Trump und Selenskyj: Treffen, das völlig aus dem Ruder lief
Analyse
Selenskyj in Trumps Kreuzfeuer:Ein Treffen, das völlig aus dem Ruder lief
von Katharina Schuster, Washington D.C.
|
Zwischen Trump und Selenskyj flogen die Fetzen: Ein Treffen über die Zukunft der Ukraine endet im Streit - ohne Ergebnis und mit beschädigten Beziehungen.
Nach heftiger Kritik von Trump und Vance an Selenskyj endete das Treffen im Streit. In der Ukraine und in Europa herrschen nun Entsetzen und Besorgnis vor.01.03.2025 | 2:22 min
Was als freundliches Gespräch begann, eskalierte vor laufenden Kameras zum offenen Streit. "Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus", sagte US-Präsident Donald Trump zu Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Er könne wiederkommen, wenn er zu einem Frieden bereit sei.
ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen spricht von einem "absolut historischen Ereignis". Es sei "eine Menge Porzellan zerschlagen worden". Politikwissenschaftler Jack A. Goldstone schließt sich im Gespräch mit ZDFheute an:
Die Welt hat noch nie erlebt, dass der Präsident und der Vizepräsident der Vereinigten Staaten ein ausländisches Staatsoberhaupt auf eine solche Weise ansprechen, wie es heute im Oval Office geschah.
„
Jack A. Goldstone, US-Politikwissenschaftler
Der diplomatische Eklat im Weißen Haus sorgt international für Aufsehen. Welche Folgen drohen jetzt?01.03.2025 | 3:05 min
Die Szene fühlte sich für den Beobachter an, als maßregelten ein Schuldirektor und sein Stellvertreter einen widerspenstigen Schüler.
Das Treffen, das als diplomatischer Schritt zur Zukunft der Ukraine gedacht war, nahm damit eine unerwartete Wendung: Es verwandelte sich in ein öffentliches Schauspiel und in ein diplomatisches Desaster.
Das Treffen zwischen Trump und Selenskyj endete im Streit. Für viele Ukrainer sei es eine Demütigung gewesen, so Dominik Lessmeister.01.03.2025 | 1:13 min
Drei zentrale Erkenntnisse aus diesem Treffen:
1. Erkenntnis: Das Ziel des Treffens wurde nicht erreicht
Ein Schritt zurück: US-Präsident Trump hatte den ukrainischen Präsidenten ins Weiße Haus eingeladen – zu einem Gespräch, das über nichts Geringeres als die Zukunft der Ukraine entscheiden sollte. Das Ziel des Treffens war die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens zwischen den USA und der Ukraine.
Eigentlich hatte Selenskyj dem Deal grundsätzlich zugestimmt, doch als er noch einmal klar machte, dass man Wladimir Putin nicht trauen könne, er ein Terrorist sei, kippte die Stimmung. Trump griff ein und widersprach.
"Er verlangte Neutralität von Selenskyj, wohlgemerkt dem Opfer in diesem Krieg", erklärt ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Als sich dann auch noch US-Vizepräsident J.D. Vance einmischte, lief die Diskussion völlig aus dem Ruder. Vance warf dem ukrainischen Präsidenten "Respektlosigkeit" und "Undankbarkeit" vor.
Am Ende wurde das angestrebte Abkommen nicht unterzeichnet.
Ein Bruch der Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA wäre fatal, so ZDF-Reporter Dominik Lessmeister. Für Waffen und Munition ist die Ukraine weiterhin auf die USA angewiesen.01.03.2025 | 2:11 min
2. Erkenntnis: Für Selenskyj ein frustrierendes Treffen
Präsident Selenskyj wendete sich nach dem abgebrochenen Treffen auf X dennoch mit versöhnlichen Worten an das amerikanische Volk. Die Ukraine brauche einen gerechten und anhaltenden Frieden, "und wir arbeiten genau daran".
X-Post von Wolodymyr Selenskyj
Ein Klick für den Datenschutz
Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von X nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von X übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von X informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Für den ukrainischen Präsidenten war das Treffen frustrierend und kontraproduktiv. Für Kreml-Chef Putin war es dagegen wohl einer der besten Tage seit langem. Ihm spielte das Schauspiel in Washington D.C. in die Karten. "Im Kreml knallen gerade die Sektkorken", kommentiert Chris Van Hollen, demokratischer Senator von Maryland.
X-Post von Chris Van Hollen
Ein Klick für den Datenschutz
Erst wenn Sie hier klicken, werden Bilder und andere Daten von X nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von X übertragen. Über den Datenschutz dieses Social Media-Anbieters können Sie sich auf der Seite von X informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Selenskyj sei bereit gewesen, fast alles zu tun, damit die US-Regierung eine Art Sicherheitsgarantie abgibt, um einen dauerhaften Frieden in der Ukraine zu ermöglichen, betont Politikwissenschaftler Goldstone. Auch war er bereit, den USA eine Beteiligung an der künftigen Erschließung von Bodenschätzen anzubieten.
So sind die Rohstoffe in der Ukraine verteilt.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung; liveuamap.com
Aber Selenskyj ging mit Bedingungen ins Treffen. Er wollte, dass Trump zwei Dinge anerkennt:
Dass Putin, der in die Ukraine einmarschiert ist, nicht in der Lage ist, den Frieden zu wahren.
Dass daher externe Sicherheitsgarantien erforderlich sind, damit ein Friedensabkommen für beide Seiten verbindlich ist.
3. Erkenntnis: Trump und Vance haben wenig Interesse an Sorgen der Ukraine
Trump jedoch weigerte sich hartnäckig, auch nur eine dieser beiden Realitäten anzuerkennen. Er betonte, dass er Putin kenne und darauf vertraue, dass er sich an jede Vereinbarung halten würde. Selenskyj stand einem US-Präsidenten gegenüber, der eine völlig andere Wahrnehmung der Realität hat und anstatt zu verhandeln, darauf beharrte, dass Selenskyj seine Sichtweise übernimmt.
Ob in ihren Worten oder Gesten - Trump und Vance signalisierten immer wieder, dass sie wenig Interesse an den Sorgen der Ukraine haben, so Goldstone. Trump und Vance schienen das Chaos zu genießen. "Das Treffen war als rituelle Demütigung inszeniert. Selenskyj sollte Trump erhöhen und ihm für die Rettung seines Landes danken", so Goldstone.
Doch was Trump anbot, war nicht die Rettung der Ukraine.
Die USA, die wir kannten, sei nicht mehr da, sagt Politikwissenschaftler Christian Mölling. Aus Washington höre man ein ,,Panoptikum der Widersprüche''.28.02.2025 | 4:03 min
Wie geht es jetzt weiter?
Die Aussichten auf eine Einigung hinter verschlossenen Türen sind alles andere als optimistisch. Trump scheint fest davon überzeugt, dass Putin sich bedingungslos an jede Vereinbarung halten und die Ukraine künftig verschonen wird – der gleiche Putin, der in Tschetschenien blutige Spuren hinterließ, in Georgien einmarschierte und bereits zweimal in die Ukraine einrückte.
In diesem Kontext ist es kaum vorstellbar, dass Selenskyj das Schicksal seiner Nation auf ein solches Vertrauen setzt, bilanziert Goldstone. Das Ergebnis des Treffens werde genauso ausfallen wie Vances Rede in München. Europa werde gezwungen sein, sich mit der Tatsache abzufinden, dass es in dieser Krise weitgehend auf sich allein gestellt ist.
Wenn Europa wirklich will, dass die Ukraine als unabhängige, souveräne europäische Nation überlebt, werden die europäischen Länder wohl selbst Verantwortung übernehmen müssen.
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.