Putins Russland und der Westen:Die russische Ostseeküste: Der Nato ganz nah
von Phoebe Gaa
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Die russische Exklave Kaliningrad ist umgeben von EU-Ländern. Früher waren die Beziehungen eng. Jetzt wird Russlands Abschottung vom Westen hier besonders deutlich.
An der Ostsee treffen Welten aufeinander: Dort, wo Russland an die EU grenzt, ist die Abschottung vom Westen besonders deutlich spürbar.10.08.2023 | 16:16 min
In Kaliningrad herrsche ein ganz besonderes Lebensgefühl, erklärt Dina Ljach. "Wenn du in Kaliningrad lebst, weißt du meist nichts über den Rest Russlands", erzählt die Stadtführerin. "Wenn du nicht eine Oma in irgendeiner Region hast, dann fährst du da nicht hin. Es war billiger nach Spanien zu fahren, als nach Jekaterinburg, zum Beispiel." Doch seit Kriegsbeginn ist das anders.
Russland schottet sich ab
Die Grenzen nach Europa sind quasi dicht, Schengen-Visa für Russinnen und Russen schwerer zu bekommen. Im Zuge der westlichen Sanktionen wurden viele Direktflüge mit Russland eingestellt, die verbliebenen Verbindungen sind oft sehr teuer. Seitdem Auslandsreisen für viele unerschwinglich geworden sind, boomt der Inlandstourismus.
Nicht frei reisen zu können, das erinnert Dina an ihre Kindheit in der Sowjetunion. Früher seien sie zum Einkaufen nach Polen oder auf Konzerte nach Berlin gefahren, erzählt die 40-Jährige. Jetzt plant sie einen Sommerurlaub im Süden Russlands.
Der Krieg betrifft sie auch ganz direkt: Dina hat Familie in der Ukraine. Weiter ins Detail gehen möchte sie bei diesem Thema aber nicht. "Es ist jetzt sehr schwierig, besser gesagt: Es ist in unserem Land nicht sehr sicher, darüber zu sprechen."
Andersdenkende in Russland werden eingeschüchtert und bestraft.
Die Ostsee galt lange als Naturparadies, Tourismusziel und friedlicher Handelsraum. Doch mit Russlands Krieg gegen die Ukraine hat sich vieles verändert – von Deutschland bis St. Petersburg.10.08.2023 | 43:36 min
Verhaftungen seit Einmarsch in Ukraine
Die unsichtbaren Grenzen des Sagbaren, sie begegnen uns auf unseren Drehreisen in Russland immer wieder. "Wir verstehen alle alles": Diesen Satz entgegnen uns die Menschen oft. Was sie damit meinen, muss im Ungefähren bleiben. Denn wer sich gegen den Krieg, oder gegen die Regierung äußert, läuft Gefahr, verraten und verfolgt zu werden.
Seit Moskaus Einmarsch in die Ukraine sind 20.000 Russinnen und Russen wegen Äußerungen gegen den Krieg verhaftet worden. Etwa 700 wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Andere haben ihre Jobs verloren, oder wurden von der Uni geworfen. Ausgrenzung ist zur politischen Waffe gegen Andersdenkende geworden.
Russlands Angriff gegen die Ukraine lässt die Menschen im Ostseeraum spüren: Ein Machtkampf dringt in ihre heile Welt. Das ruhige Meer wird zum maritimen Schauplatz. 17.08.2023 | 43:43 min
Wie blicken die Nachbarstaaten auf Russland? Zu sehen in der zweiteiligen Dokumentation "Machtpoker an der Ostsee":
Der "Tag Russlands", ein landesweiter Feiertag im Juni, gehört denjenigen, die Moskaus Weg unterstützen. "Der Zustand unseres Landes - das ist doch letztlich der Zustand von uns allen. Wenn wir es lieben, wird es durch uns mit jedem Tag besser werden", sagt etwa Julia.
Der Westen - der angebliche Feind von außen
Für die Offiziellen ist dieser Feiertag eine weitere Gelegenheit, um Einigkeit zu beschwören. Die verschiedenen Regionen Russlands sowie die Ex-Sowjetrepubliken sollen zusammenstehen, so will es Moskau, gegen den angeblichen Feind von außen: den Westen. "Wir alle sind für den Frieden, wir möchten sehr gerne Frieden", meint Viktoria, die wir auf dem Stadtfest in Kaliningrad treffen.
Eineinhalb Jahre nach Kriegsbeginn verschwimmen die Grenzen zwischen Patriotismus und Propaganda. Die Kluft zwischen Russland und seinen europäischen Nachbarn hingegen wächst immer weiter.
Dina, die Kaliningrader Stadtführerin, hofft, dass all das nur eine Phase ist, die bald wieder vorbei geht. Diese Hoffnung ist in Russland weit verbreitet. Die Ansicht, dass Moskau an all dem keine Schuld trägt, allerdings auch.