mit Video
Analyse
Nach Eklat im Weißen Haus:Ist Europa bereit für die Führungsrolle?
|
Europa müsse an die Stelle der USA treten als Führung der freien Welt, schreibt EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas auf Social Media. Doch ist Europa bereit?
Es herrschte ein Schock nach dem Auftritt, der sich gestern im Weißen Haus abgespielt hat: Im Oval Office nimmt US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich seit drei Jahren im Krieg befindet, auseinander.
Was folgte, waren Solidaritätsbekundungen im Minutentakt: Auf X, Bluesky, im Fernsehen. Man stehe an der Seite der Ukraine, erklärten Europas Staats- und Regierungschefs fast ausnahmslos. So schrieb Polens Ministerpräsident Donald Tusk:
Liebe ukrainische Freunde, ihr seid nicht allein.
Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident
Polen ist schon lange ein starker Unterstützer der Ukraine. Hat seine eigenen Verteidigungsausgaben auf über vier Prozent angehoben, will noch dieses Jahr an der Fünf-Prozent-Marke kratzen.
Spaltung des Westens stärkt Autokraten
Doch auch von Ländern weiter westlich, weiter entfernt von der Frontlinie, kommt Unterstützung: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni versucht, den Mittelweg zu finden. Sie schlägt einen Gipfel zwischen den USA, der Europäischen Union und ihren Verbündeten vor, "jede Spaltung des Westens schwächt uns alle", schreibt sie in einer offiziellen Mitteilung.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verspricht, man werde die Unterstützung für die Ukraine aufstocken. Es sei klar geworden, dass die freie Welt eine neue Führung brauche, es sei jetzt an Europa, diese Herausforderung anzunehmen.
Bekundungen der Solidarität und Versprechen der Unterstützung gibt es seit drei Jahren aus der EU. Immer wieder bittet Präsident Selenskyj um mehr Unterstützung, immer wieder tut die EU sich schwer. Veranstaltet einen Gipfel nach dem anderen, schnürt massive Militärpakete, aber klar ist: ohne die Hilfe der USA reicht das nicht aus.
Doch der Modus "wir machen so weiter wie bisher" ist spätestens seit Freitagabend nicht mehr angemessen. Europa muss militärisch zusammenstehen und muss dafür ein deutliches Signal senden.
EU-Sondergipfel am 6. März
Die nächste Chance der EU, das zu tun, ist ein Sondergipfel am 6. März. Auf der Agenda steht nicht nur die Unterstützung für die Ukraine. Auch die eigene Verteidigungsfähigkeit der EU soll drastisch hochgeschraubt werden und die Frage nach der Finanzierung soll besprochen werden.
So gibt es die Idee, Gelder aus dem Strukturfond der EU umzuleiten und für militärische Aufrüstung auszugeben. Oder an den Schulden-Regeln der EU zu schrauben: Hier gibt es klare Vorgaben, wie stark sich ein einzelner Mitgliedsstaat verschulden darf. Um gerade finanzschwachen Mitgliedern entgegenzukommen, könnte man Schulden, die für Militärausgaben aufgenommen wurden, herausrechnen.
"Koalition der Willigen"
Und dann ist da noch die Frage nach den "Sicherheitsgarantien", die auch Selenskyj immer wieder fordert: Wie könnte eine Friedenstruppe aussehen? Welches Land würde Soldat*innen entsenden?
Frankreichs Präsident Macron bringt immer wieder europäische Soldat*innen ins Spiel - doch eine eigene Armee hat die EU nicht. Es könnte eine "Koalition der Willigen" geben, also EU-Länder, die Truppen entsenden wollen, gemeinsam mit anderen westlichen Partnern, wie Großbritannien.
Doch einer schlägt aus: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bedankte sich gestern auf der Plattform X bei Donald Trump. Er habe mutig für den Frieden eingestanden, so Orban. Immer wieder hat Ungarn Sanktionen gegen Russland und Hilfe für die Ukraine blockiert.
Wenn am Gipfel weitere Militärhilfen für die Ukraine beschlossen werden sollen, braucht es Einstimmigkeit, die ist bisher nicht in Sicht. Wenn die westliche Welt sich zerlegt, gewinnen die Autokraten.
Lara Wiedeking ist Korrespondentin im ZDF-Studio in Brüssel.
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Mehr zum Streit zwischen Trump und Selenskyj
Interview
Expertin über Kommunikationstaktik:"Trump überschüttet die Leute mit Müll"
mit Video
Treffen von Selenskyj und Trump:So reagiert die Welt auf Streit im Weißen Haus
Katharina Schuster und Fränzi Meyer, Washington D.C.
Analyse
Selenskyj in Trumps Kreuzfeuer:Ein Treffen, das völlig aus dem Ruder lief
Katharina Schuster, Washington D.C.