Chance oder Gefahr? Was Schulen und Unis zu ChatGPT sagen

    Chance oder Gefahr für Lehre?:Was Schulen und Unis zu ChatGPT sagen

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    ChatGPT kann Texte und Aufsätze schreiben - und wird zum Debattenthema unter Lehrkräften. Denn die Auswirkungen des Chatbots auf Schulen und Unis sind noch nicht zu überblicken.

    Archiv: Studenten nehmen am 13.10.2014 in Heidelberg in einem Hörsaal der Universität an einer Erstsemester-Veranstaltung teil.
    Studierende an der Universität in Heidelberg.
    Quelle: dpa

    Ist ChatGPT eine Gefahr für Lehre und Unterricht in Deutschland? In den sozialen Netzwerken gibt es darüber seit Tagen eine Debatte. Manche Beobachterinnen und Beobachter kommen zu dem Schluss: Die Künstliche Intelligenz (KI), die Aufsätze und Artikel zu allen möglichen Themen erzeugen kann, könnte dafür sorgen, dass Studierende an Unis und Jugendliche an Schulen künftig auf ChatGPT statt Eigenleistung setzen.
    Wenn man den Chatbot bittet, zu erklären, vor welche Probleme ChatGPT Schulen und Universitäten stellt, antwortet er - durchaus "selbstkritisch":

    "In Schulen und Universitäten könnte ChatGPT einige Herausforderungen darstellen, wenn es darum geht, sicherzustellen, dass Schüler und Studenten tatsächlich verstehen, was sie lernen, anstatt sich auf ChatGPT zu verlassen, um ihnen die Antworten zu liefern. Es besteht die Gefahr, dass Schüler und Studenten ChatGPT als einfache Quelle zur Beantwortung von Fragen und zum Abschließen von Hausaufgaben und Tests nutzen, anstatt sich tatsächlich mit dem Material auseinanderzusetzen und es zu verstehen.

    Ein weiteres Problem könnte sein, dass ChatGPT möglicherweise nicht in der Lage ist, komplexe Fragen oder Probleme zu beantworten, die über das hinausgehen, was in seiner Textdatenbank enthalten ist. Dies könnte dazu führen, dass Schüler und Studenten sich auf unvollständige oder inkorrekte Informationen verlassen, was ihr Lernen und ihre Leistungen beeinträchtigen könnte.

    Insgesamt stellen Chatbots wie ChatGPT eine interessante Möglichkeit dar, um Schülern und Studenten beim Lernen zu helfen, aber es ist wichtig, dass sie richtig eingesetzt werden und dass Schüler und Studenten darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie nicht als Ersatz für das eigene Lernen und Verstehen von Material dienen sollten."

    Das sagen Lehrer- und Hochschulverband zu ChatGPT

    Aufmerksam beobachten Lehrer- und Hochschulverbände die aktuelle Debatte. Bisher sei es aber schwer einzuschätzen, "welche Veränderungen damit für die  Lehr-, Lern- und Prüfungskultur an deutschen Schulen und Hochschulen einhergehen", erklärt Matthias Jaroch, Sprecher des Deutschen Hochschulverbands.
    "Eine durchaus berechtigte Sorge ist, dass es zusehends schwieriger werden könnte, die Vortäuschung eigenständiger Erkenntnisleistungen zum Beispiel in Hausarbeiten zu erkennen", so Jaroch. Der Grund sei: Fortlaufend optimierte KI-Tools könnten bald anspruchsvolle Texte schaffen, die faktisch und juristisch nicht als Plagiate zu erkennen seien.
    Dennoch gibt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, zu verstehen: "Sorgen macht uns als Lehrerverband ChatGPT nicht." Denn Schülerinnen und Schüler hätten schon lange die Möglichkeit, bei Aufgaben, Übersetzungen, Aufsätzen oder Hausaufgaben, sich Hilfen von außen aus dem Internet zu holen.

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    Die Grenzen der KI

    Noch ist eine gute Hausarbeit für viele Lehrende durchaus von einem Ergebnis von ChatGPT zu unterscheiden: Denn oft sind die Antworten des Bots oberflächlich und wenig komplex. Gleichzeitig fällt es auf, wenn sich die Texte von Schülerinnen, Schülern und Studierenden stark ähneln, weil sie den Bot mit ähnlichen oder gar gleichen Fragen füttern.

    ChatGPT ist ein sogenannter Chatbot. Die künstliche Intelligenz ging Ende November als kostenlose Version an den Start und ist in der Lage, Gespräche zu führen und Fragen zu beantworten, indem es auf digitale Datenbanken zurückgreift. Entwickelt wurde es vom Unternehmen Open AI - zu dessen größten Geldgebern Elon Musk und Microsoft zählen.

    "Lehrkräfte berichten, dass es meist schnell auffällt, ob jemand Aufgaben selbstständig gelöst hat, die genauen Quellen seiner Recherchen angeben kann oder ob er eben Unverdautes von sich gibt", sagt Meidinger.

    Entscheidend bei Bildungsprozessen, bei der Kompetenzvermittlung und Wissensaneignung wird auch in Zukunft sein, inwieweit der Lernende die Sachverhalte selbst verstanden hat. ChatGPT ersetzt diesen Prozess nicht, kann allerdings dabei unter Umständen assistieren.

    Heinz-Peter Meidinger, Deutscher Lehreverband

    Prof. Robert Lepenies | Wirtschaftswissenschaftler, Karlshochschule
    "Wir brauchen auf jeden Fall weiter alte Kulturtechniken wie Schreiben. Wir können das nicht einfach an eine KI auslagern", sagt Wirtschaftswissenschaftler Prof. Robert Lepenies.24.01.2023 | 4:03 min

    KI als Chance im Unterricht

    Bisher greift ChatGPT "nur" auf Daten bis 2021 zurück und befindet sich noch in einer Art kostenlosen Testphase. Doch die KI entwickelt sich stetig weiter. "Der weitere Blick in die Zukunft fällt schwer, weil kein Ende der Entwicklung erkennbar ist", heißt es in einem aktuellen Gastbeitrag, den Doris Weßels, Margret Mundorf und Nicolaus Wilder für das Hochschulforum Digitalisierung verfasst haben.
    Klar ist aber: Abseits der Bedenken bietet ChatGPT auch Chancen - als Recherchetool und Forschungsgegenstand gleichzeitig. So könnte man Schülerinnen und Schüler damit beibringen, "systematische Quellenkritik einzuüben und zu erlernen", so Meidinger.

    Ein Problem bei ChatGPT besteht ja auch darin, dass das System immer wieder Fakenews und Falschaussagen unter die Mehrzahl der belastbaren Fakten mischt.

    Heinz-Peter Meidinger, Deutscher Lehrerverband

    Das Bildungssystem ist gefordert

    Mit Blick auf das Bildungssystem stellen sich die Expertinnen und Experten daher die Frage, wie man Werkzeuge wie ChatGPT besser in Unterricht und Lehre einbinden kann - und welche Kompetenzen Studierende, Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrkräfte dafür zwingend benötigen.

    Zu nennen wären hier zum Beispiel die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten, Textmusterwissen etc., insbesondere aber analytisches und kritisches Denken, um automatisierte Produkte zu bewerten und ihre Nutzung zu steuern.

    Doris Weßels, Margret Mundorf und Nicolaus Wilder

    Hinzu kommt die Frage, wie man eine Leistung bewerten soll, die mithilfe von KI entstanden ist. Zu all diesen Aspekten müssten sich die zuständigen Institutionen Antworten überlegen.
    Doch wird ein Bildungssystem, das in Sachen Digitalisierung weit hinterherhinkt, überhaupt eine schnelle Antwort im Umgang mit Künstlicher Intelligenz in Schulen und Unis finden können?