Neuer Präsident in Taiwan: Friedensappell an China

    Amtseinführung in Taipeh:Taiwans Präsident: Friedensappell an China

    von Elisabeth Schmidt
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    In seiner Antrittsrede wendet sich der neue Präsident Taiwans Lai direkt an China. Peking solle die Existenz von Taiwan anerkennen. Die Reaktion folgt prompt und scharf.

    Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te bei seiner Antrittsrede.
    In Taiwan hat der bisherige Vize-Präsident Lai sein Amt als neuer Präsident des Landes angetreten.
    Quelle: epa

    Es fühlt sich ein bisschen an wie auf einem Popkonzert: Mit viel Pathos wird Taiwans neuer Präsident auf dem Platz direkt vor dem Präsidialbüro in Taipeh von der jubelnden Menge begrüßt. William Lai Ching-te, vormals Vize-Präsident, hatte die Wahl am 13. Januar mit rund 40 Prozent der Stimmen deutlich gewonnen.
    Seine Demokratische Fortschrittspartei (DPP) stellt das dritte Mal in Folge das Staatsoberhaupt. Lai betritt die Bühne, alle lauschen gebannt - lauschen, welche Akzente Lai für seine vierjährige Amtszeit setzt und wie er sich den roten Linien der Volksrepublik China um Haaresbreiten nähert, ihnen sogar gefährlich nahekommt.
    DPP candidate William Lai wins Taiwan's Presidential election
    Die Wähler haben sich im Januar für Lai entschieden. Der künftige Präsident will sich weiter für Frieden und Stabilität in der Region einsetzen und am Status Quo mit China nicht rütteln.13.01.2024 | 2:31 min

    Welche Akzente setzt Lai in seiner ersten Rede als Präsident?

    Von Beginn seiner Rede an bettet Lai Taiwan in die weltweite Riege demokratischer Staaten ein. Er betont Taiwans Vorrangstellung in Asien beim Thema Menschenrechte, der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen und der Pandemie-Bewältigung ohne autokratischen Druck.
    Während seiner gesamten Rede hebt er hervor, wie wichtig Frieden sei.

    Frieden und Stabilität auf der Taiwan-Straße sind unverzichtbar für Sicherheit und Wohlstand weltweit.

    William Lai Ching-te, Präsident Taiwans

    Demokratie und Freiheit seien für Taiwan unverhandelbar.
    Karte von China (blau) und Taiwan (gelb).
    Quelle: ZDF

    Deutliche Abgrenzung von China

    Kommentatoren aus Taiwan achteten auch diesmal auf die genaue Wortwahl der präsidialen Rede: Lai verwendete den Begriff "Republik China" (Taiwans offizieller Name) neunmal und "Taiwan" 84 Mal. Amtsvorgängerin Tsai erwähnte in ihrer Antrittsrede "Taiwan" lediglich 49-mal, "Republik China" viermal. Lai grenzt sich damit stärker von der Volksrepublik China ab als seine Vorgängerin. Wörtlich sagte er: "Ich hoffe, China kann sich der Realität der Existenz der Republik China stellen."
    Die Republik China und die Volksrepublik China seien einander nicht untergeordnet. Die Menschen in Taiwan warnte Lai:

    Selbst wenn wir unsere Souveränität aufgeben, und die Ansprüche Chinas akzeptieren, werden Chinas Ambitionen, Taiwan zu annektieren, nicht verschwinden.

    William Lai Ching-te, Präsident Taiwans

    Rat für Außenhandel: "Beziehungen mit Europa vertiefen"

    James Huang, Vorsitzender des Rats für die Entwicklung des taiwanesischen Außenhandels (TAITRA), glaubt trotz der scharfen Worte Lais nicht, dass die neue Regierung die bisherige Politik gegenüber der Volksrepublik ändern wird. "Es war immer schon Taiwans Position, den Status Quo aufrechtzuerhalten und auf friedlichen Dialog und Austausch zu setzen."
    Huang, der bereits Außenminister Taiwans war, geht nicht davon aus, dass die Spannungen mit China kurzfristig Taiwans Geschäftsbeziehungen zu Europa verändern werden. "Wir werden weiter unsere Beziehungen mit Europa vertiefen", sagt Huang. Als Beispiel nennt er Mega-Chip-Hersteller TSMC, der noch 2024 mit dem Bau eines Halbleiter-Werks in Dresden beginnen will.

    1912 wurde die "Republik China" ausgerufen. Ihr Staatsgebiet umfasste damals ganz China - das Festland und seit 1945 auch Taiwan. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 hatte die Kommunistische Partei auf dem chinesischen Festland die Macht errungen und die "Volksrepublik" ausgerufen. Die unterlegene Kuomintang zogen sich nach Taiwan zurück. Als Resultat des Bürgerkrieges bestehen bis heute zwei separate chinesische Staaten: zum einen die sozialistische Volksrepublik China und zum anderen die von nur wenigen Staaten als eigenständig anerkannte demokratische Republik China (Taiwan).

    Die Volksrepublik betrachtet Taiwan, obwohl sie die Insel faktisch nie beherrscht hat, als Bestandteil des chinesischen Territoriums. Peking hält am "Ein China-Prinzip" fest. Nach dieser Doktrin der Kommunistischen Partei Chinas gibt es nur ein einziges China - inklusive Taiwan, Hongkong und Macau. Die Republik China (Taiwan) wiederum betrachtet sich selbst als souveränen Staat, von dem sich die Volksrepublik abgespalten habe.

    Peking: "Taiwan kein souveräner Staat"

    Peking hatte schon vor der Amtseinführung verstärkt Kampfjets in die Nähe von Taiwan geschickt und Lai als "gefährlichen Separatisten" bezeichnet. Am heutigen Montag sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin: "Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil Chinas."
    Die Regierung der Volksrepublik China sei die einzig rechtmäßige Regierung, die ganz China, einschließlich Taiwan, bei den Vereinten Nationen vertrete. Wang fügte hinzu, dass es nur ein China in der Welt gebe und dass Taiwan ein Teil Chinas und eine nicht-souveräne Einheit sei, was das Ein-China-Prinzip bestätige. Taiwans Präsident Lai hatte Peking nach seiner Wahl Gespräche angeboten, die aber abgelehnt wurden.
    ZDF-Korrespondentin zur Wahl in Taiwan bei heute Xpress
    William Lais habe im Wahlkampf die "größte Distanz zu Peking" gesucht, so Miriam Steimer. Das Verhältnis zwischen China und Taiwan werde sich durch die Wahl weiter verschärfen.13.01.2024 | 1:13 min

    Lai auch innenpolitisch unter Druck

    Aber auch innenpolitisch steht der 64-Jährige vor großen Schwierigkeiten. Seine Partei, die DDP, hatte bei den Wahlen im Januar im Parlament die Mehrheit verloren. Vergangenen Freitag kam es dort sogar zu Handgreiflichkeiten. Anlass war die von der chinafreundlicheren Opposition angestrebte Parlamentsreform. Die Abgeordneten schlugen, schubsten und schrien sich gegenseitig an.
    Lai steht innenpolitisch unter Druck und außenpolitisch einem zutiefst verärgerten, misstrauischen China gegenüber. Der Start in seine neue Amtszeit könnte kaum herausfordernder sein.
    Elisabeth Schmidt ist Korrespondentin im ZDF-Auslandsstudio Ostasien in Peking.

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