Bundesverfassungsgericht: neues BKA-Gesetz rechtswiedrig?

    Bundesverfassungsgericht:Urteil BKA-Gesetz: Datenschutz-Verstoß?

    von Jan Henrich, Alexandra Tadey
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    2017 wurde das BKA-Gesetz reformiert und damit vernetzte Polizeidatenbanken ermöglicht. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Regelung rechtmäßig ist.

    BKA-Gesetz
    Das Bundesverfassungsgericht wird heute sein Urteil zu einer Verfassungsklage gegen das sogenannte BKA-Gesetz verkünden. Dabei geht es um Polizei-Befugnisse im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus.01.10.2024 | 2:10 min
    Ungewöhnlich lange hat sich das Bundesverfassungsgericht für die Entscheidungsfindung Zeit gelassen. Bereits im Dezember vergangenen Jahres wurde in Karlsruhe in dem Verfahren zum "Bundeskriminalamtgesetz" verhandelt. Nun wollen die Richterinnen und Richter ihr Urteil verkünden und werden voraussichtlich ein weiteres Mal Grundsätze aufstellen, wie weit Sicherheitsbehörden in die Datenschutzgrundrechte der Bürger eingreifen dürfen. Im Fokus steht dabei eine gesetzliche Regelung, die es dem Bundeskriminalamt erlaubt, umfassende Datenbanken anzulegen.

    Verfassungsbeschwerde unter anderem von Fußballfans

    Unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte hatten fünf Einzelpersonen gegen die Regelung geklagt, darunter Stephanie Dilba. Sie ist aktiv in der Fanszene des TSV 1860 München, unter anderem in Gewaltpräventionsprojekten. Durch ihren Kontakt zu gewaltbereiten Fans fürchtet sie selbst ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten und möglicherweise Ziel polizeilicher Maßnahmen zu werden, sobald ihr Name in einer Datenbank auftaucht.
    Die Richter und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts.
    Über die Frage, wie weit das Bundeskriminalamt bei der Überwachung von Bürgern und dem Umgang mit ihren Daten gehen darf, hat am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht verhandelt.20.12.2023 | 2:30 min

    Mich stört insbesondere die Intransparenz. Welche Daten werden wie lange gespeichert?

    Stephanie Dilba, Klägerin vor dem Bundesverfassungsgericht

    Dilba wünscht sich klarere Regeln, in welchem Umfang und mit welcher Dauer Sicherheitsbehörden Informationen speichern dürfen.

    Braucht es konkretere Regeln zum Umgang mit Daten?

    Hintergrund ist eine 2017 beschlossene Reform des BKA-Gesetzes mit der auch die gesetzliche Grundlage für eine neue Daten-Architektur der Sicherheitsbehörden in Deutschland geschaffen wurde. Das Bundeskriminalamt ist demnach zuständig für den Aufbau einer gemeinsamen Datenplattform von Bund und Ländern. Sie soll den Austausch über Informationen erleichtern, die einzelne Polizeibehörden rechtmäßig im Rahmen ihrer Ermittlungen einmal erhoben haben.
    Ein Schild am Platz des Bundesverfassungsgerichts zeigt den Bundesadler in Schwarz, umrahmt von den Farben Schwarz-Rot-Gold der Bundesrepublik Deutschland.
    2017 wurde das BKA-Gesetz reformiert und damit vernetzte Polizeidatenbanken ermöglicht. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Regelung rechtmäßig ist. 01.10.2024 | 2:10 min
    Darin können unter anderem Daten über verurteilte Straftäter oder Personenfahndungen gespeichert und weiterverarbeitet werden. Allerdings werden auch Informationen von Personen vorgehalten, die lediglich Beschuldigte in einem Strafverfahren oder "sonstige Anlasspersonen" sind. Zu wage und zu unverständlich ist die Regelung aus Sicht der Kläger, sie fordern Nachbesserung.

    Überwachung von Kontaktpersonen zur Terrorabwehr

    Im Fokus steht zudem eine Regelung mit Überwachungsbefugnissen zur Terrorabwehr. Nach dem Gesetz dürfen demnach nicht nur mögliche "Zielpersonen" überwacht werden, sondern auch deren "Kontaktpersonen", solange die Verbindung "nicht nur flüchtig ist".

    Die Definition, wer Zielperson sein kann, ist zu weit gefasst.

    Bijan Moini, Gesellschaft für Freiheitsrechte

    Polizisten bei Durchsuchungen, aufgenommen am 05.07.2022 in Osnabrück
    Die Zahl der bundesweit registrierten Straftaten ist 2023 erneut gestiegen. Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt allerdings auch nur einen Teil der Realität.09.04.2024 | 2:52 min
    Aus Sicht der Gesellschaft für Freiheitsrechte ist der Begriff "Zielperson" dabei so vage gehalten, dass eine unüberschaubare Anzahl von Menschen auf Grundlage des Gesetzes überwacht werden könnten.

    Polizeigewerkschaft fordert weitergehende Maßnahmen

    In der mündlichen Verhandlung verteidigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser beide Befugnisse. Gerade beim Thema Terrorabwehr sei Deutschland derzeit häufig auf Hinweise ausländischer Sicherheitsbehörden angewiesen. Es brauche entsprechende Befugnisse, um handlungsfähig zu sein.

    Zunehmende Gewalt
    :BKA verstärkt Schutz für Spitzenpolitiker

    Das Bundeskriminalamt will die Zahl seiner Personenschützer deutlich aufstocken. BKA-Präsident Holger Münch sieht wachsende Gefahren für deutsche Politiker im In- und Ausland.
    Vizekanzler Habeck in Begleitung von Personenschützern des Bundeskriminalamts in Thessaloniki.
    mit Video
    Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mahnt vor zu hohen Hürden für Sicherheitsbehörden. Man habe das Gefühl, dass der Datenschutz in Deutschland eine höhere Bedeutung als die Sicherheit hätte, sagt Alexander Poitz, stellvertretender Vorsitzender der GdP gegenüber dem ZDF. Das erschwere die Arbeit der Polizei.

    Wir müssen hier endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Dafür brauchen wir auch moderne Ermittlungsinstrumente.

    Alexander Poitz, stellvertretender Vorsitzender der GdP

    Es sind grundsätzliche Fragen, die die Richterinnen und Richter in Karlsruhe klären müssen. Wie viele Daten darf die Polizei zusammentragen, wie transparent muss sie dabei vorgehen. Am Ende wird es vermutlich eine Abwägung zwischen Sicherheitsauftrag des Staates und dem Schutz individueller Freiheitsrechte.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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