Eklat im Weißen Haus: Ist Europa bereit für Führungsrolle?

    Analyse

    Nach Eklat im Weißen Haus:Ist Europa bereit für die Führungsrolle?

    Eine Frau mit braunen Haaren lächelt in die Kamera.
    von Lara Wiedeking
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    Europa müsse an die Stelle der USA treten als Führung der freien Welt, schreibt EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas auf Social Media. Doch ist Europa bereit?

    Ukrainian President Volodymyr Zelensky (L) talks with US President Donald Trump (C) and US Vice President JD Vance (R) in the Oval Office of the White House in Washington, DC.
    Nach heftiger Kritik von Trump und Vance an Selenskyj endete das Treffen im Streit.01.03.2025 | 2:22 min
    Es herrschte ein Schock nach dem Auftritt, der sich gestern im Weißen Haus abgespielt hat: Im Oval Office nimmt US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich seit drei Jahren im Krieg befindet, auseinander.
    Was folgte, waren Solidaritätsbekundungen im Minutentakt: Auf X, Bluesky, im Fernsehen. Man stehe an der Seite der Ukraine, erklärten Europas Staats- und Regierungschefs fast ausnahmslos. So schrieb Polens Ministerpräsident Donald Tusk:

    Liebe ukrainische Freunde, ihr seid nicht allein.

    Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident

    Polen ist schon lange ein starker Unterstützer der Ukraine. Hat seine eigenen Verteidigungsausgaben auf über vier Prozent angehoben, will noch dieses Jahr an der Fünf-Prozent-Marke kratzen.
    SGS Theveßen Coerper
    In der US-Regierung werde ernsthaft diskutiert, ob man die Militärhilfen an die Ukraine einstellt, so Elmar Theveßen. Der Kreml schaue derzeit genüsslich zu, sagt Armin Coerper.01.03.2025 | 3:12 min

    Spaltung des Westens stärkt Autokraten

    Doch auch von Ländern weiter westlich, weiter entfernt von der Frontlinie, kommt Unterstützung: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni versucht, den Mittelweg zu finden. Sie schlägt einen Gipfel zwischen den USA, der Europäischen Union und ihren Verbündeten vor, "jede Spaltung des Westens schwächt uns alle", schreibt sie in einer offiziellen Mitteilung.
    Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verspricht, man werde die Unterstützung für die Ukraine aufstocken. Es sei klar geworden, dass die freie Welt eine neue Führung brauche, es sei jetzt an Europa, diese Herausforderung anzunehmen.
    SGS mit Dominik Lessmeister, Xpress 01.02.2025 zur Reaktion der Bundesregierung auf das Eklat in Washington
    Nach dem im Gespräch zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj reagiert auch die Bundesregierung. Sie wirke "etwas hilflos", so Karl Hinterleitner.01.03.2025 | 1:41 min
    Bekundungen der Solidarität und Versprechen der Unterstützung gibt es seit drei Jahren aus der EU. Immer wieder bittet Präsident Selenskyj um mehr Unterstützung, immer wieder tut die EU sich schwer. Veranstaltet einen Gipfel nach dem anderen, schnürt massive Militärpakete, aber klar ist: ohne die Hilfe der USA reicht das nicht aus.
    Doch der Modus "wir machen so weiter wie bisher" ist spätestens seit Freitagabend nicht mehr angemessen. Europa muss militärisch zusammenstehen und muss dafür ein deutliches Signal senden.
    Eine Freu gedenkt ihrem Sohn  an einer behelfsmäßigen Gedenkstätte für die gefallenen ukrainischen und ausländischen Kämpfer auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew
    Die Beschimpfungen Trumps gegen Präsident Selenskyj machen die Menschen in der Ukraine traurig und wütend. Seit mehr als drei Jahren wehrt sich das Land gegen Aggressor Russland.01.03.2025 | 2:01 min

    EU-Sondergipfel am 6. März

    Die nächste Chance der EU, das zu tun, ist ein Sondergipfel am 6. März. Auf der Agenda steht nicht nur die Unterstützung für die Ukraine. Auch die eigene Verteidigungsfähigkeit der EU soll drastisch hochgeschraubt werden und die Frage nach der Finanzierung soll besprochen werden.
    So gibt es die Idee, Gelder aus dem Strukturfond der EU umzuleiten und für militärische Aufrüstung auszugeben. Oder an den Schulden-Regeln der EU zu schrauben: Hier gibt es klare Vorgaben, wie stark sich ein einzelner Mitgliedsstaat verschulden darf. Um gerade finanzschwachen Mitgliedern entgegenzukommen, könnte man Schulden, die für Militärausgaben aufgenommen wurden, herausrechnen.
    US-Präsident Donald Trump und ukrainischerPräsident Wolodymyr Selenskyj
    Nach einem für Staatsmänner beispiellosen Streit vor laufenden Kameras brechen US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ihr Treffen ab.28.02.2025 | 2:30 min

    "Koalition der Willigen"

    Und dann ist da noch die Frage nach den "Sicherheitsgarantien", die auch Selenskyj immer wieder fordert: Wie könnte eine Friedenstruppe aussehen? Welches Land würde Soldat*innen entsenden?
    Frankreichs Präsident Macron bringt immer wieder europäische Soldat*innen ins Spiel - doch eine eigene Armee hat die EU nicht. Es könnte eine "Koalition der Willigen" geben, also EU-Länder, die Truppen entsenden wollen, gemeinsam mit anderen westlichen Partnern, wie Großbritannien.
    auslandsjournal-doku: Ukraine - Krieg oder Frieden
    Die Karten werden neu gemischt im Machtpoker. Zwingen Trump und Putin die Ukraine zum Diktatfrieden? Während sich die Ereignisse überschlagen, ringt Europa um Einfluss.20.02.2025 | 29:23 min
    Doch einer schlägt aus: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban bedankte sich gestern auf der Plattform X bei Donald Trump. Er habe mutig für den Frieden eingestanden, so Orban. Immer wieder hat Ungarn Sanktionen gegen Russland und Hilfe für die Ukraine blockiert.
    Wenn am Gipfel weitere Militärhilfen für die Ukraine beschlossen werden sollen, braucht es Einstimmigkeit, die ist bisher nicht in Sicht. Wenn die westliche Welt sich zerlegt, gewinnen die Autokraten.
    Lara Wiedeking ist Korrespondentin im ZDF-Studio in Brüssel.

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    Quelle: dpa

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