer Sonne ist zu besichtigen, was bald im niederrheinischen Weeze gefertigt werden soll: der
Mittelrumpf des ultramodernen Kampfjets F35.
Ingenieure von Rheinmetall sind zur Schulung da. Das freut den Ministerpräsidenten. Mehr noch dürfte ihn freuen, dass Rheinmetall-Manager Mike Schmidt das Wüstˋsche "Leadership" anpreist, das viel Entschlossenheit und Tempo gebracht habe.
Unternehmen wie Rheinmetall und Renk wollen mehr Waffen für die Ukraine und die Bundeswehr produzieren. Doch viele Gelder aus den Töpfen der Bundesregierung fließen in die USA. 22.02.2024 | 1:36 min
Strukturkwandel in NRW: "Von der Kohle zur KI"
Los Angeles, San Francisco, Seattle: Hollywood,
Google,
Microsoft. Überall wird dem Ministerpräsidenten bescheinigt wie attraktiv seine Heimat für Investoren sei. Für warme Worte kann man sich nichts kaufen. Wüst weiß, dass er liefern muss. Nordrhein-Westfalens Reise durch den Strukturwandel, den die Staatskanzlei gern mit "von der Kohle zur
KI" überschreibt, hat erst begonnen.
Aber wird Hendrik Wüst Nordrhein-Westfalens Reiseleiter bleiben? Dass er schon bei den anstehenden Wahlen alles auf die Karte Kanzlerkandidatur setzt, halten viele für unwahrscheinlich, ausgeschlossen ist es nicht. Auch diese Reise durch die
USA bringt keine Antwort auf die Frage, was Hendrik Wüst mal werden will. Nur was er mal werden wollte, ist jetzt bekannt: Lokführer, nicht Astronaut.
Normen Odenthal ist Leiter des ZDF-Studios in Nordrhein-Westfalen und begleitet die USA-Reise von Ministerpräsident Wüst.