Bundestagswahl-Analyse: Warum Deutschland so gewählt hat
Analyse
Wahlanalyse zur Bundestagswahl:Warum Deutschland so gewählt hat
von Forschungsgruppe Wahlen
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Nach dem Ampel-Desaster hat die Union trotz schwachem Kandidaten das beste Gesamtpaket. Die AfD bleibt ohne Machtoption: die Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zur Bundestagswahl.
Bei sehr hoher Beteiligung an der 21. Wahl zum Deutschen Bundestag wird die CDU/CSU zum 17. Mal stärkste Partei. Die SPD fällt auf ihr schlechtestes Ergebnis im Bund, die Grünen verlieren und die FDP bricht heftig ein. Die AfD erzielt ein Rekordergebnis, die Linke legt klar zu und das BSW schafft auf Anhieb viel Zuspruch.
Wahlergebnis: Ampel-Frust und historisch schwacher Kanzler
Hauptgründe für das SPD-Fiasko sind ein historisch schwacher Kanzler, Defizite bei den Top-Themen Wirtschaft und Migration und die miserable Bilanz der rot-grün-gelben Bundesregierung. Vom Ampel-Frust profitieren die anderen Parteien.
Die Union gewinnt laut Hochrechnung die Bundestagswahl, die AfD wird zweitstärkste Kraft. Die SPD schneidet historisch schlecht ab. 23.02.2025 | 120:04 min
Die Basis für den CDU/CSU-Wahlsieg legen mehr denn je ältere Menschen, inhaltlich punktet die Union mit ökonomischem Sachverstand und Zukunftskompetenz. CDU/CSU-Spitzenkandidat Friedrich Merz überzeugt nur bedingt, hat aber im Kanzlerkandidaten-Quartett dank noch schwächerer Konkurrenz einen relativen Vorteil.
Kanzlerkandidaten: Merz mit relativem Vorteil
Quelle: FGW
Vor die Wahl gestellt zwischen den Kandidaten von SPD, CDU/CSU, Grünen und AfD sind nur 19 Prozent der Befragten für Olaf Scholz als Bundeskanzler, 34 Prozent bevorzugen Friedrich Merz, 18 Prozent Robert Habeck und 18 Prozent Alice Weidel. Obwohl das Ansehen von Scholz so gering ist wie bei keinem Kanzler zuvor (+5/-5-Skala: minus 0,5; 2021: 1,4), kann sich Merz (0,0) hier nicht wirklich absetzen, auch weil er massiv zwischen Jung und Alt polarisiert.
Wenn es um die Eignung als Regierungschef geht, sind die Zweifel bei Merz zwar geringer als bei Scholz, Habeck oder Weidel. Dass Merz als Kanzler seine Sache besser machen würde als Scholz, glauben aber nur 37 Prozent (schlechter: 27 Prozent; gleich: 31 Prozent).
Quelle: FGW
Problembereiche: Migration und Wirtschaft
Bei den Inhalten kann die CDU/CSU am ehesten ökonomisch überzeugen: In einem Umfeld, in dem die Wirtschaft auf Talfahrt und Deutschlands Zukunftsvorbereitung so schlecht wie nie gesehen wird, setzen bei "Wirtschaft" und "Zukunft" die meisten auf die Politik der Union. 48 Prozent meinen, dass sich die Wirtschaftslage mit einer CDU/CSU-geführten Regierung verbessern würde.
Dass durch sie dann auch die Probleme im Bereich "Flüchtlinge und Asyl" besser gelöst würden, glauben nur 40 Prozent. Bei den Parteikompetenzen in diesem Bereich liegt die CDU/CSU nur relativ knapp vor der AfD (26 bzw. 21 Prozent).
Quelle: FGW
AfD-Erfolg: Mehr Überzeugung, weniger Protest
Gewählt wird die AfD für 68 Prozent ihrer Anhänger wegen der "politischen Forderungen der AfD" und nur für 29 Prozent "als Denkzettel". Häufiger flankiert vom Gefühl der Benachteiligung heißt das wichtigste Wahlmotiv im AfD-Lager "Flüchtlinge und Asyl" - in einem Land, das nach Ansicht von 62 Prozent aller Deutschen (AfD-Anhänger: 92 Prozent) die "vielen Flüchtlinge nicht mehr verkraften" kann.
Der Regierungsauftrag sei in der deutschen Verfassung nicht vorgesehen, so Politologe Korte. Den Sturz der Regierung nennt er eine "Steilvorlage für alle Oppositionsparteien".23.02.2025 | 2:16 min
Wahlmotive: Sicherheitslage, Wirtschaft und Soziales
Für die eigene Wahlentscheidung war "Flüchtlinge und Asyl" in der Gesamtheit zwar wichtiger als "Rente" oder "Klimaschutz" (28, 22 bzw. 20 Prozent), noch mehr Relevanz hatten aber "Frieden und Sicherheit", "Wirtschaft" und "Soziale Gerechtigkeit" (51, 40 bzw. 34 Prozent).
Quelle: FGW
Während die SPD in ihrer Domäne Soziale Gerechtigkeit viel Vertrauen verliert, legt die Linke hier klar zu; für 42 Prozent ist die Linke "die einzige Partei, die wirklich Politik für Menschen mit geringem Einkommen macht".
Parteiimages: Einbruch der Ampel-Parteien
Beim Parteiansehen wird die Linke (minus 1,1; 2021: minus 1,3) kritisch, aber weniger negativ als das BSW (minus 1,6) gesehen. Bei den Parteikompetenzen wird das BSW kaum sichtbar, gewählt wird es nach Meinung der Befragten primär aus Protest. Noch schlechter ist das AfD-Image, wobei die Distanz hier gesunken ist (minus 2,4; 2021: minus 3,1).
Das CDU/CSU-Ansehen ist stabil (0,7; 2021: 0,7), SPD (0,3; 2021: 1,3) und Grüne (minus 0,7; 2021: 0,4) verlieren stark. Den heftigsten Imageeinbruch hat aber die FDP (minus 1,0; 2021: 0,3), die für 44 Prozent "hauptsächlich Schuld am Scheitern der Ampel" ist.
Wer wählte wen: Altersgefälle und Gender-Gap
Zur starken Polarisierung bei den Kandidaten und bei vielen Themen kommen massive Unterschiede im Wahlverhalten nach Alter, Geschlecht oder Wohnort. In der Generation 60+ wählen 38 Prozent CDU/CSU und 23 Prozent SPD, bei den unter 30-Jährigen sind es gerade noch 13 bzw. elf Prozent. Nach einem spektakulären Plus stärkste Partei wird in der Gruppe U30 mit 24 Prozent die Linke, die AfD schafft 21 Prozent, die Grünen kommen hier nur noch auf zwölf Prozent.
Quelle: FGW
Nachdem die CDU/CSU bei Männern stärker zulegt als bei Frauen, erzielt sie bei Männern 29 Prozent und bei Frauen 27 Prozent. Noch deutlicher ist das Gender-Gap bei der AfD (23 bzw. 17 Prozent), die besonders viele Männer mittleren Alters rekrutiert. SPD und Linke sind bei Frauen erfolgreicher als bei Männern (SPD: 18 bzw. 15 Prozent; Linke elf bzw. sieben Prozent).
In Städten mit über 100.000 Einwohnern ist neben den Grünen jetzt auch die Linke überproportional stark. CDU/CSU und AfD haben in Großstädten ihre bekannten Defizite, in kleineren Städten liegen beide Parteien über ihrem Gesamtergebnis.
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Bundesregierung: AfD-Beteiligung ohne Mehrwert
Was die nächste Koalition betrifft, überwiegen durchweg die Vorbehalte. Am geringsten ist die Distanz gegenüber einer Koalition aus Union und SPD (gut/schlecht/egal: 38/47/12 Prozent). Noch weniger Zustimmung gibt es zu Schwarz-Grün und zu allen Dreierbündnissen.
Quelle: FGW
Eine Koalition der CDU/CSU mit der AfD wird klar abgelehnt (gut/schlecht/egal: 20/74/vier Prozent). Dabei gilt die AfD, in der 69 Prozent der Befragten eine Gefahr für unsere Demokratie sehen, auch qualitativ nicht als Alternative: Trotz Ampel-Desaster und Unions-Defiziten glaubt nur ein Viertel der Deutschen, dass ein Mitregieren der AfD zu besserer Politik führen würde.
Die Zahlen basieren auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.520 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl (telefonisch/online) sowie auf der Befragung von 49.469 Wähler*innen am Wahltag.
Quelle: dpa
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