Drohender Shutdown:Sind die USA bald handlungsunfähig?
von Heike Slansky, Washington
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Sind die USA bald handlungsunfähig? Droht Ende der Woche der Regierungsstillstand - ein sogenannter Government-Shutdown? Die Gefahr besteht, denn die Republikaner sind zerstritten.
Wenn Republikaner und Demokraten in den USA bis Samstagnacht keinen Kompromiss finden, droht ein Regierungsstillstand.
Quelle: epa
Der Countdown läuft, jedes Jahr das gleiche Theater: Bis zuletzt wird zwischen den beiden politischen Parteien, Demokraten und Republikanern, gefeilscht und gepokert. Dieses Mal verweigert eine kleine radikale Gruppe der Republikaner die Zustimmung zu einem Kompromiss im Haushaltsstreit - zu Lasten der amerikanischen Bevölkerung.
Stellen Sie sich vor, Sie wären Staatsdiener in den USA: Dann würde von Ihnen eventuell ab Sonntag verlangt, dass Sie zur Arbeit gehen, aber erst einmal kein Gehalt dafür bekommen.
So könnte es bald vielen Beamten in Amerika gehen, die als unverzichtbar gelten: Grenzbeamte, Fluglotsen oder Bundespolizisten. Tausende, die erst einmal in Vorleistung treten müssten, in der Hoffnung, der Lohn werde rückwirkend ausgezahlt.
Machtkampf innerhalb der Republikaner
Das ist kein Schreckensszenario - das hat es in den USA immer wieder gegeben, wenn sich die Politik in Washington nicht einigen kann. Es geschieht meistens dann, wenn die Partei des Präsidenten nicht über die Mehrheit in beiden Kammern im Kongress verfügt. So wie jetzt. Im Senat stellen die Demokraten von Präsident Joe Biden die Mehrheit, aber nicht im Repräsentantenhaus. Und dort liegt das Problem.
Der Sprecher dieser Kongresskammer, Kevin McCarthy, Republikaner aus Kalifornien, wurde erst Anfang des Jahres ins Amt gewählt. Unter denkbar schlechten Vorzeichen. 15 Anläufe waren nötig, weil radikale Parteifreunde weitreichende Zugeständnisse erstritten hatten.
Zum Beispiel, dass nur eine Stimme reicht, um ein Misstrauensvotum in Gang zu setzen. Dieser faule Deal wird ihm nun zum Verhängnis. Der Machtkampf innerhalb der Republikaner droht, das ganze Land lahmzulegen.
Ohne Budget kein Staat
Worum geht es inhaltlich? Ende September beginnt das fiskalische Jahr. Die Finanzierung aller Bundesbehörden steht an. Ohne Budget kein Staat. Es geht nicht nur um die Gehälter der Angestellten, sondern auch um die gesetzlichen Ausgaben für Rentner, Krankenversicherung, Sozialleistungen und natürlich den hohen Verteidigungsetat.
Das Budgetrecht liegt wie in Deutschland beim Parlament. Der Präsident stellt einen Haushaltsplan auf, der wird dann im politischen Prozedere üblicherweise etwas verändert. Anschließend muss abgestimmt werden. Und genau das geschieht nicht, weil im Repräsentantenhaus den Republikanern dazu die Mehrheit fehlt.
Hardliner fordern strengeren Sparkurs
Warum verweigern die Hardliner im Repräsentantenhaus die Zustimmung? Sie stellen die Haushaltsdisziplin in Frage, weil die USA astronomisch hohe Schulden von 33 Billionen Dollar haben. Ihr Credo: Es muss dringend gespart werden. Ihr Vorschlag: Bei Sozialleistungen und der Verteidigung sparen, etwa die militärische Unterstützung für die Ukraine zu kippen.
Dabei hatte sich der Präsident bereits im Mai mit dem Kongress auf einen Haushaltsplan geeinigt. Es wurde mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, ein Deal ausgehandelt, die Schuldenbremse bis 2025 auszusetzen und 1,1 Billionen Dollar neue Schulden aufzunehmen. Doch Monate später wollen ein Dutzend Republikaner nichts mehr davon wissen und verweigern die Zustimmung.
Es ist eine vertrackte Situation. Wenn der Sprecher des Repräsentantenhauses die Abstimmung freigeben würde, dann könnte mit Hilfe der Demokraten das Budget verabschiedet werden. Allerdings wäre McCarthy dann vermutlich sein Amt los. Die Hardliner in seiner Partei würden ein Misstrauensantrag stellen.
Frist läuft Samstagnacht ab
Wenn es zum Shutdown käme, müssten unabkömmliche Mitarbeiter erst einmal ohne Lohn ihre Arbeit verrichten, die anderen Staatsbediensteten - Hunderttausende - würden in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt, ohne zu wissen, wann es wieder los geht. Bürger, die Staatsleistungen benötigen, seien es Sozialleistungen vom Bund, Anträge oder einen Pass, stünden vor verschlossenen Türen.
Die Machtspiele in Washington gehen zu Lasten der Bevölkerung. Bislang ist keine Lösung in Sicht. Wenn nicht bis Samstagnacht 23.59 Uhr Ortszeit ein Kompromiss gefunden wird, geht ab Sonntag die Supermacht sehenden Auges in den Regierungsstillstand.
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