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Vorstoß in Baden-Württemberg:Dänisches Asylrecht Vorbild für Deutschland?
von Kai Witvrouwen
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Dänemark als Vorbild: Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges macht Vorschläge für ein schärferes Asylrecht und stößt dabei auf Kritik.
Viele Deutsche halten das Thema Migration und Asyl für sehr wichtig. (Symbolbild)
Quelle: dpa/Puchner, Stefan
Flucht, Asyl und Migration ist laut aktuellem ZDF-Politbarometer das wichtigste Thema für Wahlberechtigte vor der Bundestagswahl. 40 Prozent der Befragten sehen das so. Die Justiz- und Migrationsministerin von Baden-Württemberg, Gentges, möchte jetzt neue Ideen in die Debatte einbringen.
Das dänische Vorgehen in der Asylpolitik solle Anhaltspunkte zur Diskussion in Deutschland geben: "Ministerin Marion Gentges hat während der Delegationsreise nach Dänemark besonders die Stringenz der dänischen Asylverfahren hervorgehoben", heißt es auf ZDF-Anfrage aus dem Justizministerium.
Abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben
Auf Landesebene möchte man künftig verstärkt darauf zurückgreifen, Asylbewerbern bei der Ankunft Geld oder Wertsachen (beispielsweise Schmuck) abzunehmen. Das solle einen Teil der Verfahrenskosten abdecken. Im Ankunftszentrum in Heidelberg werde das schon seit 2017 gemacht, weitere Erstaufnahmeeinrichtungen werden dazu übergehen. Hier greift bereits das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), bei dem die Länder Pauschalbeträge festsetzen können.
Laut Gentges brauche es aber zusätzliche Veränderungen auf Bundesebene. In Deutschland hätten geflüchtete Menschen über den Rechtsweg mehrere Möglichkeiten gegen abgelehnte Asylanträge vorzugehen. In Dänemark hingegen sei nur ein Widerspruch möglich. Wer sogar auf einen Widerspruch verzichte, erhalte bis zu 3.500 Euro. Man solle daher auch in Deutschland darüber sprechen, "Anreize für (eine) freiwillige Rückkehr" zu bieten.
Dänisches Asylrecht auch in Deutschland?
Das dänische Vorbild in Deutschland umzusetzen, ist kompliziert. Dänemark hat sich bei seinem Beitritt zur Europäischen Union ein sogenanntes Opt-out für bestimmte Bereiche vorbehalten. Unter anderem ist Dänemark in der Asylpolitik nicht an EU-Recht gebunden. Damit gelten die Asylverfahrens-Richtlinie und die Anerkennungs-Richtlinie der Europäischen Union in Dänemark nicht und der Staat kann eigene, teilweise strengere Regelungen aufstellen.
Würde Deutschland ähnlich vorgehen wollen, müssten zunächst die EU-Verträge geändert werden, wozu es die Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedarf. Das Justizministerium in Baden-Württemberg teilt jedoch mit, "dass Dänemark in nahezu allen Bereichen des Migrationsrechts wichtige Elemente der europäischen Regelungen in sein nationales Recht aufgenommen hat". Es gäbe Ansätze, die sich auch auf Europaebene diskutieren ließen.
Kritik von Flüchtlingsorganisationen und Parteien
Der fachpolitische Sprecher für Migration der Grünen in Baden-Württemberg, Daniel Lede Abal, spricht gegenüber dem ZDF von "durchsichtiger Wahltaktik". Wichtig sei jetzt "bestehende Regelungen auch wirklich anzuwenden".
Die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg wirft der CDU-Ministerin Gentges in einer Pressemitteilung "Wahlkampfgeplänkel" vor. Es müsse "selbstverständlich sein, dass vermögende Asylbewerber für die Kosten ihres Verfahrens (…) selbst aufkommen".
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, teilt auf ZDF-Anfrage mit, dass man es begrüße "sich dem dänischen System anzunähern". Man habe bereits im September in einem Fraktionspapier ähnliche Vorschläge eingebracht.
Der SPD-Innenexperte für Baden-Württemberg, Sascha Binder, spricht von "einem Thema (...), das bei näherem Hinsehen gar keines ist". Geflüchtete hätten selten Wertgegenstände bei sich, die man einbehalten könne.
Der Verein "Pro Asyl" macht seine Kritik mehr als deutlich:
Die Forderungen der Ministerin sind komplett faktenfrei, populistisch und als reines Wahlkampfmanöver einzustufen. Zudem fordert sie de facto die Ausweitung des strukturellen Rassismus.
Pro Asyl
Kai Witvrouwen arbeitet im ZDF-Landesstudio Baden-Württemberg.
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