Bundesverfassungsgericht: BKA-Gesetz teils verfassungswidrig

    Bundesverfassungsgericht:BKA-Gesetz: Strengere Regeln für Überwachung

    von Jan Henrich, Alexandra Tadey
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    2016 hatte das Bundesverfassungsgericht Schranken für die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts aufgestellt. Jetzt steht fest: Die Nachbesserungen waren nicht ausreichend.

    01.10.2024, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, (l-r) Miriam Meßling, Heinrich Amadeus Wolff, Josef Christ, Ines Härtel, Stephan Harbarth (Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Yvonne Ott, Henning Radtke und Martin Eifert, verkündet das Urteil zum «Bundeskriminalamtgesetz - Datenplattformen».
    Das Bundesverfassungsgericht hat das BKA-Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Konkret geht es um die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen. 01.10.2024 | 1:22 min
    Erneut ging es in Karlsruhe um die Abwägung zwischen dem Sicherheitsauftrag des Staates und dem Schutz der Freiheitsrechte des Einzelnen. Es wurde klar: Der Staat darf grundsätzlich überwachen. Die derzeitigen Regeln dazu müssen aber nachgeschärft werden.
    Konkret ging es um zwei Befugnisse der Sicherheitsbehörden:
    • Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten durch das BKA und die Polizei
    • Heimliche Überwachung der Kontaktpersonen von Verdächtigen
    Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, (l-r) Ines Härtel, Stephan Harbarth (Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Yvonne Ott, verkündet das Urteil zum «Bundeskriminalamtgesetz - Datenplattformen».
    Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das 2017 reformierte Bundeskriminalamt-Gesetz ermöglichte eine zu weitgehende Überwachung von Kontaktpersonen.01.10.2024 | 1:20 min

    Verfassungsbeschwerde unter anderem von Fußballfans

    Unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatten fünf Einzelpersonen gegen die Regelung geklagt, darunter Stephanie Dilba. Sie ist aktiv in der Fanszene des TSV 1860 München, unter anderem in Gewaltpräventionsprojekten. Durch ihren Kontakt zu gewaltbereiten Fans fürchtet sie selbst ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten und möglicherweise Ziel polizeilicher Maßnahmen zu werden, sobald ihr Name in einer Datenbank auftaucht. Gestört hat sie insbesondere die Intransparenz und, dass nicht klar war, welche Daten wie lange gespeichert werden.

    Es ist einfach so ein Unsicherheitsgefühl, wenn man nicht weiß, was passiert mit meinen Daten, wer hat da Zugriff drauf.

    Stephanie Dilba, Klägerin vor dem Bundesverfassungsgericht

    Über das Urteil heute ist sie sichtlich erleichtert und froh: "Mein Gerechtigkeitsgefühl hat gestimmt."
    Ein Schild am Platz des Bundesverfassungsgerichts zeigt den Bundesadler in Schwarz, umrahmt von den Farben Schwarz-Rot-Gold der Bundesrepublik Deutschland.
    2016 hatte das Bundesverfassungsgericht Schranken für die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts aufgestellt. Jetzt steht fest: Die Nachbesserungen waren nicht ausreichend.01.10.2024 | 1:22 min

    Bundesverfassungsgericht: Regelungen zu vage

    Denn die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts haben ihr Recht gegeben. Bei der Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten durch die Polizei muss differenziert werden: Für welchen Zweck werden die Daten gespeichert und wie lange? Diese Fragen müssen die Beamten in Zukunft genauer beantworten.

    Sie müssen jetzt begründen: Warum ist die Person in Zukunft gefährlich? Sie müssen es aufschreiben und hinterlegen, sodass es auch in Zukunft überprüft werden kann.

    Bijan Moini, Gesellschaft für Freiheitsrechte

    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht in dem Urteil einen "Erfolg für die Grundrechte". Denn: "Polizeiarbeit muss gezielt und differenziert sein. Wahllose Datensammelwut ist nicht nur ineffektiv - sie hat oft diskriminierende Effekte." (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
    Polizisten bei Durchsuchungen, aufgenommen am 05.07.2022 in Osnabrück
    Die Zahl der bundesweit registrierten Straftaten ist 2023 erneut gestiegen. Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt allerdings auch nur einen Teil der Realität.09.04.2024 | 2:52 min

    Behindert Datenschutz die Polizeiarbeit?

    Für Alexander Poitz, den stellvertretende Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, sind Datenschutz und Ermittlungsarbeit miteinander vereinbar. Dafür bräuchte es jedoch neben technischen und personellen Ressourcen, vor allem auch rechtliche Grundlagen, die die Arbeit erleichtern, statt sie zu verlangsamen.

    Das Anpassungserfordernis hat in der Praxis eine Bremswirkung auf die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen.

    Alexander Poitz, stellvertretenden Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

    Die Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten innerhalb des Bundeskriminalamts ist jedoch rechtmäßig - vor allem in dem besonders wichtigen Bereich der Terrorismusabwehr. Löschfristen müssen aber auch hier beachtet werden.

    Zunehmende Gewalt
    :BKA verstärkt Schutz für Spitzenpolitiker

    Das Bundeskriminalamt will die Zahl seiner Personenschützer deutlich aufstocken. BKA-Präsident Holger Münch sieht wachsende Gefahren für deutsche Politiker im In- und Ausland.
    Vizekanzler Habeck in Begleitung von Personenschützern des Bundeskriminalamts in Thessaloniki.
    mit Video

    Überwachung von Kontaktpersonen

    Im Fokus stand zudem eine Regelung mit Überwachungsbefugnissen zur Terrorabwehr. Nach dem Gesetz dürfen demnach nicht nur mögliche "Zielpersonen" überwacht werden, sondern auch deren "Kontaktpersonen", solange die Verbindung "nicht nur flüchtig ist". Betroffen waren hier z.B. auch Strafverteidiger.
    Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben nun entscheiden, dass auch diese Regelung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Heimliche Überwachungsmaßnahmen sind ein besonders schwerer Eingriff in die Grundrechte. Dennoch sind diese grundsätzlich möglich, es müsse aber eine "spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufklärenden Gefahr" vorliegen.
    Der Gesetzgeber hat nun bis zum 31. Juli 2025 Zeit, Regelungen zu treffen, die dem Grundgesetz genügen.

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    Quelle: ZDF

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