Bundesverfassungsgericht:BKA-Gesetz: Strengere Regeln für Überwachung
von Jan Henrich, Alexandra Tadey
|
2016 hatte das Bundesverfassungsgericht Schranken für die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts aufgestellt. Jetzt steht fest: Die Nachbesserungen waren nicht ausreichend.
Das Bundesverfassungsgericht hat das BKA-Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Konkret geht es um die heimliche Überwachung von Kontaktpersonen. 01.10.2024 | 1:22 min
Erneut ging es in Karlsruhe um die Abwägung zwischen dem Sicherheitsauftrag des Staates und dem Schutz der Freiheitsrechte des Einzelnen. Es wurde klar: Der Staat darf grundsätzlich überwachen. Die derzeitigen Regeln dazu müssen aber nachgeschärft werden.
Konkret ging es um zwei Befugnisse der Sicherheitsbehörden:
Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten durch das BKA und die Polizei
Heimliche Überwachung der Kontaktpersonen von Verdächtigen
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Das 2017 reformierte Bundeskriminalamt-Gesetz ermöglichte eine zu weitgehende Überwachung von Kontaktpersonen.01.10.2024 | 1:20 min
Verfassungsbeschwerde unter anderem von Fußballfans
Unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatten fünf Einzelpersonen gegen die Regelung geklagt, darunter Stephanie Dilba. Sie ist aktiv in der Fanszene des TSV 1860 München, unter anderem in Gewaltpräventionsprojekten. Durch ihren Kontakt zu gewaltbereiten Fans fürchtet sie selbst ins Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten und möglicherweise Ziel polizeilicher Maßnahmen zu werden, sobald ihr Name in einer Datenbank auftaucht. Gestört hat sie insbesondere die Intransparenz und, dass nicht klar war, welche Daten wie lange gespeichert werden.
Über das Urteil heute ist sie sichtlich erleichtert und froh: "Mein Gerechtigkeitsgefühl hat gestimmt."
2016 hatte das Bundesverfassungsgericht Schranken für die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskriminalamts aufgestellt. Jetzt steht fest: Die Nachbesserungen waren nicht ausreichend.01.10.2024 | 1:22 min
Bundesverfassungsgericht: Regelungen zu vage
Denn die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts haben ihr Recht gegeben. Bei der Speicherung und Weiterverarbeitung von Daten durch die Polizei muss differenziert werden: Für welchen Zweck werden die Daten gespeichert und wie lange? Diese Fragen müssen die Beamten in Zukunft genauer beantworten.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht in dem Urteil einen "Erfolg für die Grundrechte". Denn: "Polizeiarbeit muss gezielt und differenziert sein. Wahllose Datensammelwut ist nicht nur ineffektiv - sie hat oft diskriminierende Effekte." (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Die Zahl der bundesweit registrierten Straftaten ist 2023 erneut gestiegen. Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt allerdings auch nur einen Teil der Realität.09.04.2024 | 2:52 min
Behindert Datenschutz die Polizeiarbeit?
Für Alexander Poitz, den stellvertretende Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, sind Datenschutz und Ermittlungsarbeit miteinander vereinbar. Dafür bräuchte es jedoch neben technischen und personellen Ressourcen, vor allem auch rechtliche Grundlagen, die die Arbeit erleichtern, statt sie zu verlangsamen.
Die Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten innerhalb des Bundeskriminalamts ist jedoch rechtmäßig - vor allem in dem besonders wichtigen Bereich der Terrorismusabwehr. Löschfristen müssen aber auch hier beachtet werden.
Das Bundeskriminalamt will die Zahl seiner Personenschützer deutlich aufstocken. BKA-Präsident Holger Münch sieht wachsende Gefahren für deutsche Politiker im In- und Ausland.
mit Video
Überwachung von Kontaktpersonen
Im Fokus stand zudem eine Regelung mit Überwachungsbefugnissen zur Terrorabwehr. Nach dem Gesetz dürfen demnach nicht nur mögliche "Zielpersonen" überwacht werden, sondern auch deren "Kontaktpersonen", solange die Verbindung "nicht nur flüchtig ist". Betroffen waren hier z.B. auch Strafverteidiger.
Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe haben nun entscheiden, dass auch diese Regelung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Heimliche Überwachungsmaßnahmen sind ein besonders schwerer Eingriff in die Grundrechte. Dennoch sind diese grundsätzlich möglich, es müsse aber eine "spezifische individuelle Nähe der Betroffenen zu der aufklärenden Gefahr" vorliegen.
Der Gesetzgeber hat nun bis zum 31. Juli 2025 Zeit, Regelungen zu treffen, die dem Grundgesetz genügen.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.